Am Mittwoch fand anlässlich der sechshundert Tage Gefangenschaft der noch im Gazastreifen festgehaltenen Entführten eine Pressekonferenz mit ehemaligen Geiseln und Angehörigen statt.
Amelie Botbol
»Nach Hause zurückzukehren und zu wissen, dass die vier Geiseln, mit denen ich in Gefangenschaft war, noch immer im Gazastreifen sind, ist sehr schwierig und herausfordernd«, berichtete der 66-jährige ehemalige Gefangene Keith Siegel im Rahmen einer Podiumsdiskussion mit Journalisten am Mittwoch – jenem Tag, der für die verbleibenden Geiseln der sechshundertste in den Händen der Terrororganisation ist. »Sie verdienen es, so nach Hause gebracht zu werden, wie ich es wurde.«
Die Veranstaltung wurde von MediaCentral organisiert, einem Medienkontaktzentrum, das in Israel ansässige oder dort zu Besuch befindliche Journalisten unterstützt.
Keith Siegel und seine Frau Aviva waren am 7. Oktober 2023 aus ihrem Haus in Kfar Aza entführt worden. Während Aviva nach 51 Tagen nach Hause kommen konnte, war dies Keith erst nach weiteren 433 Tagen am 1. Februar im Rahmen eines Waffenstillstandsabkommens zwischen Israel und der Hamas, das die Freilassung von 33 Entführten vorsah, vergönnt.
Belastende Ungewissheit
Keith Siegel sprach über die Schwierigkeiten, die mit der Trennung von Familie und Freunden während der Gefangenschaft verbunden waren. »Der Gedanke an ihr Leiden und das, was sie durchgemacht haben, war sehr belastend für mich. Dass sie nicht wissen konnten, wie es mir ging, ob ich noch lebte und umgekehrt.«
Auf einem Video von Avivas Überstellung nach Israel habe er »die Menschenmassen in Gaza gesehen, wie gewalttätig und feindselig sie waren, wie sie auf das Fahrzeug vom Roten Kreuz geklettert sind, das Aviva abgeholt hat, und darauf eingeschlagen haben, und ich wusste nicht, ob Aviva es nach Hause geschafft hatte oder nicht«, erzählte Siegel, nachdem die tatsächliche Freilassung nicht gezeigt worden sei. »Das war sehr belastend, ebenso wie die Ungewissheit, wann ich zu meiner Familie zurückkehren würde, oder ob ich es überhaupt lebend nach Hause schaffen würde.«
Während der Pressekonferenz betonte Siegel die Bedeutung »der enormen Unterstützung der Menschen in Israel und die unglaublichen Anstrengungen, die sie seit dem 7. Oktober unternommen haben, um die Geiseln zurückzuholen. Ich war und bin immer noch erstaunt, wie viele Menschen so viel tun, um dies zu erreichen.«
Siegel beschrieb die traumatische Erfahrung seiner Entführung und Gefangenschaft in eindrücklichen Worten: »Wir wurden mit vorgehaltener Waffe aus unserem Haus geführt, in mein Auto gezwungen, nach Gaza gefahren, die ganze Zeit bedroht und beschossen. Ich wurde an der Hand verletzt, auf den Boden gestoßen und habe mir die Rippen gebrochen. Wir wurden mit wechselnden Autos zu einem Haus gebracht und in einen Tunnel hinabgeführt.« Dort trafen sie andere Entführte, »welche die gleichen Erfahrungen gemacht hatten wie wir. So mussten eine Frau und deren drei Kinder die Ermordung ihres Mannes und ihrer ältesten Tochter miterleben, bevor sie selbst entführt wurden.«
Nach drei Tagen im Tunnel wurden sie in ein Privathaus gebracht, wo sie passende Kleidung erhielten, um sich unerkannt unter die Einheimischen mischen zu können, um anschließend in einer anderen Wohnung einige Tage lang zu verbleiben.
