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Und das sind die wahren muslimischen Helden

Von Giulio Meotti

Der Islam, warnte der Bestseller schreibende algerische Romanautor Boualem Sansal, wird die europäische Gesellschaft „aufsprengen“. In einem Interview mit deutschen Medien malte dieser mutige arabische Schriftsteller eine Vision Europas, das vom radikalen Islam unterjocht ist. Nach Aussage von Sansal richten sich die Terroranschläge in Paris und Brüssel gegen den westlichen Lebensstil: „Sie können nicht einmal die schwachen arabischen Staaten besiegen, also müssen sie den Westen dazu bringen sich selbst zu zerstören. Sie wollen die Gesellschaft spalten, und sie wissen: Wenn ihnen das gelingt, fällt sie ganz von allein in sich zusammen.“

Sansal, der Morddrohungen erhalten hat, gehört zu der rapide anwachsenden Armee muslimischer Dissidenten. Sie sind die beste Befreiungsbewegung für Millionen Muslime, die danach streben, ihren Glauben friedlich zu praktizieren, ohne sich den Diktaten der Fundamentalisten und Fanatiker zu unterwerfen. Diese muslimischen Dissidenten verfolgen Gewissensfreiheit, interreligiöse Koexistenz, Pluralismus in der Öffentlichkeit, Kritik am Islam und Respekt vor dem allgemeinen Recht. Für die islamische Welt könnte ihre Botschaft niederschmetternd sein. Das ist der Grund, dass die Islamisten Jagd auf sie machen.
Es sind immer Einzelpersonen, wie z.B. Lech Walesa, die den entscheidenden Unterschied ausmachen. Die Sowjetunion wurde von nur Dreien besiegt: von Ronald Reagan, Papst Johannes Paul II – und den Dissidenten. Als Professor Robert Havemann in Ostdeutschland starb, nehmen nur wenige davon Notiz. Dieser unerschrockene Regimekritiker stand in Grünheide unter Hausarrest, bewacht von der Stasi. Doch der alte Professor erlaubte sich nicht, sich einschüchtern zu lassen. Er setzte den Kampf um seine Ideen fort.

Ein Held des tschechoslowakischen Antikommunismus, Jan Patočka, starb in einemzermürbenden Polizeiverhör. Patočka zahlte den höchsten Preis dafür zum Schweigen gebracht zu werden. Seine brillanten Vorträge wurden auf ein verstohlenes Seminar reduziert. Obwohl er nicht veröffentlichen konnte, arbeitete er in einer winzigen Wohnung im Untergrund weiter.

Vom KGB gejagt schrieb Alexander Solschenizyn die Kapitel seines „Archipel Gulag“ nieder und versteckte sie bei verschiedenen vertrauenswürdigen Freunden, damit niemand das gesamte Manuskript besaß. 1973 gab es nur drei Exemplare. Als die politische Polizei der Sowjetunion es schaffte, die Stenotypistin Elizaveta Voronyanskya zu erpressen, eines der Verstecke preiszugeben, glaubte sie, das Meisterwerk sei für immer verloren und erhängte sich.

Heute ist vom Islam ein neuer Eiserner Vorhang gegen den Rest der Welt errichtet worden und die neuen Helden sind die Dissidenten, die Apostaten, die Häretiker, die Rebellen und die Ungläubigen. Es ist kein Zufall, dass Salman Rushdie, indisch-britischer Schriftsteller aus einer muslimischen Familie, das erste Opfer einer Fatwa war.

Pascal Bruckner nannte sie „die Freidenker der muslimischen Welt“. Wir sollten sie unterstützen – sie alle. Denn wenn die Feinde der Freiheit aus freien Gesellschaften kommen, die, die vor den Vollstreckern Allahs knien, dann kommen einige der besten Verteidiger der Freiheit aus den islamischen Systemen. Europa sollte diesen Freunden der westlichen Zivilisation finanzielle, moralische und politische Unterstützung zukommen lassen, wohingegen unsere blamierte Intelligenzija sich damit beschäftigt, sie zu verleumden.

Einer, der algerische Schriftsteller Kamel Daoud, der Saudi-Arabien als „einen ISIS, der es geschafft hat“ bezeichnete, entfachte vor kurzem einen „Islamophobie“-Streit, weil er seine eigene Wut gegen die naiven Menschen gerichtet hatte, von denen er sagt, sie ignorierten die kulturelle Kluft, die die arabisch-muslimische Welt von Europa trennt.

Ein weiterer, der heute in den Niederlanden lebende Exil-Iraner und Jurist Afshin Ellian, arbeitet an der Universität Utrecht, wo er seit dem Mord an Theo Van Gogh von Leibwächtern beschützt wird. Nach dem Massaker bei Charlie Hebdo, als die Medien Europas damit beschäftigt waren den „dummen“ Karikaturisten Vorwürfe zu machen, warb Ellian für einen Appell: „Lasst nicht die Terroristen die Grenzen der freien Meinungsäußerung bestimmen.

