Da die Türkei in Nordsyrien als Besatzungsmacht agiert, ist sie auch für die systematischen Verbrechen der mit ihr verbündeten Milizen verantwortlich.
Raniah Salloum, Der Spiegel
Schon seit Längerem mehren sich die Berichte über Verbrechen, die mit der Türkei verbündete Kämpfer der „Syrischen Nationalen Armee“ begehen. Lange vermutete man dahinter das kriminelle Verhalten einzelner Banden. Doch nun macht erstmals ein Uno-Bericht die türkische Regierung dafür mitverantwortlich. Denn, so heißt es in dem Bericht, die Gebiete seien „effektiv unter türkischer Kontrolle“. Zudem seien viele der Verbrechen keine Einzeltaten, sondern zeugten vielfach von „systematischem“ und „koordiniertem“ Vorgehen.
Die Liste der Vergehen der türkischen Verbündeten in Nordsyrien in dem Uno-Bericht ist lang: Plünderungen (…) Folter (…) Vergewaltigungen (…) Raub und Zerstörung von Weltkulturerbe (…) Schändung religiöser Stätten (…)
Überraschend deutlich nimmt die Uno in dem Bericht die Türkei für die Verbrechen ihrer Verbündeten in die Pflicht. So verweist sie, versteckt in Fußnoten, auf das internationale Besatzungsrecht. Die Uno macht so auf diplomatische Weise klar, dass sie die Türkei als Besatzungsmacht in Nordsyrien versteht – mit den entsprechenden völkerrechtlichen Verpflichtungen. So trägt etwa der Besatzer die Verantwortung für Sicherheit und Wohlergehen der Bevölkerung in den besetzten Gebieten.
Zudem habe die Türkei möglicherweise auch selbst Kriegsverbrechen in Syrien begangen: Syrer, die von der „Syrischen Nationalen Armee“ festgenommen worden waren, wurden von der türkischen Armee in die Türkei verschleppt und dort nach türkischem Recht verurteilt – für mutmaßliche Verbrechen, die sie in Syrien begangen haben sollen. Dabei, so schreiben die Uno-Ermittler, könnte es sich um unrechtmäßige Deportationen gehandelt haben.
(Aus dem Artikel „Türkische Verbrechen“, der bei Der Spiegel erschienen ist.)