Drohungen und Gewalt
Dann sei die Mutter mit ihren Kindern anderswo hin verlegt worden, erzählte Siegel. »Zwei junge Soldatinnen wurden gebracht, wir lebten etwa einen Monat mit ihnen und erlebten Gewalt, Feindseligkeit, brutales Verhalten, wurden bedroht, körperlich und verbal misshandelt. Ich wurde Zeuge sexuellen Missbrauchs an den jungen Frauen.«
Irgendwann seien sie ohne den beiden Soldatinnen in einen Tunnel gebracht worden, »in dem wir kaum atmen konnten. … Die Möglichkeit, hier zu sterben, war sehr real. Wir … rangen nach Luft und hatten nur sehr, sehr wenig zu essen und zu trinken.«
Am 51. Tag ihrer Gefangenschaft wurde Keith Siegel von seiner Frau getrennt: »Sie nahmen Aviva mit und sagten uns, dass ich am nächsten Tag freigelassen würde und wir wieder vereint wären. Doch ich blieb weitere 433 Tage in Gefangenschaft. Ich wurde getreten, bespuckt, an Orten festgehalten, an denen ich leicht hätte erkannt werden können. Ich wurde ausgehungert und war dehydriert, wurde mit Waffen bedroht und musste schreckliche Misshandlungen und Folterungen anderer Geiseln mitansehen. Wenn ich an die Geiseln denke, die seit 600 Tagen in Gefangenschaft sind, und an meine Erfahrungen während dieser 484 Tage, kann ich mir kaum vorstellen, dass man das überleben und bewältigen kann.«
Frei und doch nicht frei
An der Pressekonferenz nahm auch Ayelet Samerano teil, deren 21-jähriger Sohn Yonatan von Hamas-Terroristen angeschossen und einem Sozialarbeiter der UN-Hilfsorganisation UNRWA entführt worden war. »Ich hätte nie gedacht, dass ich diesen Tag erleben würde. Wir schlafen nicht, wir essen nicht. Wir können nicht leben. Ich reise um die ganze Welt, um alle davon zu überzeugen, dass mein Sohn nach Hause kommen muss«, schilderte sie.
Sie habe »keine Worte mehr, um unsere Gefühle zu beschreiben und ich flehe darum, dass mein Sohn nach Hause gebracht wird. … Ich wünsche mir, dass er noch am Leben ist, aber wir wissen es nicht, denn die Terroristen haben ihn angeschossen, bevor sie ihn mitgenommen haben.«
In Bezug auf die UNRWA meinte sie, wenn man »über humanitäre Organisationen und die Bewohner des Gazastreifens spricht, muss man sich klar machen, dass eine humanitäre Organisation meinen Sohn entführt hat«.
Dalia Cusnir, deren Schwager Eitan und Yair Horn, die aus dem Kibbuz Nir Oz entführt worden waren, sprach ebenfalls auf der Pressekonferenz und forderte die internationale Gemeinschaft zum Handeln auf. Yair wurde am 15. Februar im Rahmen eines Waffenstillstandsabkommens freigelassen, Eitan verblieb in Gefangenschaft. »Gestern waren es hundert Tage, seitdem Yair freigelassen wurde. Er sagt, er fühle sich nicht wirklich frei, weil er seinen kleinen Bruder Eitan im Tunnel zurückgelassen habe. Yair ist frei, wenn man ihn auf der Straße sieht, aber sein Herz, seine Seele, seine Gedanken sind im Gazastreifen.«
Für Dalia Cusnir liegt »der Schlüssel zur Lösung der Krise des Gazastreifens darin, dass die Hamas die Geiseln freilässt, die Geiseln und den Rest der Bevölkerung von Gaza freilässt«. Und doch, so fuhr sie fort, »verurteilen so viele Länder Israel dafür, dass die humanitäre Hilfe nicht ankommt. All diese Regierungen sollten sich engagieren. Sie hätten das schon vor 600 Tagen tun sollen und die Hamas dazu bringen müssen, die Geiseln freizulassen, damit der Rest gelöst werden kann.«
Hamas torpediert erneut
Am Montag kritisierte der US-Sonderbeauftragte für den Nahen Osten Steve Witkoff die Hamas für ihr Verhalten während der laufenden Verhandlungen, das »enttäuschend und völlig inakzeptabel« sei. Seine Äußerungen erfolgten zu einem Zeitpunkt, an dem die Vereinigten Staaten ihre Bemühungen um ein neues Abkommen zur Beendigung der Feindseligkeiten im Gazastreifen und zur Freilassung der Geiseln intensivieren.
Witkoff bestätigte, dass Israel seinem Vorschlag zugestimmt habe, der eine vorübergehende Waffenruhe im Austausch für die Freilassung von zehn lebenden Geiseln und die Rückführung der Leichen von neunzehn weiteren vorsieht. »Das Angebot liegt auf dem Tisch. Die Hamas sollte es annehmen«, sagte er und fügte hinzu, dass das Abkommen »zu substanziellen Verhandlungen führen würde, um einen Weg zu einer dauerhaften Waffenruhe zu finden, deren Vermittlung ich zugesagt habe«.
Nach Angaben der israelischen Behörden werden noch immer schätzungsweise 58 entführte Menschen in der Küstenenklave festgehalten, von denen zwanzig als noch am Leben bestätigt wurden.
Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)