Von Thomas von der Osten-Sacken
Nachdem der Islamische Staat in Syrien weitestgehend militärisch besiegt ist und damit das offizielle militärische Ziel der US-Administration erreicht wurde, das noch die Obama Regierung vorgeben hatte, stellt sich die große Frage, ob die USA auch weiterhin die syrisch-kurdisch geführten Einheiten der Syrian Democratic Front (SDF) unterstützen würden oder nicht. Angeführt wird die SDF von der PYD, einer Schwesterpartei der PKK, die wiederum in den USA auf der Terrorliste steht. Die enge Kooperation zwischen Amerikanern und PYD ist der türkischen Regierung, immerhin Nato-Partner, seit langem ein Dorn im Auge; Ankara droht sogar regelmäßig mit einem militärischen Einmarsch in die von Kurden kontrollierten Gebiete Nordsyriens.
Auch das Assad-Regime hat wiederholt erklärt, die kurdische Autonomie in Syrien nicht weiter dulden zu wollen und beansprucht volle Souveränität über alle Teile des Landes.
Zugleich sind, nachdem die USA de facto die Unterstützung für andere syrische Rebellen eingestellt hat, die Truppen der SDF die einzigen Verbündeten, die Washington in Syrien noch hat. Würden die USA auch diese Kooperation beenden, verlören sie jeden Einfluss im Land. Spätestens seit Präsident Donald Trump aber klar gemacht hat, dass er die Iran-Politik der Vorgängerregierung für einen großen Fehler halte und sogar überlege, das Atomabkommen von 2015 einseitig zu kündigen, stellt sich die Frage, welche Strategie Washington in Syrien eigentlich verfolgt. Schließlich ist Assad enger Verbündeter des Iran und Syrien von enormer strategischer und politischer Bedeutung für das Mullah-Regime in Teheran.
Wie nun bekannt geworden ist, scheinen die USA jedenfalls zu planen, ihre Präsenz in Syrien nicht aufzugeben und im Gegenteil auch weiter in die SDF zu investieren. Man plane, hieß es, eine 30.000 Mann starke Grenzschutztruppe zu trainieren und auszurüsten:
„Die von den USA angeführte Koalition gegen den Islamischen Staat verschiebt den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten und hat mit der Ausbildung einer Einheit begonnen, die für Sicherheit entlang der syrischen Grenze sorgen soll. Die 30.000 Mann starke Einheit soll zum Teil aus Veteranen bestehen und dem Befehl der Demokratischen Kräfte Syriens unterstellt sein, so CJTF-OIR [Combined Joint Task Force – Operation Inherent Resolve, Task-Force der internationalen Allianz gegen den Islamischen Staat; Anm. Mena Watch] der Defense Post gegenüber.
‚Die Koalition arbeitet mit den Demokratischen Kräften Syriens (SDF) zusammen, um eine neue Syrische Grenzsicherheitseinheit (BSF) zu schaffen und auszubilden. Zurzeit nehmen ungefähr 230 Personen am ersten Kurs der BSF teil. Die Einheit soll schließlich um die 30.000 Männer umfassen’, erklärte der Sprecher der CJTF-OIR Oberst Thomas F. Veale. Die BSF werde an den Grenzen zum Irak und zur Türkei sowie entlang des Euphrattals stationiert, das die westliche Grenze des von den SDF kontrollierten Teils Syriens bildet, so Veale weiter.“
Offenbar zielt dieses Engagement auch darauf, dem wachsenden iranischen Einfluss in der Region etwas entgegen zu setzen:
„Der für den Nahen Osten zuständige amtierende Staatssekretär im Außenministerium David Satterfield erklärte, die Ziele der USA bestünden darin, den Islamischen Staat endgültig zu besiegen, den Nordosten Syriens zu stabilisieren und sich dem Einfluss des Iran entgegenzustellen.“
Der ehemalige US-Botschafter in Damaskus, Robert Ford, über Jahre ein vehementer Kritiker von Obamas Syrien-Politik, bezweifelt, ob dieses Engagement strategisch sinnvoll sei:
„‚Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Truppeneinsatz zum strategischen Ziel der Begrenzung des iranischen Einflusses in Syrien ernsthaft beitragen kann’ (…) Ford meint, letztlich gehe es der Trump-Administration wahrscheinlich eher darum, dem Assad-Regime, wenn es schließlich zu einer politischen Einigung kommen sollte, Zugeständnisse abzuringen, als tatsächlich eine Konfrontation mit dem Iran einzugehen.
‚Manche inner- und außerhalb der Regierung meinen, eine US-amerikanische Militärpräsenz im Osten Syriens könne Bashar al-Assad zu Zugeständnissen bei Friedensverhandlungen zwingen’, so Ford weiter. ‚Bashar al-Assad hat in diesem Krieg gezeigt, dass er keine Kompromisse eingeht. Er wird sich solange Zeit lassen, wie er braucht, um zu gewinnen. Es handelt sich also nicht um eine Analyse, sondern um lediglich um eine Hoffnung.’“
Damit dürfte Ford einmal mehr Recht behalten, denn Assad hält unverdrossen an seinem Ziel fest, ganz Syrien wieder unter Kontrolle des Regimes zu bringen. Für die Menschen in Nordsyrien dagegen, die fürchteten, die USA könnten überhastet aus der Region abziehen, auch um türkischem Druck nachzugeben, dürften die Nachrichten äußerst erfreulich sein: Zumindest haben sie wieder etwas Zeit gewonnen. Selbst wenn, wie Ford vermutet, die Trump-Administration „sich noch nicht offiziell auf ihre militärischen Ziele in Syrien festgelegt hat”, weist diese Entscheidung immerhin in eine gewisse Richtung: Irgendwie werden die USA auch weiter in Syrien aktiv sein und das Feld nicht ganz Russland, dem Iran und Assad überlassen. Immerhin.