IS-inspirierte Terroristen in Israel als Problem für Geheimdienste

Graffitti mit dem IS-Logo
Graffitti mit dem IS-Logo (Quelle: JNS)

Laut dem Berater früherer israelischer Verteidigungsminister seien die jüngsten Terrorakte nicht organisiert, weshalb die Sicherheitskräfte neue Abwehrstrategien entwickeln müssten.

Yaakov Lappin

Die vom Islaischen Staat (IS) inspirierten Terroristen stellen die Geheimdienste vor große Herausforderungen, die es ihnen erschweren, sie aufzuspüren. Deshalb müssen die israelischen Sicherheitskräfte nach den jüngsten Terroranschlägen neue Verhaltensmuster erarbeiten, so ein ehemaliger Verteidigungsbeamter gegenüber JNS.

Oberst a. D. David Hacham, ehemaliger Berater für arabische Angelegenheiten von sieben israelischen Verteidigungsministern und leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter des Miryam-Instituts, sagte, die terroristische Bedrohung durch den IS in Israel bestehe in der Regel aus unorganisierten Einzelpersonen oder kleinen Zellen, die »ohne Infrastruktur oder operative Koordination« agierten.

»Es gibt alle Arten von Einzelpersonen, die sich von der extremistischen Ideologie des ISIS anstecken lassen und sie mit voller Kraft verfolgen, wie wir in Be’er Sheva und Hadera gesehen haben. Es handelt sich um Taten von Einzelpersonen, die deswegen auf der Ebene der Geheimdienste nur schwer zu erfassen sind.«

Terrorwelle

Vier israelische Zivilisten wurden am 22. März in Be’er Sheva bei einem kombinierten Auto- und Messerangriff ermordet, bevor der Terrorist, ein Beduine aus Houra, von bewaffneten Zivilisten erschossen werden konnte. Zwei israelische Grenzpolizisten wurden vergangenen Sonntag in Hadera ermordet, als zwei bewaffnete Terroristen aus der nordarabischen israelischen Stadt Umm el-Fahm – Cousins, die dem ISIS die Treue geschworen hatten –,­ das Feuer eröffneten, bevor sie von Mitgliedern einer Grenzpolizeieinheit, die sich in der Nähe befand, erschossen wurden.

Und am Dienstag wurden bei einem weiteren Terroranschlag in Zentralisrael fünf Menschen getötet: zunächst in Bnei Brak und dann in Ramat Gan.

Bei dem Anschlag in Hadera benutzten die Terroristen M-16-Sturmgewehre und waren zusätzlich mit Handfeuerwaffen und einem Munitionsarsenal bewaffnet, was laut Hacham »die breite Verfügbarkeit von Waffen im arabischen Teil Israels widerspiegelt. Die Verfügbarkeit von Schusswaffen ist ein zentrales Merkmal der Vorgänge in diesem Sektor der Gesellschaft.«

Darüber hinaus deuten die Videoaufnahmen des Anschlags darauf hin, dass die Terroristen die Möglichkeit hatten, vorher mit Schusswaffen zu trainieren, so Hachams Einschätzung.

»Hier ist etwas kaputtgegangen, was die Operationen der Sicherheitskräfte gegen IS-nahe Verdächtige angeht. Die Abwehraktionen können nicht nach demselben Muster weitergehen. Es müssen neue Schritte unternommen werden.

Der erste davon ist die sofortige Wiedereinführung der Verwaltungshaft. Wenn es sich um Personen mit bekannten IS-Affinitäten handelt, ist ein kompromissloses Vorgehen erforderlich, als es bisher erfolgt ist. Auch längere Haftstrafen sind notwendig. Selbst wenn das die Terroristen nicht abschreckt, kann es das bei ihren Familien tun.«

Der israelische Inlandsgeheimdienst Shin Bet verhindere im Durchschnitt 500 bis 600 Terroranschläge pro Jahr, und seine Fähigkeiten zur Verhinderung von Anschlägen hätten sich in den letzten zwei Jahrzehnten stark verbessert, so Hacham. »Doch jedes Mal, wenn ein erfolgreicher Anschlag verübt wird, überschattet dies die öffentliche Wahrnehmung.«

Die jüngsten Terrorakte erinnern an die Welle der palästinensischen »einsamen Wölfe« aus dem Jahr 2015, die zwar nicht organisiert waren, aber eine Kettenreaktion von Anschlägen auslösten, von denen jeder vorangegangene den nächsten ermutigte, resümiert er.

»Dies geschah zu einem Zeitpunkt, an dem der Negev-Gipfel im Gange war – eine Erinnerung daran, wie schnell gefährliche extremistische Kräfte positive Prozesse stören können.«

Die israelische Polizei, der Inlandsgeheimdienst Shin Bet und andere Sicherheitskräfte müssen in naher Zukunft in höchster Alarmbereitschaft sein, so Hacham, da der Ramadan und der »Tag des Landes« vor der Tür stehen, weswegen das Potenzial für eine Kettenreaktion von Anschlägen über dem Land schwebt.

