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Vereinigte Arabische Emirate helfen Russland beim Umgehen der Sanktionen

Der VAE-Außenminister Abdullah bin Zayed bin Sultan Al Nahya (mi.) und sein russischer Amtskollege Sergei Lawrow
Der VAE-Außenminister Abdullah bin Zayed bin Sultan Al Nahya (mi.) und sein russischer Amtskollege Sergei Lawrow (© Imago Images / SNA)

Die Vereinigten Arabischen Emirate nutzen die durch den russischen Überfall auf die Ukraine entstandene diplomatische Situation, um sich zu einem wichtigen strategischen Partner sowohl Russlands als auch des Westens zu machen.

Vergangene Woche berichteten indische Zeitungen, dass Russland, um westliche Sanktionen zu umgehen, die Zahlungen für seine Erdöllieferungen an indische Unternehmen in Emirati-Dirham(AED) verlangt, der offiziellen Währung der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Die Nachrichtenagentur Reuters hat diese Berichte inzwischen überprüft und bestätigt:

»Eine von Reuters eingesehene Rechnung zeigt, dass die Rechnung für die Lieferung von Öl an eine Raffinerie in Dollar berechnet, während die Zahlung in Dirham verlangt wird.«

Die Rechnung zeige, so Reuters, Zahlungen an die Gazprombank über die Mashreq Bank, deren Partnerbank in Dubai.

Die Mashreq Bank ist das drittgrößte Kreditinstitut der VAE. Sie zahlte letztes Jahr eine Geldstrafe in Höhe von 100 Mio. US-Dollar an die US-Finanzbehörden, nachdem bekannt geworden war, dass sie zwischen 2009 und 2015 Zahlungen an den Sudan in Höhe von vier Mrd. US-Dollar abgewickelt hatte, die sie nach den damals geltenden amerikanischen Sanktionen gegen das ostafrikanische Land bei der Finanzaufsicht hätte melden müssen, was aber nicht geschah.

Indien war früher kein wichtiger Abnehmer russischen Erdöls. Im Zuge der westlichen Sanktionen aber bietet Russland sein Öl mit einem großen Preisabschlag an – und Indien greift zu. Der Juni war der zweite Monat in Folge, in dem nicht mehr Saudi-Arabien, sondern Russland Indiens zweitwichtigste Bezugsquelle – nach dem Irak – für Erdöl war. Laut Informationen von Reuters haben mindestens zwei indische Unternehmen ihre Rechnungen in Dirham bezahlt, weitere solche Geschäfte stünden bevor.

Reger Dreieckshandel

Um diese Geschäfte zu ermöglichen, entwickeln Russland, Indien und die VAE die dazu nötige Finanzinfrastruktur. Im Juni teilte die Moskauer Börse mit, »in naher Zukunft« einen Handel der Devisen Armeniens, Usbekistans und der VAE aufnehmen zu wollen. Insgesamt zwanzig Währungspaare, die gegeneinander getauscht werden können, seien geplant.

Auch das ist ein Schritt zur Umgehung westlicher Sanktionen, da bei exotischen Währungen – und dazu gehören fast alle Landeswährungen der Welt – der Handel über den US-Dollar läuft. Will also etwa ein Urlauber aus Deutschland Euro gegen brasilianische Real tauschen, wird seine Bank die Euro zuerst in US-Dollar tauschen und diese dann in brasilianische Real. Das geschieht deshalb, weil ein direkter Handel nicht liquide genug wäre, es also zu wenig Angebot und Nachfrage gäbe, um in jeder Handelsminute Kurse stellen zu können. Der Dollarhandel hingegen ist immer liquide, rund um die Uhr.

Andrey Skabelin, der Devisenmarktdirektor der Moskauer Börse, sagte im Gespräch mit RIA Novosti:

»In den kommenden Monaten planen wir, den Handel mit dem armenischen Dram, dem usbekischen Sum und dem emiratischen Dirham aufzunehmen. Wir sehen Interesse an diesen Währungen und wissen, dass sie Liquidität haben werden. Sobald eine Reihe technischer Probleme gelöst sind, werden wir diese Währungspaare einführen.«

Russland, Indien und die Vereinigten Arabischen Emirate kooperieren auch dabei, russischen Schiffen den notwendigen Versicherungsschutz zu geben, den sie in der EU und den USA nicht mehr bekommen.

Die staatliche russische Reederei Sowkomflot unterhält ein Tochterunternehmen in den VAE namens SCF Management Service. Es hat seinen Sitz in Dubai – während seine Website in Russland registriert ist – und stellt die für den Öltransport nötigen Tanker zu Verfügung. Indiens Schiffsregister IRClass stellt diesen Schiffen dann ein Zertifikat aus, das ihnen bescheinigt, sicher und seetüchtig zu sein. Dieses benötigen die Schiffe, um in See stechen und Häfen anlaufen zu können und den nötigen Versicherungsschutz zu erhalten. Indien akzeptiert als Versicherer auch russische Unternehmen.

Steueroase Dubai

Dubai gilt als sicherer Hafen für russische Oligarchen, die westlichen Sanktionen ausweichen. Der dortige Immobiliensektor verzeichnete im Mai und Juni starke Zuwächse gegenüber dem Vorjahreszeitraum – insbesondere im Luxussegment –, aufgrund von Käufen russischer Anleger.

Die Vereinigten Arabischen Emirate vermarkten sich offensiv als Steueroase. 2017 setzten die EU-Finanzminister das Land auf eine »schwarze Liste« von 17 Staaten, die von Unternehmen besonders rege zur Steuervermeidung genutzt werden. In der Vergangenheit dienten die VAE auch zur Umgehung von Sanktionen gegen den Iran. So wurde iranischer Stahl nach Dubai verschifft, um dort mit der Herkunftsangabe »Vereinigte Arabische Emirate« auf dem Weltmarkt verkauft zu werden, unter anderem nach Indien.

Aber die Vereinigten Arabischen Emirate sind nicht nur ein begehrter Partner Russlands, sondern auch des Westens: Anfang der Woche war der Monarch und Präsident der VAE, Scheich Mohammed bin Zayed, zu Besuch in Paris, wo er von Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron und der First Lady Brigitte Macron zu einem Staatsbankett empfangen wurde.

Am Montag unterzeichneten die beiden Staatschefs ein Abkommen über die Zusammenarbeit in den Bereichen Wasserstoff, erneuerbare Energien und Kernenergie. Am Dienstag verkündete Frankreichs Energiekonzern Total eine »strategische Partnerschaft« mit dem staatlichen Konzern Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC), die unter anderem die Lieferung von Diesel vorsieht. Diesel-Treibstoff ist nämlich in der EU im Zuge der Russland-Sanktionen und fehlender europäischer Raffineriekapazitäten knapp geworden.

Und so liefern die VAE beiden Seiten, was sie jeweils wünschen. Der amerikanische Journalist und Buchautor Lee Smith, der lange Zeit in verschiedenen arabischen Ländern gelebt hat, vertritt in seinem 2010 erschienenen Buch The Strong Horse die These, dass es ein Kennzeichen der nahöstlichen Kultur und Politik sei, auf das »stärkste Pferd« zu setzen. Da im Konflikt zwischen dem Westen und Russland noch nicht klar ist, wer das stärkere Pferd ist, ist es schlau – und in jedem Fall geschäftstüchtig – von Scheich Mohammed bin Zayed, auf beide Pferde zu setzen.

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