Von wegen eine „Welt ohne Atomwaffen“

Von Florian Markl

Anlässlich seines Hiroshima-Besuchs erneuerte US-Präsident Obama den Aufruf aus seiner Prager Rede vom April 2009 nach einer „Welt ohne Atomwaffen“. Angesichts der Realität der vergangenen Jahre erntete er dafür viel Kritik. Schließlich sind die USA selbst gerade dabei, ihr Atomwaffenarsenal zu erneuern. Weit entfernt davon, sein Atomwaffenprogramm einzustellen, produziert Nordkorea eine Bombe nach der anderen. Als einer der wenigen Lichtblicke wurde gelegentlich auf den Atom-Deal mit dem iranischen Regime hingewiesen. Dieser, so schrieb Thomas J. Spang gestern in den Salzburger Nachrichten, habe „fürs Erste einen Nuklearwettlauf im Mittleren Osten verhindert“. Am Wahrheitsgehalt dieser Behauptung kann man erhebliche Zweifel anmelden. Was der nach wie vor unverdrossene Obama-Verehrer Spang vor allem aber nicht erwähnte: Mit dem sogenannten Wiener Abkommen im Atomstreit mit dem Iran hat die Obama-Administration mit wesentlichen Punkten der Jahrzehnte lang verfolgten Politik der Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen gebrochen.

In seinem jüngsten Buch „Mission Failure. America and the World in the Post-Cold War Era“ schreibt Michael Mandelbaum, Professor für amerikanische Außenpolitik an der Johns Hopkins University School for Advanced International Studies in Washington D.C, dazu folgendes:

„Obwohl die amerikanische Regierung im Einklang mit den Vereinten Nationen vom Iran ursprünglich gefordert hatte, all seine bedrohlichen Aktivitäten, einschließlich der Urananreicherung … einzustellen, stritten die beiden Seiten im Jahr 2014 darüber, wie groß die Urananreicherungskapazität sein dürfe, die dem Iran erlaubt werde – die Vereinigten Staaten hatten sich von der Forderung nach einem Stopp der Anreicherung verabschiedet.

Ihre Kapitulation in diesem kritischen Punkt besiegelte einen Bruch mit vier Jahrzehnten amerikanischer und globaler Nichtweiterverbreitungspolitik. Seit Mitte der 1970er-Jahre vertraten die USA und andere Länder den Standpunkt, dass es Nicht-Atomwaffenstaaten nicht erlaubt sein solle, Urananreicherungsanlagen zu betreiben, da diese für die Herstellung vom Atomwaffen benutzt werden könnten. Eine amerikanische Administration nach der anderen bestand darauf, dass sogar demokratische, den USA wohlgesonnene Regierungen auf Urananreicherung verzichten mussten.

Doch im Jahre 2013 anerkannte die Obama-Administration plötzlich das Recht zum Betrieb von Anreicherungsanlagen einer Regierung, die weder USA-freundlich noch demokratisch war und ihre Anreicherungskapazität geheim gehalten hatte. Damit gab die Obama-Administration einen wesentlichen Punkt jenes Ensembles von Verträgen, Organisationen, Regeln und Strategien auf, das von den USA und der internationalen Gemeinschaft in den Jahrzehnten seit 1945 aufgebaut worden war, um die Weiterverbreitung von Atomwaffen zu verhindern. Nachdem Barack Obama im ersten Jahr seiner ersten Amtszeit für die Abschaffung aller Atomwaffen weltweit eingetreten war, machte er im ersten Jahr seiner zweiten Amtszeit ein Zugeständnis, in dessen Folge es auf der Welt höchstwahrscheinlich sehr viel mehr dieser Waffen geben wird – nicht etwa weniger, und erst recht nicht gar keine.“

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