Jener Untersuchungsausschuss, der mögliche illegale Geldannahme durch die UNO-Sonderberichterstatterin prüfen soll, hat Francesca Albanese in der Vergangenheit bereits gegen jene Vorwürfe verteidigt, die er nun untersuchen soll.
Mike Wagenheim
Die britische Magna Carta gibt dem Angeklagten das Recht auf ein »rechtmäßiges Urteil durch seinesgleichen«. Die Vereinten Nationen scheinen das wörtlich zu nehmen, indem sie die Untersuchung gegen ihre Sonderberichterstatterin für die Palästinenser, Francesca Albanese, nun deren Kollegen im Koordinierungsausschuss für Sonderverfahren der Weltorganisation übertragen haben.
Die sechs Sonderberichterstatter und unabhängigen Experten des Ausschusses – allesamt ehrenamtliche Berater der Vereinten Nationen, die im Wesentlichen dieselbe Rolle wie Albanese innehaben –, die nun darüber urteilen sollen, ob ihre Kollegin tatsächlich auf Kosten von Pro-Hamas-Gruppen nach Australien und Neuseeland gereist ist und damit gegen die Regeln der Vereinten Nationen verstoßen hat, haben Albanese allerdings bereits öffentlich gegen die Anschuldigungen in Schutz genommen, die sie jetzt untersuchen sollen.
»Es wäre eine Travestie der Justiz und der Gerechtigkeit, würde der Hohe Kommissar in diesem Fall den schwarzen Peter weiterreichen; insbesondere, weil der Koordinierungsausschuss sich bereits in mindestens zwei Erklärungen zu dieser Angelegenheit geäußert hat«, sagte der Geschäftsführer der in Genf ansässigen gemeinnützigen Organisation UN Watch, Hillel Neuer, gegenüber Jewish News Syndicate (JNS).
Das UN-Büro für interne Aufsichtsdienste teilte Neuer am 26. Juni mit, dass es die Anschuldigungen gegen Albanese an den UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, weitergeleitet habe, »damit er dem Fall seine Aufmerksamkeit schenke und gegebenenfalls angemessene Maßnahmen ergreife«, schilderte Neuer.
Die Mitteilung erfolgte wenige Stunden nach der Veröffentlichung eines Videoclips, in dem ein UN-Sprecher gefragt worden war, warum Albanese und andere UNO-Einrichtungen sich weigerten oder Bitten ignorierten, Details der Anschuldigungen zu klären oder zu widerlegen, nach denen die Australien- und Neuseeland-Reise Albaneses von Pro-Hamas-Lobbygruppen finanziert wurde. Türk sei in dieser Angelegenheit nicht zuständig und habe die Beschwerde an den Koordinierungsausschuss für Sonderverfahren weitergeleitet, sagte nun eine Sprecherin des UN-Hochkommissars für Menschenrechte gegenüber Jewish News Syndicate.
Voreingenommenheit
Der UN-Menschenrechtsrat ernennt die Sonderberichterstatter und unabhängigen Experten, die den Ausschuss bilden und auf freiwilliger Basis tätig sind. Alle Ausschussmitglieder fallen ebenso wie Albanese unter die Kategorie der »Sonderverfahren« der Vereinten Nationen und gelten technisch gesehen als unabhängig von den Vereinten Nationen. Die Arbeit und die daraus resultierenden öffentlichen Erklärungen des Ausschusses werden von den UN-Beamten zwar standardmäßig nicht infrage gestellt oder angefochten. Zugleich soll sich der Ausschuss bei seinen Ermittlungen gegen Albanese an festgelegte Verfahren halten und dabei »integer, unabhängig und unparteiisch« vorgehen, wie es heißt.
Bereits am 16. Mai gaben jedoch alle sechs Mitglieder des Ausschusses eine Erklärung ab, in der sie ungenannt bleibende UN-Menschenrechtsexperten pauschal gegen Angriffe verteidigten, darunter »unbegründete Behauptungen über den Missbrauch von Ressourcen sowie Behauptungen über Voreingenommenheit und unprofessionelles Verhalten, die darauf abzielen, den Ruf zu schädigen, in den sozialen Medien, während UN-Sitzungen und sogar bei offiziellen Besuchen der Experten in diversen Ländern«.
Der Ausschuss nannte zwar den Namen Albanese nicht explizit, stellte aber fest, dass »unsere Kollegen, die sich mit der Situation in den besetzten palästinensischen Gebieten und in Israel befassen, in den sozialen Medien heftigen Angriffen und unbegründeten Anschuldigungen ausgesetzt sind, die ihre Integrität und ihre Beweggründe infrage stellen«, was ein klarer Verweis auf Albanese ist, deren Mandat exakt diese Region umfasst.
Beamte der UN-Sonderverfahrenseinheit müssen ihre Reisen im Jahresbericht der Institution dokumentieren, doch Albaneses Reisen nach Australien und Neuseeland, die nach Schätzungen von UN Watch mehr als 20.000 Dollar gekostet haben, sind dort nicht aufgeführt. Dies wirft nach Ansicht der NGO die Frage auf, ob es sich bei ihren Aufenthalten um offizielle Besuche gehandelt habe.
JNS bat das Büro von Albanese wiederholt um eine Stellungnahme zu den Finanzierungsquellen für diese Reisen. Drei UN-Büros – jenes von Generalsekretär António Guterres, der Menschenrechtsrat und die Sonderverfahrenseinheit – lehnten eine Antwort auf die Frage ab, ob sie nachweisen könnten, dass die Vereinten Nationen Albaneses Reisen finanziert hat.
