Hochrangige US-Beamte warnen, dass die Türkei offenbar eine groß angelegte Militäroffensive in syrischen Gebieten, die von Kurden gehalten werden, vorbereitet.
Die amerikanischen politischen Vertreter verweisen auf eine alarmierende Truppenkonzentration entlang der Grenze, wie das Wall Street Journal am Dienstag berichtete. Türkische Kommandos, Artillerieeinheiten und verbündete Milizkämpfer haben sich in großer Zahl in der Nähe der mehrheitlich kurdischen Stadt Kobani im Norden Syriens konzentriert, was an die Invasion der Türkei im Nordosten des Landes im Jahr 2019 erinnert, teilten US-Sicherheitsquellen der Zeitung mit.
Der kurz nach dem Sturz des Assad-Regimes durch Rebellengruppen unter der Führung von Hayat Tahrir al-Sham erfolgte Truppenaufmarsch hat in Washington große Besorgnis ausgelöst. Die Regierung der Vereinigten Staaten betrachtet das Machtvakuum als potenziell destabilisierend für die gesamte Region. »Wir haben das im Blick und drängen auf Zurückhaltung«, sagte eine regierungsinterne Quelle und warnte vor einer unmittelbar bevorstehenden grenzüberschreitenden Operation.
US-Außenminister Antony Blinken reiste letzte Woche in die Türkei, um mit Präsident Recep Tayyip Erdogan über die Zukunft Syriens zu sprechen und Zusicherungen zu erhalten, dass Ankara seine Operationen gegen kurdische Kämpfer einschränken wird.
Die von den USA vermittelten Waffenstillstandsgespräche zwischen den syrischen Kurden und den von der Türkei unterstützten Rebellen in Kobani scheiterten jedoch am Montag ohne Einigung, wie ein Sprecher des kurdisch geführten Militärbündnisses Syrische Demokratische Kräfte (SDF) mitteilte, der von »erheblichen militärischen Aufrüstungen« östlich und westlich der Stadt berichtete. Diese Entwicklungen drohen gemeinsame amerikanisch-kurdische Operationen gegen Reste des Islamischen Staates im Nordosten Syriens zu untergraben. Die SDF waren ein wichtiger Verbündeter der USA im Kampf gegen die IS-Fraktion, werden aber von Ankara als verlängerter Arm der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK angesehen.
Brief an Trump
Ilham Ahmed, ein Beamter der Zivilverwaltung der syrischen Kurden, wandte sich in einem Brief direkt an den designierten US-Präsidenten Donald Trump und warnte, dass die Türkei darauf abziele, »de facto die Kontrolle über unser Land zu übernehmen, bevor Sie Ihr Amt antreten, und Sie zu zwingen, mit [den Türken] zu verhandeln, als ob sie Herrscher über unser Gebiet zu wären. Wenn Ankara seine Invasion fortsetzt, werden die Folgen katastrophal sein.«
Eine türkische Invasion würde laut Ahmed allein in Kobani mehr als 200.000 kurdische Zivilisten und viele christliche Gemeinden vertreiben. Während seiner ersten Amtszeit zog Trump die amerikanischen Truppen teilweise aus dem Nordosten Syriens ab, was zu einer großen türkischen Offensive führte, die Hunderttausende Opfer und Vertriebene forderte. Die Trump-Regierung half später bei der Aushandlung eines Waffenstillstands, der die kurdischen Streitkräfte dazu zwang, Grenzgebiete an die Türkei abzutreten.
Bei einer Rede in seinem Wohnsitz in Florida am Montag deutete Amerikas künftiger Präsident an, die Türkei habe die Übernahme Syriens durch Hayat Tahrir al-Sham inszeniert: »Die Türkei hat eine unfreundliche Übernahme durchgeführt, ohne dass viele Menschenleben verloren gegangen sind.« Obwohl Trump sein Amt erst am 20. Januar antritt, forderte Ahmed den designierten Präsidenten auf, seinen »einzigartigen diplomatischen Ansatz« zu nutzen, um Erdogan davon zu überzeugen, alle geplanten Operationen einzustellen, und verwies auf ein früheres Treffen, bei dem Trump versprochen hatte, »die Vereinigten Staaten würden die Kurden nicht im Stich lassen«.