Nach drei Monaten des russisch-syrischen Dauerbombardements, dem mehr als 400 Zivilisten zum Opfer fielen und fast eine halbe Million Menschen auf die Flucht schickte, nach zerstörten Krankenhäusern und Schulen und einem Blutbad auf dem großen Markt der Stadt Maaret al-Nouman war die Waffenruhe ein unerwarteter Moment der Hoffnung gewesen: ‚Jetzt trauen sich die Menschen wieder raus, es ist ein bisschen Verkehr auf den Straßen‘, freute sich ein Getränkeverkäufer. Andere hofften, dass es wenigstens bis zum Feiertag des Eid al-Adha-Festes am kommenden Wochenende ruhig bliebe. (…)
Der offizielle Grund für die Wiederaufnahme der Bombardements, ein angeblicher Rebellenangriff auf die russische Luftwaffenbasis Hmeimim, wurde anfangs sogar auf dem Facebook-Account der Assad-treuen Nachbarstadt Jableh dementiert – bis die Seite jählings vom Netz genommen wurde.
Was also steckt hinter dem abrupten Kurswechsel?
Recherchen in Idlib und der Türkei sowie Gespräche mit zwei Teilnehmern der letzten Astana-Runde ergeben ein zynisches Bild. Eines, in dem weder die fortschreitende Zerstörung der Heimat von über drei Millionen Menschen, noch deren Rettung zu den Kernanliegen Moskaus gehören. Stattdessen benutzt die russische Führung die Rebellenhochburg Idlib als Verhandlungsmasse, ein Tauschgut, mit dem sie andere Ziele erreichen kann, die ihr weit wichtiger sind. Die Türkei unter Präsident Recep Tayyip Erdogan folgt ganz ähnlichen Motiven, sie hat nur weniger Spielraum als Russland. Baschar al-Assads Regime ist ebenso wie die Vertreter der Opposition zu abhängigen Klienten der Patrone in Moskau und Ankara geworden.“ (Christoph Reuter: „Zynisches Spiel mit der Hoffnung“)