„Seit sechs Wochen sitzt Tariq Ramadan in Paris im Gefängnis. Er ist der mehrfachen Vergewaltigung angeklagt. (…) Vor Jahren wurde Hani Ramadan aus dem Schuldienst entlassen, weil er die Steinigung von Ehebrecherinnen propagierte. (…) Auch die Umstände von Tariq Ramadans Doktorarbeit werden nun unter die Lupe genommen. Der anerkannte Arabist Charles Genequand hatte sie abgelehnt: Sie verniedliche die Ideologie der Muslimbruderschaft und verkläre ‚[Ramadans Großvater, den Gründer der Muslimbruderschaft Hassan] al-Banna zum muslimischen Gandhi‘. Genequand erinnert sich an die Beschimpfungen Ramadans, der die ‚Juden von Genf‘ für die Ablehnung verantwortlich machte. (…)
Ramadan plädierte in den Medien für die Integration und die Einhaltung der Gesetze. Auf Arabisch predigte er den Stolz auf den Islam und die Respektierung seiner fundamentalen Regeln. Seine Biografen Caroline Fourest (‚Frère Tariq‘) und Ian Hamel beschrieben seine ‚Doppelzüngigkeit‘. ‚Ramadan träumte von der friedlichen Eroberung Europas durch den Islam‘, sagt Pascal Bruckner. (…) Vor einem Jahr debattierte Bruckner mit Ramadan anlässlich der Genfer Buchmesse. Zur Steinigung als ‚Läuterung der Ehebrecherinnen‘ verweigerte Ramadan jegliche Stellungnahme: Man solle nicht ständig mit der alten Leier kommen. (…) Nach dem Scheitern seiner Bemühungen, in Genf eine militante Jugendorganisation aufzubauen, waren die islamischen Vorstädte von Lyon zur Basis seiner politischen Aktivitäten geworden. (…) Ramadan selber und sein engstes Umfeld parieren die Vorwürfe als ‚zionistische Verschwörung‘. (…)
Die Besorgnis im Innenministerium ist umso größer, als längst auch keineswegs radikalisierte Muslime für die ‚Befreiung‘ von Ramadan aktiv werden. Zum Beispiel die Rektoren der ‚Großen Moscheen‘ in Lyon und dem Vorort Villeurbanne. Sie stehen für einen ‚republikanischen Islam‘. Dass sie Seite an Seite mit fanatischen Gruppierungen den angeklagten Genfer unterstützten, begründen die Experten mit dem ‚Druck der Basis‘: ‚Der geringste Anlass könnte zu neuen Unruhen führen.‘“ (Jürgen Altwegg: „Ein doppelzüngiger Prediger“)