Vordergründig ging es darum Einigkeit zu zeigen und das Vorgehen gegen Irans Atomprogram zu besprechen, doch hinter den Kulissen schlugen sich auch die Probleme der US-Administration mit Teilen der israelischen Regierung nieder.
Yaakov Lappin
Der Mitte März erfolgte Besuch von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin in Israel war – nach US-Sicherheitsberater Jake Sullivan, CIA-Direktor William Burns und Außenminister Antony Blinken bloß der jüngste in einer Reihe hochrangiger amerikanischer Besuche im jüdischen Staat. Die Tatsache, dass diese Besuche genau zu dem Zeitpunkt stattfanden, an dem Teheran seine Urananreicherung auf einen fast waffentauglichen Grad in Angriff nahm, stellte dabei keinen Zufall dar.
Was Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant betrifft, so standen bei seinem Treffen mit seinem US-Amtskollegen Austin die Islamische Republik Iran und die von ihr ausgehende Bedrohung im Mittelpunkt.
Neben Gallant traf auch Premierminister Benjamin Netanjahu mit Austin zusammen. »Ich habe gerade ein wichtiges und umfassendes Treffen mit US-Verteidigungsminister Lloyd Austin beendet«, sagte Netanjahu nach der Unterredung. »Ich habe meine Wertschätzung für seine im Namen von Präsident Biden getätigten Ausführungen deutlich gemacht, ebenso wie für das US-Engagement für Israels Sicherheit, auch im Namen von Präsidenten Herzog. Unser Gespräch konzentrierte sich in erster Linie auf unsere gemeinsamen Bemühungen, den Iran am Erwerb von Atomwaffen zu hindern.«
»Wenn jemand in Teheran glaubt, der Iran könnte ungehindert Fortschritte auf dem Weg zu Atomwaffen machen kann, dann irrt er sich«, fügte Israels Premier hinzu. »Ich stelle in den letzten Monaten einen Wandel in der Haltung gegenüber dem Iran fest, sowohl in den USA als auch in den westeuropäischen Ländern und im Westen im Allgemeinen.«
Geteilte Werte
Gallant sagte während seines Treffens, Israel und die USA befänden sich in einer kritischen Phase, sodass bald wichtige Entscheidungen getroffen werden müssten. Israels Verteidigungsminister erläuterte gegenüber Austin die iranischen Offensivaktivitäten und die Versuche der Islamischen Revolutionsgarde, sich in Syrien und im Libanon zu verschanzen.
Die beiden Politiker erörterten auch die Möglichkeiten zur Stabilisierung des Westjordanlandes, wobei Gallant erklärte, Israel habe Interesse an Ruhe, Ordnung und der Verbesserung des Wohlergehens der Palästinenser in der Westbank und im Gazastreifen, betonte aber, dies werde nicht auf Kosten der Sicherheit der Israelis gehen.
Während des Treffens betonte Austin, die Beziehungen zwischen Israel und den USA gingen über gemeinsame Interessen hinaus und erstreckten sich auf geteilte Werte wie Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. Der US-Minister lobte die Größe der israelischen Demokratie, die sich auf ein starkes Fundament, auf gegenseitige Kontrolle und ein unabhängiges Justizsystem stütze – und bekräftigte die Forderung des amerikanischen Präsidenten Joe Biden nach einem Konsens in Bezug auf jegliche Änderungen an dieser Demokratie.
Anfang März hielt sich der Vorsitzende der US-Generalstabschefs, Mark Milley, zu einem wichtigen Treffen mit dem Generalstabschef der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF), Herzi Halevi, Verteidigungsminister Gallant und dem Militärattaché der IDF in Washington, Hidai Zilberman, in Israel auf.
Während des Besuchs von Milley betonte Gallant die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit, um den Iran am Erwerb von Atomwaffen zu hindern, und brachte seine Wertschätzung für die amerikanische Partnerschaft und das Engagement für die Sicherheit des Staates Israel zum Ausdruck. Doch abgesehen von diesen öffentlichen Erklärungen geschieht derzeit wahrscheinlich deutlich mehr hinter den Kulissen.
