Mit dem Ende der US-Präsenz in Niger wird der Kampf gegen den islamistischen Terror in der Sahelzone weiter geschwächt.
Der Abzug des US-Militärs aus Niger markiert das Ende einer über zwei Jahrzehnte währenden Sicherheitskooperation mit dem westafrikanischen Land. Dieser Schritt folgt auf monatelange, vergebliche Verhandlungen mit der Militärregierung, die nach einem Staatsstreich vor einem Jahr an die Macht kam.
Bis Anfang August waren die US-Truppen auf einem Luftwaffenstützpunkt bei Agadez stationiert, von wo aus sie mittels Drohnenaufklärung entscheidende Informationen über militante islamistische Gruppen in der Region sammelten. Der Abzug mache die Wahrung der US-Sicherheitsinteressen in der Sahelzone sehr viel schwieriger, zitiert die New York Times Generalmajor Kenneth Ekman von der US-Luftwaffe: »Die Bedrohung durch den IS und Al-Qaida in der Region wird jeden Tag schlimmer.« Dazu passt auch ein UN-Bericht vom Juli, der vor einer vollständigen Destabilisierung der Staaten in der Region durch genannte Terrorgruppen warnt.
Dschihadisten in der Sahelzone
Sowohl Al-Qaida als auch der Islamische Staat sind in der Sahelzone stark vertreten. Da ist einerseits The Group for the Support of Islam and Muslims (JNIM), ein Zusammenschluss von im Maghreb aktiven Ablegern von Al-Qaida. Andererseits Islamic State in the Greater Sahara (ISGS), der die Ausbreitung des IS fortsetzt.
JNIM operiert vorwiegend in Burkina Faso, Mali und Niger, aber auch in Togo und im nördlichen Benin nehmen die Aktivitäten dieser Gruppe zu. Gegenüber der Bevölkerung geben sich die Dschihadisten als Verteidiger gegen die Übergriffe des ISGS und der lokalen Sicherheitskräfte. Sie sammeln den Zakat ein – die für Muslime verpflichtende Abgabe eines bestimmten Anteils ihres Besitzes an Bedürftige – und sichern sich erhebliche Einnahmen durch Entführungen und Viehdiebstähle. Ausrüstung und Waffen erbeuten sie durch großangelegte Angriffe auf Garnisonen oder Hilfslager.
Der ISGS hingegen hat sich in Mali und im Grenzgebiet zu Burkina Faso und Niger verschanzt. Die Terrorgruppe versucht derzeit, ihr Gebiet im Niger nach Süden auszuweiten, wo sie seit Anfang 2024 vermehrt Anschläge verübt. Weiters versucht ISGS, in Nigeria Fuß zu fassen, indem die Dschihadisten dort herrschende ethnische Spannungen ausnutzen.
Analysten warnten bereits im Februar, dass die wachsende Stärke gewalttätiger extremistischer Organisationen in der Sahelzone drohe, Instabilität in ganz Afrika zu verbreiten, was letztendlich auch erhebliche Sicherheits- und Finanzrisiken für die Vereinigten Staaten und Europa mit sich bringen würde. Mit dem Ende der US-Präsenz in Niger wurde der Kampf gegen den Terrorismus weiter geschwächt.
Frankreich verliert Einfluss in Westafrika
Auch Frankreich verlor in West- und Zentralafrika an Boden, als in Burkina Faso, Mali und schließlich Niger geputscht und die Regierungen von Militär-Juntas übernommen wurden. Die neuen Machthaber schürten die Wut der Bevölkerung gegen die ehemalige Kolonialmacht Frankreich.
Ob die Vorwürfe gegen Frankreich gerechtfertigt sind – vieles davon wird von russischer Propaganda aufgeblasen – sei dahingestellt. Tatsache ist, dass fast die Hälfte der Länder Afrikas einst französische Kolonien oder Protektorate waren. Seit Jahrzehnten unterhält Frankreich enge, wenn auch komplizierte Beziehungen zu vielen dieser ehemaligen Kolonien, einschließlich militärischer Präsenz, direktem Zugang zu den Staatsoberhäuptern und wirtschaftlichem Einfluss: etwa zehn Prozent der französischen Uranversorgung für seine Kernreaktoren stammen zum Beispiel aus Niger.
Dieses Geflecht wird als »Françafrique« bezeichnet und bringt Frankreichs (bis vor kurzem noch) hohen Einfluss in der Region zum Ausdruck.
