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Vorteilhaftes Seeabkommen für Israel?

ISraels sicherheitskabinett hat dem Seeabkommen mit dem Libanon zugestimmt
Israels Sicherheitskabinett hat dem Seeabkommen mit dem Libanon zugestimmt (Quelle: JNS)

Hochrangige Sicherheitsanalysten stehen der Vereinbarung zwischen Israel und dem Libanon skeptisch gegenüber. Sie befürchten, dass die Hisbollah von dem Abkommen profitieren könnte.

David Isaac

Das kürzlich geschlossene Abkommen zwischen dem Libanon und Israel über die gemeinsame Seegrenze könnte sich zwar als wirtschaftlich vorteilhaft erweisen, wird aber nicht zu Israels Sicherheit beitragen, sagten Analysten während eines kürzlich vom Jewish Institute for National Security of America (JINSA) veranstalteten Webinars. Ihrer Meinung nach habe der israelische Premierminister Yair Lapid bezüglich der Vorteile des Abkommens übertrieben. »Ich denke«, sagte etwa der ehemalige nationaler Sicherheitsberater Israels, Yaakov Amidror, »wirtschaftlich ist es ein gutes Geschäft. Aus strategischer Sicht könnten sich daraus allerdings viele Probleme ergeben.«

Mit dem Abkommen wird der Streit über ein 855 Quadratkilometer großes, gasreiches Gebiet beigelegt, das sowohl nach Ansicht Israels als auch des Libanons in ihre jeweilige ausschließliche Wirtschaftszonen fällt. Ein Kompromiss zur Aufteilung des Gebiets zu 55 Prozent an den Libanon und zu 45 Prozent für Israel wurde zwar während der Obama-Regierung vorgeschlagen, kam aber nie zustande.

Wie wird Hisbollah reagieren?

In der aktuellen Vereinbarung, die am vergangenen Mittwoch von der israelischen Regierung und am Tag darauf von der libanesischen Regierung gebilligt wurde, gewährt Israel nach Ansicht von Kritikern dem Libanon hundert Prozent von dessen ursprünglicher Verhandlungsposition. Der plötzliche Rücktritt des israelischen Chefunterhändlers Ehud Adiri eine Woche vor der Bekanntgabe des Abkommens untermauert die Vorwürfe der Kritiker.

Die Gegner des Abkommens, darunter Oppositionsführer Benjamin Netanjahu, beklagten außerdem, dass das Abkommen eine Kapitulation vor der Hisbollah sei, einem iranischen Stellvertreter und der stärksten Kraft im Libanon. Im Juli feuerte die Terrorgruppe drei unbewaffnete Drohnen auf eine israelische Gasbohranlage ab, und Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah warnte, dass »niemand« nach Gas bohren werde, solange die »Rechte« des Libanon zur Gasförderung nicht gewahrt würden.

Amidror sagte, seine zentrale Frage sei, wie Nasrallah nun weiter vorgehen wird: »Wie wird Nasrallah reagieren? Wenn er vor seine Leute tritt und sagt: Wir haben gewonnen. Israel ist unter dem Druck zusammengebrochen. Die Israelis haben sich zurückgezogen, weil sie keinen weiteren Krieg mit der Hisbollah wollen, und wir müssen uns überlegen, wo wir sie als nächstes erpressen können‹, dann könnte das zu einer Eskalation führen.«

David Schenker, stellvertretender Staatssekretär für Angelegenheiten des Nahen Ostens in der Regierung des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, teilte Amidrors Bedenken. »Die große Frage für mich ist, ob dieses Abkommen Israel sicherer macht. Und genau das hören wir von der israelischen Regierung. Das haben wir auch von den Israelischen Verteidigungskräften (IDF) gehört. Ich denke, das bleibt abzuwarten. Es könnte in beide Richtungen gehen. Und das Problem der Hisbollah wird durch dieses Abkommen nicht gelöst. Es könnte das Problem möglicherweise noch verschärfen«, meinte Schenker.

Profite für die Terrorgruppe

Schenker äußerte sich auch positiv und sagte, das Abkommen mache die Hisbollah und ihre christlichen Verbündeten im Libanon zu Geschäftspartnern Israels. »Die israelische Regierung hat sie dazu gebracht, ein Dokument zu unterzeichnen, das Israel im Wesentlichen anerkennt. Das hat es zuvor nie gegeben. Das diskreditiert die Hisbollah zu Hause und untergräbt ein wenig das Widerstandsnarrativ«, führte er aus.

Amidror sagte, die Befürworter des Abkommens hätten argumentiert, der springende Punkt sei, dass Israel sofort mit seinen Gasbohrungen beginnen könne, was »wichtiger sei als alle symbolischen [Grenz-]Linien im Meer«. Er stimmte zu, dass Öl- und Gasunternehmen eher bereit sein werden, in dem Gebiet zu bohren, wenn die Drohungen der Hisbollah zumindest vorübergehend eingestellt werden.

Die USA haben sich bereit erklärt, zwischen dem französischen Ölriesen TotalEnergies und Israel zu vermitteln. TotalEnergies wird in libanesischen Gewässern bohren, und als Teil der Vereinbarung erhält Israel einen Anteil an den Einnahmen aus dem Gas, das jenseits der libanesischen Linie in israelischen Gewässern liegt.

Die USA erklärten außerdem, sie würden Israels Sicherheit und wirtschaftliche Rechte garantieren, sollte die Hisbollah das Abkommen anfechten. Die USA haben Israel ein entsprechendes Schreiben zukommen lassen, so israelische Quellen. Allerdings sei dieses Schreiben laut Amidror »ein PR-Papier. Rechtlich ist niemand verpflichtet, es zu erfüllen.« Schenker stimmte dem zu: »Dieser Brief, wenn es ihn denn gibt, hat kein rechtliches Gewicht.«

Beide Analysten äußerten die Befürchtung, dass ein Teil der Gelder aus dem Offshore-Gasgeschäft in den Händen der Hisbollah landen könnte. »Ich glaube, die Libanesen fürchten bereits, dass dieses Geld im Abgrund der Korruption verschwindet«, sagte Schenker. »Es gibt keine Transparenz. Der Staat verfügt über keinen Staatsfonds. Schon jetzt gibt es Verträge von Total und anderen mit Briefkastenfirmen, die teilweise im Besitz einiger der korruptesten politischen Eliten im Libanon sind.« Man könne also davon ausgehen, dass nicht nur die Verbündeten der Hisbollah davon profitieren werden, sondern dass auch die Hisbollah in gewissem Maße davon profitieren wird.

Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)

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