Teheran und Moskau verfolgen zwar gegensätzliche Interessen, aber die verhängten Sanktionen zwingen sie zur Zusammenarbeit.
Ariel Ben Solomon
Moskaus Bemühen, seine Isolation durch den Westen zu überwinden, hat zu engeren Beziehungen mit Regierungen geführt, die ebenfalls mit dem Westen im Streit liegen, wie zum Beispiel dem Iran, was in Jerusalem Besorgnis ausgelöst hat. Und auch für »die Iraner ist es wichtig zu zeigen, dass sie Alternativen zum Westen haben. Deshalb verbessern sie ihre Beziehungen zu Russland«, erläutert Meir Javedanfar, Dozent an der israelischen Reichman-Universität und unabhängiger Wissenschaftler am Middle East Institute in Washington.
»Die Iraner glauben, dass eine Stärkung der Beziehungen zu Moskau ihre Chancen bei den Verhandlungen über das Atomprogramm verbessern wird«, fügte er hinzu. Und aus Moskaus Sicht dient die Beziehung dazu, öffentlich zu zeigen, dass Russland diplomatisch nicht isoliert ist.
Iran beliefert Russland
Außerdem erhalte Russland dadurch iranische Drohnen geliefert, erklärte Javedanfar. Zwar habe Russland mit »vielen Fehlfunktionen« bei den vom Iran für den Krieg in der Ukraine gekauften Drohnen zu kämpfen, ließ eine Quelle der US-Regierung Ende August verlautbaren. Der anonym bleibende Beamte teilte aber mit Javedanfar die Einschätzung, wonach Russland unbemannte Luftfahrzeuge (UAVs) der Serien Mohajer-6 und Shahed aus dem Iran erworben habe, was sich durch einen kürzlichen Abschuss eine Shahed-Drohne durch die Ukraine zu bestätigten schien.
Als jüngsten Beweis für die wachsenden Beziehungen zwischen den beiden Ländern gab das US-Handelsministerium am Montag bekannt, dass drei im Verkehr mit Russland eingesetzte iranische Frachtflugzeuge auf die Liste von Flugzeugen gesetzt werden, die im Verdacht stehen, gegen die US-Ausfuhrkontrollen im Rahmen der Sanktionen gegen Russland zu verstoßen. Anhand kommerziell verfügbarer Daten stellte das Handelsministerium fest, dass Flugzeuge von Mahan Air, Qeshm Air und Iran Air Produkte nach Russland transportieren und damit gegen die US-Ausfuhrverbote im Zusammenhang mit der Invasion in der Ukraine verstoßen.
Darüber hinaus traf sich der russische Präsident Wladimir Putin vergangene Woche mit seinem iranischen Amtskollegen Ebrahim Raisi auf einem Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit in Usbekistan, auf dem Teheran eine Absichtserklärung über den Beitritt zu der Organisation unterzeichnete.
Diplomatischer Schutz von Russland
Russland und der Iran nähern sich damit auf militärischem, wirtschaftlichem und politischem Gebiet an. Natürlich gibt es immer noch gegensätzliche Interessen und gegenseitiges Misstrauen, aber die beiden Länder scheinen keine besseren Optionen zu haben. Russland ist kulturell christlich geprägt und steht dem Westen näher. Außerdem hat es mit Islamisten im eigenen Land zu kämpfen und identifiziert sich ideologisch nicht mit Teheran. Die beiden Länder helfen sich jedoch gegenseitig in ihrer Isolation von den westlichen Mächten, weswegen sie sich beide auch an die weitere Supermacht China annähern wollen.
