Die Rolle von Pädagogen bei der Repression gegen Anti-Regime-Proteste erfährt breite Kritik in der iranischen Gesllschaft.
Farzad Amini
Die Rolle von Lehrern und Universitätsprofessoren bei der Unterdrückung von Protesten im Iran, insbesondere während des »Frau, Leben, Freiheit«-Aufstands im Jahr 2022, ist zu einem zentralen Kritikpunkt in der iranischen Gesellschaft geworden.
Durch ihren angesehenen sozialen Status und ihrer engen Verbindung zu Jugendlichen und Studenten hätten sich die Lehrkräfte in einer einzigartigen Position befunden, um sich mit den Demonstranten zu solidarisieren. Viele versäumten es jedoch, diese Gelegenheit zu ergreifen, und ein erheblicher Teil zog sich entweder aus seiner sozialen Verantwortung zurück oder trug aktiv zur staatlichen Unterdrückung bei.
Die »Frau, Leben, Freiheit«-Bewegung, die durch den tragischen Tod von Jina Mahsa Amini im September 2022 ausgelöst wurde, rief weitere Proteste gegen die Regimepolitik in Bezug auf Geschlechterfragen, Menschenrechte und politische Freiheit hervor und machte auf die Mitschuld aufmerksam, die einige Pädagogen in dieser turbulenten Zeit auf sich luden.
Faktoren der Untätigkeit
Im Iran ist der einstmals hoch angesehener Lehrerberuf seit Langem unterbezahlt und unterbewertet. Der wirtschaftliche Druck, dem Lehrer ausgesetzt sind und der durch Inflation und sinkenden Lebensstandard noch verschärft wird, hat deren Motivation, sich für politischen oder sozialen Wandel einzusetzen, stark beeinträchtigt.
Vielen Pädagogen, die bereits durch niedrige Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen belastet sind, fehlen die finanziellen und emotionalen Ressourcen, um den Status quo infrage zu stellen. Anstatt sich für Veränderungen einzusetzen oder protestierende Schüler zu unterstützen, schweigen sie überwiegend und werden so zu Werkzeugen staatlicher Unterdrückung, indem sie die bestehenden Verhältnisse aufrechterhalten.
Zusätzlich zu den wirtschaftlichen Problemen sind Lehrer von einer ständigen Arbeitsplatzunsicherheit bedroht. Wer sich gegen die Regierungspolitik ausspricht oder studentischen Aktivismus unterstützt, riskiert, entlassen, versetzt oder sogar verhaftet zu werden. Die Lehrergewerkschaft war wiederholt Ziel staatlicher Verfolgung; Gewerkschaftsführer wurden häufig inhaftiert, weil sie höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen forderten. Diese Gefahren halten viele Lehrer davon ab, sich aktiv für soziale Bewegungen einzusetzen; selbst, wenn sie persönlich mit den Forderungen der Demonstranten sympathisieren.
Die Strategie der Regierung besteht darin, den Mindestlohn für Lehrer beizubehalten und gleichzeitig ihre Arbeitsbelastung zu erhöhen. Dies lässt den Pädagogen wenig Spielraum, sich auf umfassendere gesellschaftliche Fragen zu konzentrieren, da sie oft mit dem nackten Überleben beschäftigt sind. Diese wirtschaftliche Kontrolle ist eines der wirksamsten Instrumente, mit denen das Regime die Entstehung eines politisch aktiven Lehrkörpers verhindert.
Hüter des Status quo
Universitätsprofessoren, die traditionell als intellektuelle Führungspersönlichkeiten und Verteidiger des freien Denkens gelten, stehen ebenfalls unter dem Einfluss des Unterdrückungsapparats des Regimes. Viele Akademiker, die Vergeltung oder den Verlust ihres Arbeitsplatzes fürchten, entschieden sich dafür, zu schweigen oder in einigen Fällen aktiv mit dem Staat zusammenzuarbeiten, um studentischen Aktivismus zu unterdrücken.
Einige Professoren gingen sogar so weit, Studenten zu melden, die wegen ihrer Teilnahme an Protesten den Unterricht versäumten oder während der Vorlesungen abweichende Meinungen äußerten, um ihren beruflichen Status zu wahren. Diese Studenten wurden oft an die Disziplinarausschüsse der Universität verwiesen, was zu einer Suspendierung, einem Ausschluss oder sogar zu einer Inhaftierung führen konnte.
Einige Universitätsprofessoren, insbesondere jene, die ihre Karriere vorantreiben wollten, schlossen sich regimetreuen Organisationen wie der Basidsch-Professorenvereinigung an. Diese Gruppe, die als verlängerter Arm des staatlichen Sicherheitsapparats anzusehen ist, spielt eine wichtige Rolle bei der Überwachung und Kontrolle von Aktivitäten auf dem Campus. Professoren, die solchen Organisationen beitraten, erhielten Beförderungen, höhere Gehälter und mehr Arbeitsplatzsicherheit, was für sie einen Anreiz darstellt, studentischen Aktivismus zu unterdrücken und die Regeln des Regimes auf dem Campus durchzusetzen.