Russische Niederlage in Mali
So wie die afrikanischen Putschisten ihre Verbindungen zu Frankreich und den USA abbrachen, haben sie neue mit Russland geknüpft. Im April vergangenen Jahres – einen Monat nachdem die Junta den USA eine Frist setzte, um ihre Truppen aus dem Land abzuziehen – trafen etwa hundert russische Ausbilder und ein Luftabwehrsystem in Niger ein. Das russische Personal gehört zum Afrika-Korps, einer neuen paramilitärischen Struktur, die an die Stelle der Wagner-Gruppe trat.
»Dies ist wie ein Scharmützel in einem viel längeren Krieg«, wird Christopher Maier, oberster Beamter des Pentagons für Spezialoperationen, von der New York Times zitiert: »Im Grunde genommen müssen die Russen jetzt beweisen, dass sie dort etwas zustande bringen, jetzt, wo sie vielleicht drinnen sind und wir draußen.«
Dass ein Einsatz in Afrika auch für Russland mit hohen Kosten verbunden sein kann, zeigt ein Vorfall Ende Juli in Mali. Am 25. Juli geriet ein Konvoi der malischen Armee und des russischen Afrika-Korps nahe der algerischen Grenze in einen Hinterhalt. Bei den darauf folgenden Kämpfen töteten separatistische Rebellen der Tuareg-Ethnie und Kämpfer der JNIM nach eigenen Angaben 47 malische Soldaten sowie 84 Söldner des russischen Afrika-Korps.
Die Zahlen wurden weder von Russland noch von Mali bestätigt. Allerdings zeigen Videos, die in den sozialen Medien kursieren, dass Dutzende Soldaten und Söldner getötet wurden. Die Verluste der russischen Söldnertruppe gelten als die schwersten, die sie bisher in Mali erlitten hat, seit Moskau vor zwei Jahren begann, die Militärregierung im Kampf gegen die Aufständischen zu unterstützen.
Die überraschende Wende war, dass offenbar die Ukraine im Hintergrund die Fäden für den Überfall auf die russischen Söldner zog: Wie Andriy Yusov, ein Sprecher des ukrainischen Militärgeheimdienstes, angab, hätten die Rebellen die »notwendigen Informationen« erhalten, um den Angriff durchzuführen. Die Regierung von Mali brach daraufhin die diplomatischen Beziehungen mit der Ukraine ab.
Der Sahel-Spezialist Wassim Nasr sagte gegenüber der Washington Post, er glaube nicht, dass ukrainische Spezialkräfte direkt in den Angriff Ende Juli verwickelt gewesen seien, aber sie hätten die Rebellen unterstützt, einschließlich finanzieller Hilfe. Wie Nasr sagt, baten die Tuareg-Rebellen die Ukraine bereits Ende 2023 und Anfang 2024 um Hilfe. Daraufhin erhielt eine kleine Anzahl von Rebellen in der Ukraine eine Ausbildung im Umgang mit Miniaturdrohnen, die auf beiden Seiten der Frontlinie in der Ukraine in großem Umfang eingesetzt werden.
Neue Realitäten in der Sahelzone
Mit Blick auf die Militärregierungen in der Sahelzone sagte der Afrika-Experte Ulf Laessing unlängst: »Niemand wartet hier mehr auf Europa«. Es gebe viele Alternativen für die in den Ländern herrschenden Militärregierungen, etwa Kooperationen mit der Türkei, dem Iran, China und vor allem Russland.
Insgesamt habe sich die Lage für Europa deutlich verschlechtert, so der Leiter des Sahel-Programms der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS). Als eine der ersten Amtshandlungen habe etwa die Junta in Niger die Hauptmigrationsroute aus Subsahara-Afrika über die nordnigrische Stadt Agadez nach Libyen wieder geöffnet. Ein auch auf Drängen der EU erlassenes Gesetz hatte zuvor jeglichen Transport von Migranten nach Norden untersagt. Fast zeitgleich mit der Abschaffung des Regelwerks hätten die Putschisten ein Militärabkommen mit Russland geschlossen.
Angesichts dieser neuen geopolitischen Realitäten bleibt Europa wenig Spielraum. Es muss sich auf eine Zusammenarbeit mit den Militärregierungen einlassen oder riskieren, in der Sahelzone weiter an Einfluss zu verlieren, so Laessing.