Die wachsende Macht Russlands in der Region ist die Kehrseite des Niedergangs des amerikanischen Einflusses im Nahen Osten und in Afrika.
Die Vereinigten Staaten haben Ägypten mit Sanktionen gedroht, sollte das Land russische Kampfflugzeuge kaufen. Wie das Wall Street Journal berichtet, haben US-Außenminister Mike Pompeo und Verteidigungsminister Mark Esper den ägyptischen Verteidigungsminister Mohamed Zaki in einem Brief dazu aufgefordert, eine Vereinbarung über den Kauf von mehr als 20 russischen Su-35-Düsenjägern im Wert von zwei Milliarden US-Dollar aufzukündigen.
„Große neue Waffengeschäfte mit Russland würden zukünftige US-Militärtransaktionen mit und Sicherheitsunterstützung für Ägypten – mindestens – erschweren“, heißt es in dem Brief. Mögliche Sanktionen gegen Ägypten stünden in Einklang mit dem Countering America’s Adversaries Through Sanctions Act (CAATSA), das sich gegen den russischen Militärkomplex richtet.
Die Trump-Regierung hatte auch gegen die Türkei CAATSA-Sanktionen angekündigt wegen des Kaufs des russischen S-400-Luftabwehrsystems angekündigt, diese sind aber bislang nicht in Kraft getreten.
Enge Zusammenarbeit mit den USA
Anders als die Türkei ist Ägypten kein Nato-Mitglied, gilt aber als nach Israel wichtigster Verbündeter der USA im Nahen Osten. In den letzten vier Jahrzehnten stellte Washington Kairo über 50 Milliarden US-Dollar an wirtschaftlicher und militärischer Hilfe zur Verfügung. Von 1982 bis 2015 bestellte Ägypten 240 F-16-Kampfflugzeuge mit immer moderner Ausstattung, die letzten zwanzig zu einem Preis von rund 1,7 Milliarden US-Dollar.
Die USA vertrauten Ägypten sogar Militärgeheimnisse an: In Koproduktion mit dem amerikanischen Rüstungskonzern General Dynamics werden in einer ägyptischen Fabrik große Teile des Kampfpanzers vom Typ M1A1 Abrams für die ägyptischen Streitkräfte produziert werden, seit 1991 über 1.200 Stück. Zusammen mit den 1.700 älteren US-amerikanischen M60-Panzern und verschiedenen anderen sowjetischen Modellen verfügt Ägypten über mindestens 4.000 Kampfpanzer, mit Abstand die größte Flotte dieser Art in der Region.
Laut der US-Rechnungsbehörde gab Ägypten zwischen 1999 und 2005 „von etwa 7,8 Milliarden US-Dollar an FMF-Mitteln (Foreign Military Financing) fast die Hälfte (etwa 3,8 Milliarden US-Dollar) für große Militärgüter wie Flugzeuge, Raketen, Schiffe und Fahrzeuge aus“. Zudem reisten ägyptische Offiziere früher regelmäßig zu Fortbildungen in die USA.
Blick Richtung Moskau
Dass sich Kairo nun ähnlich wie die Türkei Richtung Moskau orientiert und russisches Kriegsgerät anschafft, erscheint da als Zäsur – doch es hatte sich seit einiger Zeit angebahnt. „Dass Ägypten die Beziehungen zu Russland verstärkt, ist leider kaum neu“, sagte Anna Borshchevskaya vom Washington Institute for Near East Policy gegenüber der Nachrichtenagentur JNS. „Es ist die Fortsetzung einer jahrelangen Entwicklung, die unter der Obama-Regierung begonnen hat.“
Nach dem Sturz des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi und der Machtübernahme von Abd al-Fattah Al-Sisi waren die USA unter Präsident Obama auf Distanz zu Ägypten gegangen. Vor diesem Hintergrund verstärkte Ägypten seine Kooperation mit Moskau. 2014 unterzeichneten al-Sisi und Russlands Präsident Wladimir Putin ein Rüstungsgeschäft im Volumen von 3,5 Milliarden US-Dollar. Besonders wichtig aus Sicht Kairos: Es war an keine Bedingungen geknüpft; anders als die USA verlangte Moskau keine Demokratisierung oder irgendwelche Rücksichtnahmen. „Unsere Unterstützung kommt zusammen mit Vorträgen über Menschenrechte und das zivil-militärische Verhältnis“, sagte Jeffrey White vom Washington Institute for Near East Policy der USA Today. „Bei der russischen Unterstützung gibt es diese Vorträge nicht.“
2015 hielten Russland und Ägypten ein gemeinsames Marinemanöver ab. Im August 2017 strich US-Präsident Donald Trump Militärhilfen im Wert von 300 Millionen US-Dollar, nachdem die fortdauernde Militärbeziehung zwischen Ägypten und Nordkorea ans Licht gekommen war – Nordkoreas Botschaft in Kairo diente dabei als Stützpunkt für Waffenschmuggel.
