Der Menschenrechtsexperte Manfred Nowak will das Ansehen der UNO verbessern. Als Sündenbock dabei soll – wer sonst? – Israel dienen.
»Das Vertrauen in die Problemlösungskapazität der UNO war noch nie so groß wie heute.« Mit dieser erstaunlichen Feststellung wartete der österreichische Menschenrechtsexperte Manfred Nowak unlängst in der Presse auf. Man rieb sich die Augen und hätte den ehemaligen Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen über Folter gerne gefragt, ob ihm auch nur ein einziges Problem einfällt, zu dessen Lösung die Vereinten Nationen einen maßgeblichen Beitrag geleistet haben.
Ein Blick in die Onlineversion seines Presse-Gastkommentars zeigt indes, dass Nowak bzw. der Redaktion wohl ein dummer Fehler unterlaufen ist, der stillschweigend behoben wurde. Das Vertrauen in die »Problemlösungskapazität der UNO«, so ist in der revidierten Version zu lesen, »war noch nie so niedrig wie heute« [Hervorhebung F. M.].
Leider war dieser Lapsus nicht das einzige und auch nicht das größte Problem an Nowaks Kommentar. Um die UNO vor Kritik in Schutz zu nehmen, bemühte er einen billigen argumentativen Trick: Das »Verfehlen der Hauptziele kann allerdings nicht primär der UNO angelastet werden, sondern liegt in der Verantwortung ihrer 193 Mitgliedstaaten.« Man kennt das von Apologeten der Vereinten Nationen zur Genüge: Alles, was irgendwie als positiv verbucht werden kann, sei das Verdienst der UNO, die, wie Nowak glaubt, »Unglaubliches geleistet« habe. Für alles andere könne sie nichts. So einfach kann man sich’s machen.
Der übliche Verdächtige
Aber Nowak hat sich auch Gedanken darüber gemacht, wie die UNO »in den Augen der Menschen wieder Legitimität« gewinnen könne – und landete mit traumwandlerischer Sicherheit genau dort, wo auch die UNO mit schlechter Regelmäßigkeit immer landet: In der »derzeitigen geopolitischen Situation wäre wahrscheinlich die Beendigung des Kriegs zwischen Israel und den Palästinensern sowie eine nachhaltige Lösung der Palästina-Frage durch entsprechende Resolutionen des Sicherheitsrats ein entscheidender Schritt zur Stärkung der Legitimität der UNO.«
Nicht etwa der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine oder der Krieg im Sudan, der die mit Abstand größte humanitäre Katastrophe der Gegenwart ausgelöst hat, kamen Nowak in den Sinn, um der UNO wieder (?) »Legitimität« zu verschaffen, sondern der Konflikt, der ohnehin die Obsession der Vereinten Nationen schlechthin darstellt.
Also gab sich Nowak, der »gerade hier auch eine Chance für einen nachhaltigen Frieden« ausmachte, Fantasien hin, wie auf dem Umweg über Israel die »Legitimität« der UNO gestärkt werden könne. Angetan ist er offenbar von »rechtlichen und politischen Initiativen«, die »der Globale Süden (insbesondere Südafrika) … im Rahmen der UNO zur Beendigung des Kriegs gesetzt hat«.
Wie seine verehrte UNO es ständig tut, verwechselte auch Nowak den Staat Israel diffamierende Agitation durch Freunde blutigen islamistischen Terrors (man denke an die südafrikanische Genozid-Klage gegen Israel beim Internationalen Gerichtshof) mit Initiativen, die auch nur irgendetwas zu einer Beendigung des Konflikts beitragen könnten.
»Brandregionen weltweit«
Und wie für die Diktatoren in aller Welt – vom gepriesenen »Globalen Süden« über Russland nach China –, liegt auch für Nowak »der Schlüssel« in den »Staaten des Globalen Nordens, besonders den USA«. Würden diese Israel vor den Bus werfen, ich bitte um Verzeihung, und wären sie bereit, »ihre Blockade des Sicherheitsrats aufzugeben … und einer vom Globalen Süden initiierten Friedenslösung zuzustimmen«, würde nicht nur »die UNO den ihr gebührenden Platz als friedensstiftende Weltorganisation wieder (zurückgewinnen)«, sondern mit einer »nachhaltigen Lösung der Palästina-Frage wären auch Möglichkeiten für weitere Friedensinitiativen im Nahen Osten (Syrien, Jemen) und in anderen Brandregionen weltweit eröffnet«.
Das sind, reden wir nicht lange herum, schlicht Wahnvorstellungen: Weder gibt es vom »Globalen Süden initiierte Friedenslösungen« (es gibt nicht einmal einen »Globalen Süden«), noch haben »Brandregionen weltweit« etwas mit dem palästinensisch-israelischen Konflikt zu tun. Aber es sind genau die Wahnvorstellungen, die auch bei den Vereinten Nationen hoch im Kurs stehen und ihren seit Jahrzehnten betriebenen »Palästina«-Aktivismus antreiben.
Nowaks Presse-Kommentar lieferte ein anschauliches Beispiel für das Weltbild vieler UNO-Apologeten, das von Fantasien über einen irgendwie lauteren »Globalen Süden« und einen dem Frieden auf der Welt entgegenstehenden »Globalen Norden« unter der Führung der USA geprägt ist. Die Diktaturen in aller Welt, von Russland über den Iran bis nach China und Nordkorea, kommen darin nicht vor, und von universellen Werten wie menschlicher Freiheit ist dabei keine Rede. Dafür nimmt Israel in diesem im wahrsten Sinne des Wortes verrückten Weltbild die Rolle des sprichwörtlichen Sündenbocks ein, von dessen Erledigung nicht weniger als der globale Frieden (»Brandregionen weltweit«!) abhängen soll.
Die eingangs erwähnte sprachliche Fehlleistung war wahrlich das geringste Problem an Nowaks Text.