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Scheidender US-Außenminister wundert sich über mangelnde Front gegen Hamas

US-Außenminister Antony Blinken wundert sich über mangelnde Front gegen die Hamas nach dem 7. Oktober 2023
US-Außenminister Antony Blinken wundert sich über mangelnde Front gegen die Hamas nach dem 7. Oktober 2023 (Imago Images / Bestimage)

Dass es auch ein Versagen der USA sein könnte, dass nach dem 7. Oktober Israel weltweit stärker am Pranger stand als die Hamas, scheint Antony Blinken aber nicht in den Sinn zu kommen.

Am Montag wurde Donald Trump im US-Kongress durch die Stimmen der Wahlmänner als 45. Präsident der Vereinigen Staaten von Amerika bestätigt. Genau an jenem Ort, an dem er und randalierende Anhänger vor vier Jahren die verfassungskonforme Übergabe der Präsidentschaft an Joe Biden zu verhindern versucht haben. Am 20. Januar wird Trump somit zum zweiten Mal als US-Präsident angelobt.

Schon in der Zeit davor bietet er einen Vorgeschmack dessen, was nach den Erfahrungen während seiner ersten Amtsperiode in den kommenden vier Jahren von ihm zu erwarten sein wird: Vollmundige Ankündigungen, absurde Drohungen und Huldigungen vermeintlich »starker Männer«, dazwischen jedoch immer wieder auch Aussagen und Handlungen, denen man durchaus etwas abgewinnen kann; in erster Linie aber, von einigen offenbar tiefsitzenden Impulsen abgesehen, weitgehende Unberechenbarkeit.

Hindernis Hamas

Was das für die Welt im Allgemeinen und den Nahen Osten im Besonderen bedeuten wird, kann heute wohl niemand vorhersagen. Ob Trump selbst genaue Vorstellungen davon hat, was er gegenüber dem iranischen Regime, in Syrien oder im Jemen tun oder lassen will, weiß man nicht. Nur auf eines kann man sich verlassen: Langweilig werden die kommenden vier Jahre sicherlich nicht.

Zu hoffen wäre, dass Trump an einen der unzweifelhaften Erfolge seiner ersten Amtszeit anschließen kann: die Abraham-Abkommen, die eine Normalisierung der Beziehungen zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain auf der einen und Israel auf der anderen Seite mit sich brachten. (Marokko und der Sudan haben sich später den Abkommen angeschlossen.)

Wie der scheidende US-Außenminister Antony Blinken in einem ausführlichen Interview in der New York Times schilderte, hat die Biden-Regierung sich sehr um ein entsprechendes Abkommen zwischen Israel und Saudi-Arabien bemüht. Nach dem Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober 2023 war dieser Prozess offiziell zwar auf Eis gelegt, inoffiziell wurde jedoch weitergearbeitet, sodass Blinken meint: »Wir haben alles getan, um diese Pläne auf den Weg zu bringen. Die Normalisierung mit Saudi-Arabien kann auf der Grundlage der von uns geleisteten Arbeit schon morgen erfolgen.«

In dem Interview erläuterte Blinken auch die zwei wesentlichen Gründe dafür, weshalb es bis zum heutigen Tag zu keinem Abkommen zwischen Israel und der Hamas gekommen ist, das eine Heimkehr der 101 noch im Gazastreifen festgehaltenen israelischen Geiseln ermöglichen würde. Einerseits habe die Hamas stets auf viel mehr militärische Unterstützung durch die anderen Mitglieder der vom iranischen Regime angeführten Achse in der Region gehofft, am besten in Form eines Mehrfrontenkriegs gegen Israel.

Andererseits habe sich die Hamas einem Geiselabkommen immer dann verweigert, wenn sie den Eindruck hatte, Israel gerate international unter Druck. Blinken bezog sich damit vor allem, aber nicht nur, auf das amerikanisch-israelische Verhältnis: »Wann immer es in der Öffentlichkeit Distanz zwischen den Vereinigten Staaten und Israel gab und der Eindruck entstand, dass der Druck auf Israel zunahm, haben wir das gesehen.«

Blinkens Versagen

Blinken bestätigte damit, was man vor allem in Europa nach wie vor nicht verstanden hat, nämlich dass Druck auf Israel kontraproduktiv ist, weil er zu keinem Waffenstillstand und keinem Freikommen der Geiseln beiträgt, sondern vielmehr die Position der Hamas verhärtet, die angesichts internationalen Drucks auf Israel glaubt, die Zeit sei auf ihrer Seite. Auf diese Weise wurden und werden der Krieg und das Leid der Zivilbevölkerung im Gazastreifen nicht beendet, sondern verlängert.

Die oft zu vernehmende Behauptung, ein Geiselabkommen sei vor allem am israelischen Premier Benjamin Netanjahu gescheitert, weist Blinken übrigens als »nicht korrekt« zurück. Vielmehr habe er »immer wieder erlebt, dass die Hamas ein Abkommen nicht abschließt, das sie hätte abschließen sollen«.

Als »erstaunlich« bezeichnete der US-Außenminister, dass es nach dem Massaker am 7. Oktober 2023 »weltweit keinen einstimmigen Chor gegeben [hat], der die Hamas dazu aufruft, ihre Waffen niederzulegen, die Geiseln freizulassen und sich zu ergeben«. Er müsse sich fragen, »warum wir nicht eine stärkere und anhaltende Verurteilung und mehr Druck auf die Hamas gesehen haben, damit sie das, was sie begonnen hat, und das Leid der Menschen, das sie verursacht hat, beendet.«

Könnte es einen solch einstimmigen Chor vielleicht nicht gegeben haben, weil die amerikanische Außenpolitik es verabsäumt hat, ihn als nach wie vor führende Weltmacht zu orchestrieren? Weil Blinken in seiner Rolle als Außenminister versagt hat, Verbündete und Freunde zu einer solch klaren Haltung zusammen- und die Partner dazu zu bringen, mehr zu tun, als in leeren Worten kurz die Untaten der Hamas zu verurteilen, um dann umso ausführlicher Israel an den Pranger zu stellen? Haben die USA irgendetwas unternommen, um der zunehmend israelfeindlichen Politik von NATO-Partnerstaaten wie Spanien oder erst recht der Türkei eindeutig entgegenzutreten?

An einer klaren Haltung zur Hamas hat es, so viel muss man ihm lassen, Donald Trump nie gefehlt. Erst am Dienstag wiederholte er während einer Pressekonferenz in seinem Anwesen in Florida die Drohung, im Nahen Osten werde »die Hölle ausbrechen«, würden die Hamas-Geiseln bis zu seinem Amtsantritt nicht freigelassen. Was das genau bedeutet, weiß natürlich niemand, es ist eben typisch Trump. Für die Geiseln, oder richtiger: für die Geiseln, die noch am Leben sind, ist dieses Leben jedenfalls schon seit 460 Tagen eine Hölle, die endlich zu Ende gehen muss.

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