Mehrere Pro-Hamas-Gruppen hatten erklärt, sie unterstützten die Reisen, wobei eine davon öffentlich behauptete, die Reisen gesponsert zu haben. Albanese hat den Vorwurf, dass Pro-Hamas-Gruppen ihre Reise finanziert hätten, auf ihrem Social-Media-Konto zurückgewiesen und auch erklärt, dass die Behauptungen, ihre Mitarbeiter hätten Honorare außerhalb des festgelegten Rahmens angenommen, unwahr seien. Allerdings legte sie keine öffentlichen Beweise vor, welche die Anschuldigungen widerlegen würden.
Die Vereinten Nationen bezahlen einen Teil der Ausgaben ihrer Mitarbeiter für Sonderverfahren über ein bestimmtes Budget, wobei es den Beamten es gestattet ist, Spenden von Staaten und Privatpersonen zu sammeln, die alle in ihren Jahresberichten angegeben werden müssen. Die Annahme von Zahlungen, auch für Reisen und Honorare, seitens »jedweder staatlichen oder nichtstaatlichen Quelle« für »Aktivitäten, die in Ausübung« des Mandats des Sonderberichterstatters durchgeführt werden, ist laut den Vereinten Nationen verboten.
Angriffe gegen die Kritiker
Francesca Albanese hat sich in der Vergangenheit nachweislich antisemitisch geäußert und den Terrorismus gegen den jüdischen Staat gerechtfertigt. Die französische Regierung rügte sie, weil sie bestritten hatte, dass die Hamas Israel am 7. Oktober aufgrund ihres Judenhasses angegriffen hatte. Paris nannte Albaneses Äußerungen »skandalös« und »eine Schande«, die deutsche Regierung bezeichnete sie als »entsetzlich«.
Die Vorsitzende des Koordinierungsausschusses und unabhängige Expertin für die Menschenrechtssituation in Somalia, Isha Dyfan, schrieb am 4. Dezember vorigen Jahres ebenfalls einen Brief an Guterres, Türk und Václav Bálek, den damaligen Präsidenten des Menschenrechtsrats, über die »jüngsten persönlichen Angriffe gegen Mandatsträger im Zusammenhang mit den Ressourcen, die den Mandatsträgern zur Erfüllung ihrer Mandate zur Verfügung stehen, und wie sie diese Ressourcen nutzen. Diese Angriffe betrafen in letzter Zeit unter anderem die Sonderberichterstatterin für die Lage der Menschenrechte in den besetzten palästinensischen Gebieten, einschließlich Ost-Jerusalem«, schrieb Dyfan damals unter Bezug auf Albanese.
Dyfan behauptete, dass »mehrere unbegründete Anschuldigungen gegen Mandatsträger von einer völligen Missachtung der für Mandatsträger geltenden Regeln und Vorschriften zeugen«. Sie fügte hinzu, alle »Informationen über Ressourcen, die Mandatsträger direkt oder über das OHCHR erhalten haben, werden im Jahresbericht der Sonderverfahren vollständig offengelegt«, obwohl Albaneses Reise nach Australien und Neuseeland in dem Bericht mit keinem Wort erwähnt wird. Die JNS-Bitte um einen Kommentar ließ Dyfans Büro unbeantwortet.
»Es wäre sicherlich nicht angemessen, ein ordnungsgemäßes Verfahren zu verletzen, indem man die Untersuchung von Albanese an ein Gremium auslagert, das sich bereits zu der Angelegenheit geäußert hat«, sagte Neuer, der hinzufügte, UN Watch habe den Vereinten Nationen detaillierte Beweise vorgelegt, die Dyfan und der Ausschuss als unbegründet und haltlos bezeichnet hätten. »Da sie sich also bereits zu genau dieser Frage geäußert haben, die nun untersucht wird, sind die Ausschussmitglieder disqualifiziert«, stellt Neuer fest.
»Die UN-Berichterstatter beweisen ihre Wagenburgmentalität. Sie haben bereits ihre Loyalität erklärt, Albanese zu verteidigen, ungeachtet der vernichtenden Beweise für ihre finanziellen Unregelmäßigkeiten«, die sie nun »unparteiisch und unvoreingenommen« untersuchen sollen. Hiller Neuer forderte Guterres und Türk auf, »ihren Kurs zu ändern und nicht gegen grundlegende Verfahrensregeln zu verstoßen«.
Schaden für das Amt
Der Leiter von UN Watch schrieb an Türk und Omar Zniber, den Präsidenten des Menschenrechtsrats, dass es über die finanziellen Unregelmäßigkeiten hinaus »überdeutlich geworden ist, dass die wiederholte Aufstachelung zu Antisemitismus, Gewalt und Terrorismus durch Francesca Albanese einen Schatten auf den Ruf der Vereinten Nationen als Ganzes und insbesondere auf die Arbeit ihres Menschenrechtssystems wirft«. Neuer fügte einen Resolutionsentwurf zur Beendigung des Mandats von Albanese bei und bat Türk und Zniber, diesen zu unterstützen, wie er gegenüber JNS erzählte.
UN Watch hat den Resolutionsentwurf auch an den US-Außenminister Antony Blinken geschickt und bat auch ihn um Unterstützung, wie Neuer hinzufügte. Ein Sprecher des Ministeriums äußerte sich nicht dazu, wie Blinken zu der Frage steht, ob Albanese entlassen werden sollte. Der Vertreter sagte allerdings, das Außenministerium sei »gegen das Mandat dieser Sonderberichterstatterin, das unserer Meinung nach nicht produktiv ist. Wenn es um die Person geht, die diese Position innehat, können wir nicht umhin, eine Geschichte von aufrührerischen Kommentaren im Internet und in ihren öffentlichen Erklärungen feststellen zu müssen«, fügte er hinzu.
(Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)