Nach dem antisemitischen Mordanschlag vor dem Jüdischen Museum in Washington, waren zahlreiche Rationalisierungsversuche zu beobachten, die den Opfern die Schuld für die Tat zuschieben wollten.
Seit Adolf Eichmann 1961 als Angeklagter vor Gericht in Jerusalem erklärt hate, »niemals ein Antisemit« gewesen zu sein, hängt die Messlatte für Antisemitismus relativ hoch. Einen Antisemiten nennen darf man, falls überhaupt, nur jemanden, der mehr als sechs Millionen Juden ermordet hat. Denn der Judenmord – und darin stimmen die Palästina-Solidarischen mit Eichmann überein – ist nicht per se antisemitisch. Eigentlich ist Mord an Juden sogar ein edles, humanitäres Projekt, man muss ihn nur richtig begründen.
Einer, der das verstanden hat, ist Elias Rodriguez. Als er das aus dem Jüdischen Museum in Washington kommende Paar Yaron Lischinsky (30) und Sarah Lynn Milgrim (26) ermordete, schrie er: »Free Palestine.« In Gerichtspapieren wird seine Aussage zitiert: »Ich tat es für Palästina, ich tat es für Gaza.« Für Palästina und Gaza muss fast 10.000 Kilometer entfernt jüdisches Blut fließen. Die Ritualmordlüge besagt, dass Juden Nichtjuden ermordeten, weil sie deren Blut für rituelle Zwecke bräuchten. Eine Projektion: In Wahrheit ist es umgekehrt.
Der Doppelmord von Washington bestätigt das, was wir kürzlich an dieser Stelle beschrieben haben: Die Judenmörder haben das »Heilige Land« (Mittelalter) oder »Gaza« (heute) auf den Lippen, aber zum Töten gehen sie einfach vor die Haustür. Die Schwierigkeit besteht für sie dann höchstens darin, wie man Juden sicher identifiziert, seit sie keine gelben Sterne oder spitzen Hüte mehr tragen.
Die meisten Judenmörder behelfen sich, indem sie an Orte gehen, wo die Chance, Juden zu begegnen, als hoch zu betrachten ist. Gerade war es das Jüdische Museum in Washington; frühere Tatorte waren etwa das Jüdische Museum in Brüssel, ein koscherer Supermarkt in Paris, eine jüdische Schule in Toulouse, eine Synagoge in Pittsburgh, Kopenhagen oder auf Djerba, das jüdische Kulturzentrum von Buenos Aires oder das Chabad-Haus in Mumbai, um nur einige zu nennen.
Die Mörder-Lobby
Überall, wo Juden sind, gibt es Menschen, die sie umbringen wollen. Weil sie glauben, dass die Welt ohne Juden eine bessere wäre. In einem gewissen Sinn kann man sagen, dass der Holocaust niemals aufgehört hat. Es rollen – und das ist tatsächlich ein erheblicher Unterschied – zwar keine Züge mehr, es gibt keine Gaskammern und die Schornsteine haben aufgehört zu rauchen, doch der Mord an Juden geht weiter. Auch in fünfzig oder zweihundert Jahren werden Juden noch erstochen, erschossen oder verbrannt werden, weil sie Juden sind. Das wissen wir, obwohl die Täter und die Opfer noch nicht mal geboren sind.
Aber mit Antisemitismus hat das nichts zu tun, oder doch? Es kommt, wie so oft, darauf an, wen man fragt. In Deutschland hat der amerikanische Mörder eine Lobby:
»Beim Mord in Washington wird in Deutschland vermutlich das jüdische Museum als Ort hervorgehoben werden, um ein politisches Verbrechen als antisemitisch darzustellen. Man sollte stattdessen fragen, warum das Museum für politische Zwecke missbraucht wurde.«
Das schreibt eine BDS-Gruppe namens Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost. Wer fragt sich nicht, wenn er von einem Mord erfährt, als erstes, ob die Opfer nicht selbst schuld seien? Hatten sie doch das Gebäude, vor dem sie verbluteten, vorher für »politische Zwecke missbraucht«, indem sie eine karitative Veranstaltung besucht hatten. Die von der Jüdischen Stimme offenbar als gerecht empfundene Strafe folgte auf der Stelle. Elias Rodriguez handelte quasi als Agent höherer Gerechtigkeit. Man mag sich gar nicht vorstellen, wie viele tote Juden für einen »gerechten Frieden in Nahost« nötig wären.