»Der Iran genießt den diplomatischen Schutz Russlands, da Moskau ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats ist«, erklärte Jason Brodsky, Leiter der Abteilung für politische Fragen bei United Against Nuclear Iran, gegenüber Jewish News Syndicate. »Diese diplomatische Absicherung hilft dem iranischen Regime, sich vor internationalen Gremien nicht für seine destabilisierenden Aktivitäten verantworten zu müssen.«
»Auch auf russisches Militärgerät hat Teheran ein Auge geworfen, nachdem das Waffenembargo der Vereinten Nationen gegen den Iran gemäß der Resolution 2231 des UN-Sicherheitsrats, in der das Atomabkommen mit dem Iran gebilligt wurde, im Oktober 2020, ausgelaufen war«, fügte Brodsky hinzu. »Der Iran ist sehr am russischen Kampfjet Sukhoi Su-35 interessiert, und da der Iran Drohnen an den Kreml liefert und der Ukraine-Krieg die geopolitische Lage verändert hat, ist Russland möglicherweise offener für die Lieferung solcher Ausrüstung an den Iran«, so der Nahost-Analyst weiter.
Israels wachsende Besorgnis
Die militärischen und technologischen Exporte nach Teheran würden in Jerusalem einen roten Alarm auslösen, und man sie würde mit diplomatischen Maßnahmen zu stoppen versuchen. Jerusalem versucht, seine Beziehungen zum Westen und zur Ukraine mit Russland auszubalancieren, das in Syrien eine starke militärische Präsenz unterhält. Die wachsenden Beziehungen zwischen dem Iran und Russland beunruhigen den jüdischen Staat wegen der diplomatischen Unterstützung und der militärischen Hilfe, die Russland Teheran gewähren könnte.
Allerdings profitiert Israel auch von der Tatsache, dass Moskau sich zunehmend auf die Ukraine und damit weniger auf Syrien konzentriert. Dazu sagte Brodsky, Israel beobachte die Verlegung russischer Ressourcen von Syrien in die Ukraine sehr genau, da dies dem Iran vielleicht die Möglichkeit eröffne, seine Manöver in Syrien zu verstärken. Auf der anderen Seite könne Israel aber auch davon profitieren, da Russland eine seiner S-300-Luftabwehrbatterien aus Syrien abgezogen hat, um sie in der Ukraine einzusetzen. »Das wird israelischen Operationen helfen, die auf die iranische Verankerung und Waffentransfers in Syrien abzielen«, sagte er.
Neue russische Marinedoktrin
Der russische Präsident unterzeichnete am 31. Juli eine neue Marinedoktrin, die Moskaus Außenpolitik auf die Arktis, Asien und den Nahen Osten ausrichtet, wie IDF-Oberstleutnant a. D. Daniel Rakov in einem kürzlich erschienenen Beitrag für das Jerusalem Institute for Strategy and Security feststellt. Moskaus Isolation habe Russland dazu veranlasst, stärkere Allianzen anzustreben, wobei die neue Doktrin engere Beziehungen zu Syrien fordert, wo sich ein russischer Marinestützpunkt in Tartus befindet.
Rakov glaubt, dass Israel in diesem Zusammenhang Saudi-Arabien »als mögliches Gegengewicht zum Iran« nutzen könnte. »Aufgrund der Relevanz der Ölpreise für Russland könnte Israel ein Druckmittel einsetzen, um Russland daran zu hindern, sich mit dem Iran zu verbünden, indem es über die sunnitischen Golfmonarchien Druck auf den Kreml ausübt«, meint Rakov.
Israel möchte die wachsenden iranisch-russischen Beziehungen möglichst auf indirektem Weg aufhalten, um nicht den Zorn Putins auf sich zu ziehen. Seine Möglichkeiten sind jedoch begrenzt und Jerusalem muss sich möglicherweise auf die US-Sanktionen verlassen, um den Handel und die Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern zu torpedieren. Dabei begünstigen Russlands reduzierte Beteiligung in Syrien und seine verstärkte Konzentration auf den Ukraine-Krieg die israelische Position.
Wie jedoch in seinem jüngsten Marinedoktrin erwähnt, sieht Moskau weiterhin eine strategische Bedeutung in Syrien, sodass Israel nicht auf dieser momentanen Entwicklung nicht ausruhen kann.
Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)