Anna Thalhammer zog mit Falschbehauptungen gegen zwei Gutachter in Sachen Muslimbrüder vom Leder. Das juristische Nachspiel dazu ist jetzt beendet.
Das Oberlandesgericht (OLG) Wien hat jüngst mit einer Entscheidung dazu beigetragen, ein unwürdiges journalistisches Schauspiel zu beenden: Es hob das Urteil der Erstinstanz in einem Verfahren auf, das von den beiden Wissenschaftlern Nina Scholz und Heiko Heinisch angestrengt worden war. Sie hatten die Tageszeitung Die Presse wegen mehrerer Behauptungen der ehemaligen Presse-Journalistin (und nunmehr frischgebackenen profil-Chefredakteurin) Anna Thalhammer wegen übler Nachrede verklagt.
Die Erstinstanz hatte noch zugunsten der Presse entschieden, aber nachdem dieses Urteil jetzt vom OLG aufgehoben wurde, hat sich die Zeitung offenbar eines Besseren besonnen: Sie bot einen Vergleich an, in dem sie sämtliche Verfahrenskosten (inklusive Anwaltskosten) übernimmt und den Klägern eine Entschädigung zahlt. Warum die Presse es überhaupt so weit hat kommen lassen, bleibt ein Rätsel.
Die Operation Luxor und Anna Thalhammer
Am 9. November 2020 fanden im Auftrag der Staatsanwaltschaft Graz an mehreren Orten in Österreich insgesamt rund 60 Hausdurchsuchungen bei Personen statt, gegen die wegen des Verdachts der Zugehörigkeit zu terroristischen Vereinigungen und wegen mutmaßlicher Terrorismusfinanzierung ermittelt worden war. Die Beschuldigten wurden der Muslimbruderschaft zugeordnet, einigen von ihnen wurde die Unterstützung der palästinensischen Terrororganisation Hamas vorgeworfen.
Das Verfahren, in dessen Visier auch mehrere bekannte Persönlichkeiten, darunter der Politikwissenschaftler Farid Hafez, geraten waren, war von Anfang an mit deutlicher Kritik konfrontiert. Einige der Hausdurchsuchungen wurden in weiterer Folge für rechtswidrig erklärt, die Verfahren gegen etliche der Verdächtigen mittlerweile eingestellt.
Zu den Kritikern des Vorgehens der Staatsanwaltschaft und der Sicherheitskräfte gehörte auch die damalige Presse-Journalistin Anna Thalhammer, die sich in ihren Artikeln und anderen öffentlichen Äußerungen allerdings nicht auf sachliche Bedenken an dem Verfahren beschränkte, sondern insbesondere schwere Vorwürfe gegen Nina Scholz und Heiko Heinisch erhob.
Thalhammer sprach den beiden vom Gericht zu Gutachtern in dem Verfahren berufenen Wissenschaftlern die fachliche Kompetenz ab; dem von ihnen verfassten Gutachten attestierte sie »deutliche Mängel in Bezug auf wissenschaftliches Arbeiten«, ein Vorwurf, dem angeblich auch das Gericht »offenbar etwas abgewinnen« habe können. Darüber hinaus behauptete sie, dass sich »Staatsanwalt und Gutachter auch besser gekannt haben – zumindest war man per Du.«
Nichts davon war zutreffend, wie Thalhammer mühelos in Erfahrung hätte bringen können, wenn sie ein Mindestmaß an journalistischer Sorgfalt an den Tag gelegt und bei den beiden von ihr attackierten Wissenschaftlern oder der Staatsanwaltschaft nachgefragt hätte. Ein Sprecher der Behörde, die von Thalhammer nie kontaktiert worden war, wies ihre Behauptungen genauso zurück (»auf jeden Fall« bzw. »eklatant wahrheitswidrig«) wie Scholz und Heinisch. Einige der von Thalhammer erhobenen Einwände ließen vermuten, dass sie das Gutachten, gegen das sie in der Presse und anderswo wetterte, gar nicht wirklich gekannt haben dürfte.
(Der Vollständigkeit halber: Scholz und Heinisch wurden später tatsächlich als Gutachter abberufen, aber nicht, weil das Gericht fachlich etwas an ihrer Arbeit auszusetzen hatte, sondern weil einer der beiden sich Jahre vor dem Verfahren öffentlich über einen der späteren Beschuldigten geäußert hatte, was laut Gericht zumindest den Anschein der Befangenheit erwecken habe können.)
Späte Einsicht der Presse
Nachdem Scholz und Heinisch die Presse wegen Thalhammers falschen Behauptungen über sie verklagt hatten, veröffentlichte die Zeitung zwar pflichtgemäß eine Mitteilung über die Einleitung des Verfahrens sowie eine Gegendarstellung zu Thalhammers Falschbehauptungen, stellte die unbegründeten Anschuldigungen aber nie öffentlich richtig (in der Onlineversion eines Artikels wurde lediglich still und heimlich eine Passage entfernt).
Hatten Thalhammer und die Presse nach dem erstinstanzlichen Urteil, das den Tatbestand der üblen Nachrede als nicht erfüllt ansah, noch die Hoffnung, gut aus der Angelegenheit herauszukommen, so hat das Oberlandesgericht sie jetzt eines Besseren belehrt. Wie Nina Scholz via Facebook erläuterte, ist das OLG der Überzeugung, dass sich das Erstgericht nicht ausreichend mit dem beanstandeten Artikel Thalhammers auseinandergesetzt und deshalb eine »bedenkliche« Entscheidung getroffen habe. Das Urteil wurde aufgehoben, das Verfahren zurück an die erste Instanz verwiesen.
Dass die Presse nach der Urteilsaufhebung durch das OLG jetzt ein Einsehen hatte und einen Vergleich anbot, der die Übernahme sämtlicher Kosten und eine Entschädigungszahlung an Scholz und Heinisch beinhaltet, bringt eine unwürdige Angelegenheit zu Ende, die sich nie über fast zwei Jahre hätte hinziehen sollen. Warum sie überhaupt den Entschluss gefasst hat, die Sache vor Gericht auszufechten, bleibt weiter ein Rätsel. Zu ihrem jetzigen Vergleichsangebot dürfte aber wohl beigetragen haben, dass sie keinen Sinn mehr darin sah, einen nicht gerade aussichtsreichen Kampf für eine Mitarbeiterin zu führen, die sich mittlerweile in Richtung profil verabschiedet hat.
Dort bekundete Thalhammer in ihrem ersten Leitartikel, sie »brenne für Qualitätsjournalismus in seiner Reinstform«, einen Journalismus, »der alle Seiten hört, sich aber keine aussucht«, der »erklärt und informiert, aber nicht belehrt und verurteilt«.
Was sie dazu getrieben hat, in ihren Artikeln zur Causa Muslimbruderschaft mit falschen Vorwürfen in Richtung der beiden Gerichtssachverständigen um sich zu werfen, kann wohl nur sie selbst beantworten. Ihren eigenen hehren Ansprüchen an Journalismus hat sie damit aber definitiv nicht entsprochen.