Libyen war in den vergangenen Wochen Zeuge der intensivsten US-Aktivitäten seit Jahren, was Fragen zur neuen Politik von Präsident Donald Trump in dem nordafrikanischen Land aufwirft.
Der stellvertretende Kommandeur des US-Afrika-Kommandos (AFRICOM) John Brennan traf sich in Begleitung des Geschäftsträgers der US-Botschaft in Libyen, Jeremy Brent, mit den prominentesten Anführern des westlibyschen Lagers in der Hauptstadt Tripolis. Zu den Teilnehmern gehörten der Chef der Regierung der Nationalen Einheit Abdul Hamid Dabaiba und der Stabschef des Generalstabs in Westlibyen, Mohammed Al-Haddad. Anschließend begab sich die US-Delegation in den rivalisierenden östlichen Teil des Landes, wo sie mit Khalifa Haftar, dem Befehlshaber der Nationalen Armee, und seinem Sohn Saddam, dem Stabschef der Bodentruppen, zusammentraf.
Jeremy Brent erklärte, die unternommenen Bemühungen zielten darauf ab, »die libysche Armee wieder zu vereinen«, da »eine starke und geeinte libysche Armee dem Land helfen wird, seine Souveränität angesichts böswilliger Akteure und regionaler Instabilität zu schützen«.
Nach dem Zusammenbruch des Regimes von Baschar al-Assad hat Russland einen großen Teil seiner Streitkräfte und militärischen Ausrüstung aus Syrien nach Libyen verlegt. Vor allem im Zusammenhang mit dem dadurch wachsenden militärischen Einfluss Russlands und der Ausweitung seiner Präsenz auf Militärstützpunkte im Osten und Süden Libyens wirft der aktuelle amerikanische Vorstoß eine Reihe von Fragen nach den wahren Zielen der USA auf. In der vergangenen Woche warnte etwa der republikanische Kongressabgeordnete Joe Wilson den immer schon eng mit Russland kooperierenden Khalifa Haftar davor, »den großen Fehler zu begehen, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu erlauben, sich in Libyen durch neue Marinestützpunkte auszudehnen«.
Russischer Einflussgewinn
In diesem Zusammenhang meint der libysche Politologe Musa Tihosay, dass die AFRICOM-Truppen mit diesen Schritten die russische Expansion in Libyen, insbesondere im Osten, behindern und eine gemeinsame libysche Streitmacht bilden wollen, »um die südlichen und zentralen Regionen des Landes zu sichern und die Überwachung der russischen Militärbewegungen zu gewährleisten«. Er meinte jedoch, dass die amerikanischen Schritte zu spät kommen, da Russland bereits über fortgeschrittene Militärstützpunkte in Zentral-, Süd- und Ostlibyen sowie an den Grenzen zum Tschad und Sudan verfüge.
Der libysche Sicherheitsexperte Adel Abdelkafi wiederum sieht hinter den jüngsten AFRICOM-Schritten in Libyen andere Ziele und bringt die Angelegenheit mit dem geplanten Treffen zwischen den Präsidenten Donald Trump und Wladimir Putin in Verbindung. Der saudischen Zeitung Independent Arabia gegenüber sagte er: »Wenn sich die Situation zwischen Trump und Putin in Bezug auf die Ukraine entspannt, wird sich dies in einer sanften Konfrontation der Vereinigten Staaten mit der russischen Expansion in Afrika widerspiegeln.« Im Falle einer Eskalation mit Russland würden die Vereinigten Staaten jedoch »zu Feldaktionen in Libyen greifen. In diesem Fall wird Amerika Streitkräfte in Sirte in der Nähe der Orte mit russischem Einfluss stationieren.«
Neben Sirte wären auch die im Westen Libyens gelegene Stadt Bani Walid oder die Tamanhat-Basis in Sabha im Süden Kandidaten für eine Unterbringung des US-Militärkommandos in Afrika, falls es sich dazu entschließt, eine Rolle vor Ort in Libyen spielen zu wollen.
Adel Abdelkafi erklärte, AFRICOM bereite die Ankündigung der Einrichtung einer gemeinsamen Streitmacht im Osten und Westen des Landes vor, die mit AFRICOM zusammenarbeiten und Aufklärungsbewegungen in Richtung der südlichen libyschen Grenze durchführen soll, um den Waffenfluss von Libyen nach Niger, Sudan und in die Länder der Sahelzone und der afrikanischen Sahara zu verhindern. Dies scheint ein Versuch zu sein, die Bewegungen der Russen zu überwachen. Anfang Februar enthüllte ein Bericht Satellitenbilder, die russische Söldner beim Bau und Ausbau logistischer Stützpunkte im Süden Libyens nahe der Grenzen zum Tschad und Sudan zeigten.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Vereinigten Staaten die zunehmenden Bemühungen Russlands eindämmen wollen, seinen Einfluss in Libyen zu stärken, nachdem Moskau mit dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien Gefahr lief, seinen Einfluss im Mittelmeerraum zu verlieren.