Das amerikanische Außenministerium protestiert gegen türkische Pläne, Truppen nach Nordsyrien zu verlegen, weil es befürchtet, dadurch den Islamischen Staat in dieser Region zu stärken.
Hochrangige US-Beamte äußern öffentlich ihre Besorgnis darüber, die Türkei könne bald neue Militäroperationen in Nordsyrien starten. Sie warnen, ein solcher Schritt gefährde die US-Streitkräfte in der Region und werde katastrophale Folgen für den Kampf gegen den Islamischen Staat haben.
Die Türkei droht seit Ende Mai mit einer Ausweitung der bestehenden, dreißig Kilometer tiefen Sicherheitszone auf der syrischen Seite zur türkischen Grenze, was bei den US-Truppen in Syrien Besorgnis auslöste und eine Reihe von Konsultationen zwischen Washington und Ankara auslöste.
Diese Gespräche konnten die Kriegsdrohungen Ankaras jedoch nicht stoppen, was unlängst mehrere US-Beamte dazu veranlasste, öffentlich zu erklären, ein weiterer türkischer Einmarsch würde nichts Gutes bewirken. So sagte die stellvertretende Vize-Verteidigungsministerin Dana Stroul laut Voice of America am Mittwoch auf einem Forum in Washington:
»Wir sind entschieden gegen jede türkische Operation in Nordsyrien und haben der Türkei unsere Einwände deutlich gemacht. Der Islamische Staat würde jede solche Kampagne ausnutzen.«
Stroul und andere US-Beamte erklärten, ihre Bedenken würden durch eine wachsende Zahl von Geheimdienstinformationen bestätigt, die darauf hindeuten, der IS beabsichtige, Operationen zur Befreiung von 10.000 Kämpfern zu starten, die in behelfsmäßigen Gefängnissen im Nordosten Syriens festgehalten und von den mit den USA verbündeten Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) bewacht werden.
»Der IS betrachtet die Gefangenenlager, in denen seine Kämpfer untergebracht sind, als Reservoir, um seine Armee neu zu formieren. Wenn es Militäroperationen gibt, die die SDF dazu zwingen, sich auf den Norden zu konzentrieren, um ihre Gemeinden vor einer Luft- oder Bodenkampagne [der Türkei] zu schützen, gibt es nur eine begrenzte Anzahl von SDF[-Kräften], die zur [Verteidigung der Gefängnisse] Verfügung stehen.«
Ein Versuch des IS im Januar, 4.000 Kämpfer aus dem al-Sinaa-Gefängnis in Hasaka zu befreien, scheiterte zwar, aber erst nachdem die SDF mit 10.000 Soldaten anrückten, um den Aufstand mit Hilfe von US-Jets, Kampfhubschraubern und Bodentruppen niederzuschlagen. Die Flucht von etwa einem Dutzend erfahrener Kämpfer erweckte in der Terrorgruppe jedoch die Hoffnung, ihre Taktik könnte sich auszahlen, insbesondere, wenn die SDF ihre Kräfte verlagern müssen, um eine türkische Operation abzuwehren.
Im Gegensatz zu den USA, welche die SDF als effektiven Partner im Kampf gegen den IS betrachten, sieht die Türkei die SDF als einen syrischen Ableger der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) an, die sowohl Ankara als auch Washington als Terrororganisation betrachten.
Laut Stroul erkennen die USA zwar an, dass die Türkei berechtigte Sorgen über die PKK-Aktivitäten in Syrien und im Irak hat. So erklärte sie, das Pentagon werde »weiterhin mit der Türkei zusammenarbeiten, um diese Aktivitäten zu bekämpfen«, warnte jedoch zugleich, dass ein türkischer Einmarsch einen Schritt zu weit gehen würde.
»Eine solche Operation gefährdet die US-Streitkräfte und die Kampagne der [globalen] Koalition gegen den IS und wird zu mehr Gewalt in Syrien führen.«
So könnten die unter so einem Druck stehenden SDF zu unseren Feinden überlaufen, sagte sie unter Verweis auf eine mögliche Zusammenarbeit der SDF mit dem syrischen Diktator Assad, Russland oder sogar dem Iran.
Die USA haben etwa 900 Soldaten in Syrien stationiert, wovon sich die meisten von ihnen im Nordosten des Landes aufhalten, wo sie die SDF bei der Bekämpfung von IS-Zellen in der Region unterstützen. Geheimdienstliche Schätzungen der USA und anderer Staaten gehen davon aus, dass die IS-Kräfte in Syrien und im Irak noch zwischen 6.000 und 16.000 Kämpfer umfassen, von denen die meisten als kleine Zellen in abgelegenen Gebieten eigenständig operieren.
Der IS hat sich in diesem Jahr bereits zu mindestens 350 Anschlägen in Syrien und im Irak bekannt. Es gibt Anzeichen dafür, dass seine Führung in Syrien und im Irak immer noch in der Lage ist, Einfluss auf die ihr angeschlossenen Organisationen in der ganzen Welt auszuüben und finanzielle Ressourcen zu mobilisieren.