Darüber hinaus führten zahlreiche Universitäten während des Aufstands der »Frau, Leben, Freiheit«-Bewegung noch strengere Vorschriften ein, um Proteste einzudämmen. So erleichterten beispielsweise Änderungen der Disziplinarordnung der Universitäten es den Verwaltungsmitarbeitern, Studenten, die an Demonstrationen teilnahmen oder sich gegen die Regierungspolitik aussprachen, zu suspendieren oder auszuschließen.
Die Sicherheitskräfte der Universitäten, die oft eng mit staatlichen Sicherheitsbehörden wie dem Geheimdienstministerium und der iranischen Revolutionsgarde zusammenarbeiteten, verstärkten ihre Präsenz auf dem Campus und schufen so ein stark kontrolliertes und einschüchterndes Umfeld für Studierende und Lehrkräfte.
Die Folgen von Nonkonformität
Während sich viele Lehrkräfte dafür entschieden, sich der Politik des Regimes anzupassen oder zu schweigen, gab es auch bemerkenswerte Ausnahmen. Einige von ihnen, die sich der akademischen Freiheit und den Menschenrechten verpflichtet fühlten, unterstützten die Demonstranten offen und sprachen sich gegen die staatliche Unterdrückung aus, wofür sie oft einen hohen Preis für ihren Widerstand bezahlten und mit Suspendierung, Entlassung oder erzwungenem Exil rechnen mussten.
So erregte beispielsweise der Fall des bekannten Rechtsprofessors Qasem Ebrahimzadeh an der Universität Täbris internationale Aufmerksamkeit, als dieser verhaftet wurde, nachdem er seine Unterstützung für die Studentenproteste zum Ausdruck gebracht hatte. Nach einer kurzen Haftstrafe wurde er von der Universität entlassen und schließlich gezwungen, den Iran zu verlassen. Viele andere Akademiker erlitten ein ähnliches Schicksal, da das Regime seine Bemühungen fortsetzte, die Universitäten von jeglichen abweichenden Stimmen zu säubern.
Die Kampagne zur Säuberung der Universitäten von Andersdenkenden war nicht auf einzelne Professoren beschränkt. Ganze Fakultäten, insbesondere in den Geistes- und Sozialwissenschaften, wurden durch Budgetkürzungen, Zwangsverrentungen und die Einführung religiöser oder regierungsfreundlicher Lehrpläne systematisch geschwächt. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, ein intellektuelles Klima zu schaffen, das kritischem Denken und sozialem Wandel feindlich gegenübersteht, und um sicherzustellen, dass Universitäten Bastionen der Regimetreue bleiben und nicht zu Zentren des intellektuellen und politischen Dissenses werden.
Zusammenarbeit bei Repression
Die tiefe Verstrickung von Universitätsleitungen und Fakultätsmitgliedern in die staatliche Unterdrückung der »Frau, Leben, Freiheit«-Proteste ist Teil eines umfassenderen Musters der Zusammenarbeit zwischen Bildungseinrichtungen und dem iranischen Sicherheitsapparat. Nach den Protesten führten viele Universitäten neue Sicherheitsmaßnahmen ein, darunter eine verstärkte Überwachung von Studierenden und Mitarbeitern, eine strengere Kontrolle der Aktivitäten auf dem Campus und den Einsatz von verdeckten Ermittlern zur Überwachung politischer Dissidenten.
Die Zusammenarbeit zwischen Universitäten und Sicherheitskräften erstreckt sich bis in die höchsten Ebenen der Universitätsverwaltung. Viele Universitätsbeamte und -verwalter, insbesondere die direkt von der Regierung ernannten, haben enge Verbindungen zu den Geheimdiensten und der Revolutionsgarde.
Diese Verbindungen stellen sicher, dass die Universitäten eng an der Sicherheitsagenda des Staates ausgerichtet sind und wenig Toleranz für abweichende Meinungen oder Kritik zeigen. Zugleich entfremdet die institutionelle Ausrichtung der Universitäten auf die repressiven Taktiken des Regimes Studierende und Fakultätsmitglieder, die den Status quo infrage stellen wollen, weiter von ihren Bildungseinrichtungen.
Düstere Aussichten
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Rolle der Lehrer und Universitätsprofessoren bei den Protesten im Iran, insbesondere während der »Frau, Leben, Freiheit«-Aufstände, durch ein komplexes Zusammenspiel von wirtschaftlichem Druck, politischer Angst und institutioneller Zusammenarbeit mit dem Unterdrückungsapparat des Staates gekennzeichnet war.
Während einige mutige Lehrkräfte beschlossen, sich den Protestierenden anzuschließen, hat die Mehrheit entweder geschwiegen oder sich aktiv an der Unterdrückung von Dissens beteiligt. Das Regime hat die finanzielle und berufliche Unsicherheit der Lehrkräfte ausgenutzt und Schulen und Universitäten effektiv in Kontrollinstrumente verwandelt, anstatt sie als Orte der intellektuellen Freiheit und des kritischen Denkens zu nutzen.
Solange das Regime der politischen Loyalität Vorrang vor der akademischen Freiheit einräumt, sind die Aussichten auf eine sinnvolle Reform des iranischen Bildungssystems düster. Die anhaltende Unterdrückung von Lehrkräften und Studierenden gleichermaßen droht die intellektuelle und politische Dynamik der nächsten Generation zu ersticken – mit langfristigen Folgen für die Zukunft der iranischen Gesellschaft.