Von Khaled Abu Toameh
Letzte Woche begann für palästinensische Schulkinder wieder der Unterricht. Dort lernen sie, dass Frauen Hexen sind und Tel Aviv eine arabische Stadt ist. Außerdem verwenden sie Landkarten, auf denen Israel nicht eingezeichnet ist.
Der kontroverse Lehrplan für die 1. bis 4. Klasse wurde von PA-Premierminister Rami Hamdallah während einer Zeremonie in Ramallah zu Beginn des neuen Schuljahres bekannt gegeben. Innerhalb von Stunden äußerten Palästinenser, vor allen Dingen weibliche Aktivistinnen, ihren Unmut über den neuen Plan und riefen die PA-Führung dazu auf, ihn sofort aufzuheben. Einige Palästinenser bezeichneten den Lehrplan, der von palästinensischen Bildungsexperten entworfen wurde, als „Skandal“ und eine „Verzerrung von Tatsachen“. Sie hielten fest, dass solch fehlerhafte Inhalte und „Tatsachenverzerrungen“ eine Garantie für eine neue Generation ungebildeter und fehlinformierter Palästinenser seien.
PA-Funktionäre, die behaupten, der Lehrplan sei nur ein Modellversuch und könne überarbeitet und weiterentwickelt werden, haben versprochen, Änderungen in den Lehrbüchern vorzunehmen. Was genau also hat die Kritiker dieser Bücher so aufgebracht und zu solch einem Sarkasmus gegenüber dem Bildungsprozess an palästinensischen Schulen geführt?
Eine Landkarte in einem der Lehrbücher bezeichnet die Stadt Ramallah im Westjordanland als „Zentrum Palästinas“ und Jerusalem als eine Stadt südlich von Ramallah. Kritiker argumentieren, diese Terminologie verwandle Ramallah, den Hauptsitz der PA-Führung und -Regierung, de facto in die Hauptstadt der Palästinenser. Dies, so sagen sie, unterminiere den Anspruch der Palästinenser auf Jerusalem als Hauptstadt eines zukünftigen palästinensischen Staates. „Warum wird Jerusalem in den neuen Lehrbüchern marginalisiert?“, fragten Kritiker. „Das ist ein Skandal!“
Ein weiterer Fehler in den Lehrbüchern verlegt die im Westjordanland gelegene Stadt Bethlehem an die Küste des Gazastreifens. „Bethlehem hat nun einen eigenen Strand“ war einer von vielen sarkastischen Kommentaren wütender Palästinenser, die den neuen Lehrplan in den sozialen Medien verurteilten. Ein Palästinenser aus Hebron kommentierte: „Die Einwohner von Hebron verlangen vom Bildungsministerium auch einen Strand, so wie Bethlehem ihn bekommen hat.“ Die neuen Lehrbücher werden außerdem kritisiert, weil Tel Aviv auf einer Landkarte von „Palästina“ eingezeichnet ist, auf der Israel nicht erwähnt wird. In der Karte wird Tel Aviv mit seinem arabischen Namen Tal Al-Rabi’a genannt. Kritiker argumentieren, es sei ein Fehler, den arabischen Namen von Tel Aviv zu verwenden, da dies eine israelische Stadt sei, die „auf den Ruinen arabischer Dörfer“ gebaut wurde. Sie behaupten, Tel Aviv sei ein moderner Name, der „nichts mit der Geschichte Palästinas zu tun habe“. Die Landkarte „Palästinas“ in den Büchern reicht von der Stadt Safed im Norden bis zu Rafah im südlichen Gazastreifen.
Das alles ist jedoch nichts im Vergleich zur in den Unterrichtsmaterialien enthaltenen Dämonisierung von Frauen. Diese werden in islamischen Lehrbüchern für Erst- und Zweitklässler als Hexen und Zauberinnen dargestellt – was zu heftiger Kritik geführt hat. Ein Bild zeigt eine Hexe unter dem Koran-Vers: „Ich suche bei Allah Zuflucht vor Satan, dem Verfluchten.“ Ein anderes Hexenbild wird von einem Vers begleitet, in dem es um das „Übel der bösen Hexerei geht“ geht.