Nur einen Monat später, im September 2017, hielten Ägypten und Russland eine gemeinsame Militärübung mit dem Namen „Beschützer der Freundschaft“ ab. Im selben Jahr wurden Berichten zufolge – die Moskau dementierte – russische Spezialkräfte an Ägyptens Grenze zu Libyen stationiert, um von dort den Milizen von Khalifa Haftar zu helfen; Haftar wird sowohl von Russland als auch von Ägypten, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt. Von Oktober bis Anfang November 2019 hielten Russland und Ägypten ein großes Luftabwehrmanöver („Pfeil der Freundschaft“) ab, bei dem es auch um die Kompatibilität der russischen und ägyptischen Luftabwehrsysteme gegangen sein dürfte.
Kehrseite des Niedergangs des US-Einflusses
Wie im Falle des geplanten Kaufs des Flugabwehrraketensystems S-400 durch die Türkei geht es für die USA und die Nato um weit mehr als um Geld (da Ägypten seine Waffenkäufe in den USA sowieso nie mit eigenem Geld bezahlt hat, spielen die geschäftlichen Aspekte keine Rolle).
Was in Washington und sicherlich auch in Israel für Unbehagen sorgt, ist, dass ein ehemaliger US-Verbündeter unter die Kontrolle des Kremls gerät. Wie die Manöver zeigen, kommen die russischen Waffen nicht allein, sondern mit einem Tross von Technikern und Soldaten – und sicherlich auch zahlreichen Geheimdienstmitarbeitern. Die Kooperation erinnert an die engen Beziehungen, die Ägyptens Machthaber Gamal Abdel Nasser in den 1960er Jahren zur Sowjetunion unterhielt.
Im August 1972 warf sein Nachfolger Anwar al-Sadat alle russischen Militärberater aus dem Land – vielleicht auch deshalb, weil ihm klar war, dass er nicht nur Waffen brauchte, sondern auch Geld. Während der Kreml gerne Waffen in alle Welt verkauft, hat er noch nie große Neigung – oder die Fähigkeit dazu – gezeigt, Verbündete mit Geld zu alimentieren. Das wird auch al-Sisi klar sein. Aber es gibt aus seiner Sicht auch Vorteile, dieselben, die auch andere afrikanische Länder ins russische Lager locken.
Russland ist der größte Waffenlieferant Afrikas und gewinnt damit auch politisch an Einfluss. „Das ist einfach die Kehrseite des Niedergangs des amerikanischen Einflusses auf dem Kontinent“, sagt der ehemalige liberianische Minister für öffentliche Arbeiten, W. Gyude Moore, der jetzt für den Think Tank Center for Global Development arbeitet. Auch China sei für eine Reihe afrikanischer Länder schon wichtiger als die USA. Was Russland betrifft, sagt Moore, so verfüge es zwar nicht über „ein Scheckbuch wie China oder die USA“, habe dafür aber vieles andere zu bieten:
„Bist du ein Land wie Nigeria, Burkina Faso, Mosambik oder Mali, das mit Aufständen zu tun hat, und du siehst, was Russland in Syrien bewirkt hat, dann ergibt es vielleicht Sinn, an dieser Front eine Beziehung mit Russland zu haben. Bist du Ruanda oder Südafrika – Länder, die große Probleme mit der Elektrizität haben: Russland verkauft Kernenergie. Bist du Ägypten, dann sind die Preise von Brot und Getreide eine Frage der nationalen Sicherheit. Nun, 27 Prozent von Russlands Exporten an Ägypten sind Getreide.“
Zudem biete Russland Ländern, die von anderen Mächten als Parias behandelt würden, diplomatische Unterstützung und sogar Söldner. „Sie sind wirklich, wirklich schlau dabei, sich als jemand zu präsentieren, der nicht die USA und nicht die EU ist, Dich als Gleichen behandelt, auf deine Bedürfnisse reagiert und Dir nicht seine eigenen Ideen darüber aufdrängt, was Dein Land tun sollte.“