Und für welchen »politischer Zweck« wurde das Museum »missbraucht«? Die Washington Post berichtete:
»Sie hatten sich in der Lobby eines Museums in Washington D. C. versammelt, um Geschichten von Hoffnung und Tatkraft zu hören. Eine junge Entwicklungshelferin der Multifaith Alliance, die neben einer Vase mit weißen Blumen saß, sprach über die Bemühungen, Leben im kriegszerstörten Gazastreifen zu retten. Ihre Gruppe, gegründet von der Tochter von Holocaust-Überlebenden, wird von einem syrischen Flüchtling geleitet, und ihr Erfolg beruht darauf, in schrecklichen Situationen Vertrauen aufzubauen.
›Wenn Sie heute Abend hier weggehen, denken Sie bitte noch einmal über das Gespräch von heute Abend nach‹, sagte eine der Moderatorinnen, Sue Stolov, zum Ende des Programms im Capital Jewish Museum. ›Teilen Sie das, was Sie hier gelernt haben, mit Freunden und Kollegen, damit es sich wie ein Wellenschlag auf andere auswirkt.‹ Als einige aus der Menge den Empfang am Mittwochabend verließen, folgte ihnen ein Mann im Kapuzenmantel, der draußen herumgelungert und versucht hatte, sich im Regen eine Zigarette anzuzünden, und zielte mit einer halbautomatischen 9-mm-Waffe auf sie. Er drückte den Abzug – immer wieder.«
Nach diesem »Missbrauch für politische Zwecke« also soll man fragen. Der Mord war kein bisschen antisemitisch, sondern eine nachvollziehbare und verständliche Sache. Die Veranstaltung im Inneren des Museums war der eigentliche Skandal, findet die Jüdische Stimme für gerechten Frieden. Yaron Lischinsky und Sarah Lynn Milgrim waren dann wohl an jenem Abend die wahren Täter.
Die Völkermordmaschine
Wer Menschen wegen ihrer Nationalität, Ethnie, Rasse oder Religion tötet mit der Absicht, diese Gruppe ganz oder teilweise zu vernichten, begeht laut der UN-Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermords einen Genozid. Das gilt etwa für die Hamas, die sich in ihrer Charta zum Ziel der Ermordung aller Juden bekennt.
Elias Rodriguez konnte mangels Reichweite und Mitteln alleine keinen Völkermord verüben; er hatte aber die Absicht, daran mitzuwirken, als Rad einer großen, weltumspannenden Völkermordmaschine. Die Begründung für seine Tat liegt lange vor. An vielen westlichen Universitäten ist seit Oktober 2023 immer wieder gepredigt worden, »Palästina« müsse »dekolonisiert« werden – »mit allen notwendigen Mitteln«. Welche Mittel notwendig sind, darüber entscheidet der Täter ad libitum.
Unmittelbar nach den Morden, der Folter, den Vergewaltigungen und Entführungen des 7. Oktober 20234 erklärte Shahd Hammouri, Dozentin für Internationales Recht an der Universität Kent in England:
»Der Widerstand des palästinensischen Volks mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln gegen eine illegale Besatzungsmacht ist ein legitimer Akt. … Ein solcher Widerstand steht nicht im Widerspruch zum Gewaltverbot, da er eine Form der kollektiven Selbstverteidigung der Völker darstellt. Auch das humanitäre Völkerrecht verbietet einen solchen Widerstand nicht, da Menschen nicht zur Treue gegenüber der Besatzungsmacht verpflichtet sind und daher im Widerstand gegen eine illegale Besatzungsmacht Waffen einsetzen dürfen.
Folglich sind Drittstaaten verpflichtet, die Legitimität des Widerstands des palästinensischen Volks anzuerkennen, und der Staat Israel ist verpflichtet, von der Verfolgung von Palästinensern wegen legitimen Widerstands abzusehen. Darüber hinaus darf sich Israel nicht auf Selbstverteidigung gegen solche Formen des Widerstands berufen, um Verstöße gegen das Völkerrecht zu rechtfertigen.«
Die Hamas darf also Juden ermorden und Drittstaaten sollen dabei die Hand reichen; die Juden dürfen sich nicht wehren, so die Juristin. Mord an Juden ist »Widerstand«, das sagen »Palästina«-Freunde in aller Welt.