Hinter den Kulissen
Der Experte für die Beziehungen zwischen den USA und Israel an der Bar-Ilan-Universität in Ramat Gan und leitender Mitarbeiter am Jerusalem Institute for Strategy and Security, Eytan Gilboa, erklärte, eines der Ziele der aktuellen Besuche sei sicherzustellen, dass Israel die USA nicht mit einem unkoordinierten Schlag gegen den Iran überrascht. »Die Amerikaner haben ein Problem damit, Netanjahu zu glauben. Einer der Gründe, warum sie hierherkommen, ist, um zu sehen, was Israel tut.«
Gilboa wies darauf hin, dass Austin erst der dritte Pentagon-Chef ist, der ein ehemaliger General und kein ziviler Berufspolitiker ist. Austins militärischer Hintergrund sei insofern positiv, als er und Generalstabschef Milley »dieselbe Sprache sprechen wie das israelische Verteidigungsestablishment«. Deswegen seien sie nach Israel gekommen, um zu sehen, »was Israel benötigt, und um Zeitpläne zu besprechen«.
Austins Besuch war ursprünglich für zwei Tage geplant, wurde dann aber auf wenige Stunden verkürzt und fand – aufgrund der Flughafenblockade durch die israelische Protestbewegung – zum Teil in einem Hangar der Israel Aerospace Industries in der Nähe des Ben-Gurion-Flughafens statt.
Angesichts dessen wies Gilboa darauf hin, dass der Besuch auch die Bedeutung der aktuellen Krise in den amerikanisch-israelischen Beziehungen widerspiegele. »Trotz der Krise nehmen die Amerikaner Verteidigungsfragen von allen anderen Themen aus, und dieser Besuch spiegelt dies wider.«
Bei seinem Besuch in den USA vergangenen Woche wollte sich niemand mit Israels Finanzminister Bezalel Smotrich treffen und jüdische Organisationen boykottierten ihn. »Das ist ein schlechtes Zeichen für die amerikanisch-israelischen Beziehungen«, meint Gilboa weiter. Da Smotrich von der US-Regierung abgelehnt wird und Netanjahu eine Warnung in Form einer fehlenden Einladung ins Weiße Haus erhalten hat, bleibe der militärische Kanal die einzige stabile bilaterale Verbindung, die derzeit zur Verfügung steht.
Beziehungskrise
Netanjahu sollte »schon längst im Weißen Haus sein, um künftige Schritte gegen den Iran zu koordinieren. Aber die USA werden ihn nicht einladen, solange die Krise rund um die Justizreform anhält. Der Besuch von Austin könnte als Ersatz dafür gedient haben«, schätzt Gilboa die Lage ein. Austins Treffen mit Gallant sei auch ein Zeichen dafür gewesen, dass der israelische Verteidigungsminister in Washington positiv gesehen wird, Smotrich jedoch nicht.
Der Kommunikationskanal zwischen den beiden Ländern im Verteidigungsbereich blieb auch in den Jahren der Obama-Regierung stabil, in denen die Beziehungen zwischen Washington und Jerusalem ebenfalls stürmisch waren. »Die Armee und der Geheimdienst werden von den Amerikanern als andere Bereiche als alle anderen angesehen. Natürlich ist die iranische Frage die entscheidende, die es zu diskutieren gilt.«
Er glaube, fügte Gilboa hinzu, »dass Israel sich mit den USA abstimmen und deren Unterstützung erhalten muss, wenn es eine militärische Option gegen den Iran einleitet. Positiv ist, dass Israel und die USA die Schwere der jüngsten Schritte des Irans aus einer ähnlichen Perspektive betrachten.«
Austin wollte aber auch die israelischen Einschätzungen zur Lage in den Palästinensergebieten hören, da Washington über den möglichen Ausbruch einer dritten Intifada sehr besorgt ist. Der US-Verteidigungsminister »wollte wissen, was Gallant und Netanjahu über die palästinensische Situation denken«, meinte Gilboa abschließend, der befürchtet, dass angesichts der Dringlichkeit dieser Fragen Gespräche über eine Erweiterung des Abraham-Abkommens in den Hintergrund treten werden.
(Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)