Kritiker sagen, es sei Palästinenserinnen gegenüber äußerst respektlos und beleidigend, Frauen mit Hexerei in Verbindung zu bringen. „Kindern der 1. und 2. Klasse wird beigebracht, dass Frauen Hexen sind“, protestierten sie. „Die Lektion die Ihnen beigebracht wird ist, dass eine Hälfte der Gesellschaft muslimisch ist und die andere ungläubig.“Palästinensische Aktivistinnen waren über die Darstellung von Frauen als Hexen und Zauberinnen empört und argumentirten, dies würde das stereotype Bild, das Kinder von Frauen haben, weiter festigen. „Solche Darstellungen schwächen das Bild der Frau und sind eine Herabwürdigung der Entbehrungen, die sie erdulden“, sagte Lubna Al-Ashkar vom Women’s Technical Affairs Committee (WATC), einer Gruppe, die 1992 gegründet wurde, um Frauen eine Stimme bei den israelisch-palästinensischen Friedensverhandlungen zu geben. „Dass Frauen als Ursache für alle Konflikte und Übeltaten in der palästinensischen Gesellschaft dargestellt werden, ist völlig inakzeptabel. Hexerei und Zauberei sind nicht allein auf Frauen beschränkt. Wir fordern das Bildungsministerium dazu auf, die Bilder schnell zu ändern.“
Amal Khraisheh, Vorsitzende der Palestinian Working Woman Society, einer NGO, die sich für die Gleichstellung der Geschlechter und die Beseitigung der Diskriminierung palästinensischer Frauen einsetzt, prangerte die beleidigende Darstellung von Frauen in den Lehrbüchern ebenfalls an. Sie sagte, die „atypischen“ Bilder, die Frauen als Hexen und Zauberinnen zeigen, „setzen den Status von Frauen in einer von Männern dominierten Gesellschaft weiter herab und unterbinden eine erhöhte weibliche Präsenz, indem Frauen auf Zauberei und Hexerei reduziert werden.“ Khraisheh kritisierte das „palästinensische Regierungssystem“ und den Palästinensischen Legislativrat (das gewählte Parlament, das seit 2007 aufgrund eines Machtkampfes zwischen der Fatah und der Hamas paralysiert ist) und wies auf die „unlogischen Fehler“ im neuen Lehrplan hin. Dabei betonte sie, die nichtvorhandene Kontrolle der Tätigkeiten der Palästinensischen Autonomiebehörde und ihrer verschiedenen Organe, insbesondere des Bildungsministeriums, habe den palästinensischen Frauen Unrecht getan und das Bild, das Kinder von ihnen haben, verzerrt. „Unsere Kinder bekommen so einen negativen Eindruck von Frauen – einen, den man in Zukunft nur schwer ändern kann“, warnte sie. „Wir werden alles daran setzen, dieses negative Frauenbild auszuräumen.“
Ironischerweise haben die verärgerten Frauen und die anderen Kritiker Unterstützung von unerwarteter Seite erhalten: einem hochrangigen PA-Beamten des Ministeriums für Waqf und religiöse Angelegenheiten, Majed Sakr. Er erklärte, dass die beleidigenden Bilder von Frauen und ihre Assoziierung mit Sünde, Hexerei und Zauberei im Islam „inakzeptabel“ seien. Er forderte eine Überarbeitung der Lehrbücher, um inhaltliche- und Schreibfehler sowie falsche Sichtweisen zu korrigieren.
Die beleidigenden Darstellungen von Frauen als Hexen und Dämonen sollten aber für Frauen- und Menschenrechtsgruppen keine Überraschung sein. Vor Kurzem wurde hier aufgedeckt, dass verschiedene palästinensische Wahllisten für die Kommunalwahlen vom 8. Oktober die Namen und Fotos ihrer weiblichen Kandidaten durch Bilder von Rosen und Tauben ersetzt haben. Ausserdem wurden die Kandidatinnen als „Frau von“ oder als „Schwester“ bezeichnet.
Die PA-Führung wurde mal wieder mit heruntergelassenen Hosen erwischt. Es ist wahr, dass die Darstellung von Frauen als Hexen eine neue Diffamierung durch Abbas und sein Gefolge ist. Doch die Beleidigung anderer, einschließlich Israels, durch die PA ist alles andere als neu. Palästinensische Schulkinder bekommen Lügen über Geschichte beogebracht, über Geografie und nun auch über palästinensische Frauen. Frauen als Hexen zu bezeichnen ist tatsächlich sehr verstörend. Noch beunruhigender ist jedoch die fortwährende palästinensische Ignoranz der Tatsache, dass die Dämonisierung anderer ein tödlicher Bumerang ist, der irgendwann zurückkehrt – und dies bereits tut.
Artiekl zuerst veröffentlicht auf Audiatur Online. Auf Englisch ursprünglich erschienen bei Gatestone Institute. Khaled Abu Toameh ist ein preisgekrönter arabisch-israelischer Journalist und TV-Produzent.