Wendepunkt

Die israelischen Verteidigungskräfte haben am Montag beschlossen, vier Reserve-Infanteriebataillone in das Westjordanland zu entsenden und ihre Ausbildung zu verkürzen, um die Sicherheitspräsenz an sensiblen Brennpunkten zu verstärken und Nachahmungsangriffe von IS-Aktivisten zu verhindern, wie die israelische Nachrichtenwebsite Ynet berichtet.

Hacham sagte, dass im Westjordanland sensible Daten wie der 30. März (»Tag des Landes«) und der Ramadan zu Aufwiegelung und Gewalt führen könnten, was zusätzliche Maßnahmen des Verteidigungsministeriums erforderlich mache, und er warnte:

»Der Ramadan ermutigt zu weiterem religiösen Extremismus. Es sind hochwertige nachrichtendienstliche Informationen erforderlich, um diejenigen vor Ort zu enttarnen, die einen Anschlag planen. Eine verstärkte Sicherheitspräsenz ist auch entlang der Nahtlinie erforderlich, die palästinensische Arbeiter überqueren, sowie in Israel selbst.

Es steht außer Frage, dass die Anschläge von Be’er Sheva und Hadera einen Wendepunkt darstellen. Änderungen des Modus Operandi, der nachrichtendienstlichen Erkenntnisse, der Alarmstufen und der Abschreckung sind jetzt angesagt. Dazu gehört auch eine sorgfältigere Aktivierung der nachrichtendienstlichen Quellen und der Überwachung. Jeder erfolgreiche Anschlag schafft Motivation für weitere Anschläge durch Nachahmer.«

Ferngesteuerte Aufwiegelung

Hacham beschrieb die Praxis der Hamas, nach jedem Terroranschlag in Israel Süßigkeiten im Gazastreifen zu verteilen, als vorhersehbar, da jeder einzelne Anschlag

»der Agenda der Hamas dient. Sie reitet auf dieser Welle und setzt ihre Aufwiegelung fort, in diesem Fall eine ›ferngesteuerte‹ Aufwiegelung aus Gaza. Doch die Hamas ist nicht wirklich Teil der aktuellen Entwicklungen hier.«

Die Ideologie der Hamas verusche zwar, so viele Terroranschläge auf Israelis wie möglich zu fördern, doch gebe es Unterschiede zwischen ihrer Ideologie und jener des Islamischen Staates. So propagiere die Hamas eine Verschmelzung von palästinensischem Nationalismus und panislamischen Bestrebungen, die sich in einem zweistufigen Plan niederschlägt.

Hacham definiert die erste Stufe als die Errichtung eines islamisch-palästinensischen Staates auf den Ruinen Israels und die zweite als die Errichtung eines panislamischen Kalifats, ähnlich dem, das »im siebten und achten Jahrhundert existierte«. Im Gegensatz dazu fordert der IS die sofortige Errichtung eines Kalifats in dem »geografischer Patriotismus« nichts verloren habe, so Hacham.

»Die Hamas hat in der Vergangenheit keine Herausforderungen durch den IS im Gazastreifen geduldet. Jetzt aber gibt es eine gemeinsame Basis, wenn es um Angriffe in Israel geht: das Ziel, israelische Juden zu verletzen und zu töten.«

Hamas liegt momentan nichts an Eskalation

Zwischenzeitlich verzichtet die Hamas Berichten zufolge auf terroristische Angriffe aus dem Gazastreifen, wie dem Einsatz von Raketen oder Attacken auf den Grenzzaun.

Dies ist zum großen Teil darauf zurückzuführen, dass die Terrororganisation, die die Küstenenklave beherrscht, noch immer »ihre Wunden leckt«, die sie sich in dem elftägigen Konflikt mit Israel im vergangenen Mai zugezogen hat, als ihre Infrastruktur stark beschädigt wurde, schätzt Hacham und erklärt:

»Die Hamas ist daran interessiert, ihre operativen Fähigkeiten vollständig wiederherzustellen. Darüber hinaus ist die zivile Infrastruktur in Gaza noch lange nicht wiederhergestellt. Zehntausende von Häusern wurden in den jüngsten Konflikten beschädigt, einige sind teilweise und andere vollständig zerstört.«

Abschließend wies Hacham darauf hin, dass die katarischen Hilfsgelder in Höhe von 30 Mio. Dollar pro Monat in Verbindung mit den laufenden ägyptischen Infrastrukturreparaturarbeiten an den Küstenstraßen im Gazastreifen und dem Bau neuer Wohnviertel im Norden des Streifens ebenfalls zu jenen Interessen gehören, welche die Hamas im Moment nicht durch militärische Eskalation gefährden möchte.

Der Text erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung Alexander Gruber.)

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