Dass die Hamas nicht nur israelische Juden, sondern auch Palästinenser, Deutsche, Franzosen, Thailänder, Nepalesen, Filipinos, Inder, Amerikaner und Menschen aller möglichen anderen Nationalitäten ermordete und weiterhin ermordet, wird Frau Hammouri kein Kopfzerbrechen bereiten. Wo gehobelt wird, fallen Späne. Die Mörder sind eigentlich nur Funker, die Nachrichten senden. »Die vom Mörder gesendete Nachricht lässt wenig Zweifel an seinen Absichten. Er wollte den anhaltenden Völkermord im Gazastreifen anprangern, der vom israelischen Kolonialstaat begangen wird«, erklärte die Union Juive Francaise pour la Paix (UJFP), das französische Pendant zur deutschen Jüdischen Stimme für gerechten Frieden zum Doppelmord von Washington.
Der Täter hatte Absichten, die löblich sind, mag die Tat selbst auch »tragisch« sein, wie der Verein hinzufügt. Voraussetzung für die Anerkennung als gerechter Mord ist natürlich die korrekte Begründung. Das ist heute nicht anders als im Deutschland des Jahres 1938. Auch damals hätte niemand auf der Straße einen Juden erschießen dürfen, nur weil er dessen Uhr und Portemonnaie stehlen wollte. Es musste als Teil der vom NS-Regime vorgegebenen kollektiven Gewalt geschehen und politisch (»rassisch«) begründet sein. Das Pogrom vom 9. November 1938 hatte den erklärten Zweck, den Mord an dem deutschen Diplomaten Ernst vom Rath anzuprangern. Vom Ausbruch des »Volkszorns« war die Rede. Heute sagt man »Intifada«.
Kampf gegen Synagogen
Immer wieder zieht es deren Anhänger dorthin, wo Juden sind. Am 24. Mai fand in Bern eine nicht genehmigte Demonstration mit 2.000 zum Teil gewalttätigen Teilnehmern statt, die zur Synagoge ziehen wollten. Die Polizei musste Tränengas und Gummigeschosse einsetzen, um sie zu stoppen.
Im polnischen Bielsko-Biała störten laut der Jerusalem Post »pro-palästinensische Demonstranten ein Konzert mit jüdischen Liedern anlässlich des 77. Jahrestags der Gründung des Staates Israel, wie die Jüdische Religionsgemeinde in Bielsko-Biała mitteilte«.
Sie mögen es nicht, wenn sich Juden versammeln. Lila Djellali sitzt für die französischen Grünen im Stadtrat des 20. Pariser Arrondissements. Am 26. Mai sagte sie in einer Parlamentssitzung: »Einer unserer Präsidenten sagte einmal: ›An dem Tag, an dem wir die Juden am selben Ort versammeln, fürchten wir, dass sie zu Herrschern werden und das Undenkbare tun könnten.‹«
Wie Le Journal du Dimanche erläuterte, behauptete Djellali später, dies sei ein Zitat von Charles de Gaulles gewesen, was dieser aber nie gesagt habe. Der Mord von Washington und die Rede Djellalis zeigen: Jegliche antisemitische Rede und jeglicher Mord an Juden sind in bestimmten Milieus akzeptiert. Es muss nur im Namen des Guten geschehen. Und das war bislang bei jedem antijüdischen Pogrom der Geschichte der Fall.
Die Juden werden ermordet, weil sie aus Sicht des Judenhassers das Böse sind: Kinder des Teufels (Mittelalter) oder Rassisten und Kolonialisten (Stalinismus seit ca. 1950, westliche Gegenwart). Morde wie jene von Washington werden nicht betrauert und verurteilt, weil die Juden aus Sicht der Antisemiten nur das bekommen, was sie verdienen. Findet man bei ihnen keine Schuld, dann hat man einfach nicht gründlich genug gesucht.