Eine weitere mutige Dissidentin ist Ayaan Hirsi Ali, die aus den Niederlanden in die USA fliehen musste, wo sie schnell eine der prominentesten öffentlichen Intellektuellen wurde.

Der marokkanische Bürgermeister von Rotterdam, Ahmed Aboutaleb, wird ebenfalls von der Polizei geschützt. Er sagte vor kurzem muslimischen Glaubensgeschwistern, die gegen die Freiheiten protestierten, die sie beim Leben im Westen vorfanden, sie sollten „Eure Sachen Packen und Euch verp…en“. Ein heroischer christlicher Verteidiger dieser Freiheiten in den Niederlanden ist Geert Wilders, der jetzt wegen „Diskriminierung“ vor Gericht steht. „Ich bin im Gefängnis“, hat er unter Verweis auf seine konspirativen Wohnungen „und dass die anderen frei herumlaufen“ gesagt.

Viele dieser Dissidenten sind Frauen. Shukria Barakzai, eine afghanische Politikerin und Journalistin, erklärte den islamischen Fundamentalisten den Krieg, nachdem die Religionspolizei der Taliban sie zusammenschlug, weil sie es wagte ohne männliche Begleitung in die Öffentlichkeit zu gehen. Ein Selbstmordbomber sprengte sich in der Nähe ihres Autos und tötete drei Personen. Kadra Yusuf, eine somalische Journalistin, unterwanderte Oslos Moscheen, um die Imame bloßzustellen, besonders was die weibliche Genitalverstümmelung angeht, die noch nicht einmal vom Koran und den Hadithen (Berichten über Mohammed) gefordert wird. In Pakistan forderte Sherry Rehmaneine Reform der pakistanischen Blasphemie-Gesetze“. Sie riskiert tagtäglich ihr Leben. Sie wird von Islamisten als „zum Töten vorgesehen“ abgestempelt, weil sie eine Frau, Muslima und säkulare Aktivistin ist. Die syrisch-amerikanische Autorin und Psychiaterin Wafa Sultan wurde ebenfalls als „Ungläubige“ gebrandmarkt, die den Tod verdient.

Vor kurzem veröffentlichte Le Figaro einen langen Bericht über muslimisch-französische Persönlichkeiten, denen mit „Hinrichtung“ gedroht wird. „Sie leben – unter permanentem Polizeischutz, von Muslimen als Verräter betrachtet – in einer Hölle. In den Augen von Islamisten ist ihre Freiheit ein Akt des Hochverrats an der Ummah [Gemeinschaft].“ Es sind Schriftsteller und Journalisten arabisch-muslimischer Kultur, die die islamistische Bedrohung und die inhärente Gewalt des Koran verurteilen. Sie stehen allein gegen den Islamismus, der den physischen Terrorismus der Kalaschnikows einsetzt; und gegen den intellektuellen Terrorismus, der sie der Einschüchterung durch die Medien unterzieht. Von ihren Gemeinschaften als „Verräter“ betrachtet, wird ihnen von den Eliten des Westens „Stigmatisierung“ vorgeworfen.

Die französische Journalistin Zineb El-Rhazoui hat mehr Leibwächter als viele Minister der Regierung von Manuel Valls und muss aus Sicherheitsgründen in den letzten Monaten die Häuser in Paris häufig wechseln. Für diese junge Wissenschaftlerin, die in Casablanca geboren wurde und für die französische Wochenzeitschrift Charlie Hebdo arbeitet, ist es undenkbar geworden die Straßen von Paris entlangzugehen. Eine nach dem 7. Januar 2015 ausgegebene Fatwa lautet: „Tötet Zineb El-Rhazoui, um den Propheten zu rächen.

Drohungen gegen Nadia Remadna, eine weitere Dissidentin, kommen nicht aus Raqqa in Syrien, sondern aus ihrer eigenen Stadt: Sevran in Seine-Saint Denis. Sie spiegeln den zunehmenden Einfluss von Islamisten in den verlorenen Gebieten der französischen Republik. Welches „Verbrechens“ wurde sie für schuldig befunden? Sie schuf die „Brigade der Mütter“, um gegen den islamistischen Einfluss auf junge Muslime anzukämpfen.

Die Philosophie-Lehrerin Sofiane Zitouni hat ihren Job an einer muslimischen Schule wegen „schleichendem Islamismus“ gekündigt.

Der französisch-algerische Journalist, Essayist und Autor mehrerer Untersuchungen islamistischer Kreise, Mohamed Sifaoui, ist Opfer einer doppelten Bedrohung. Er ist das Hauptziel sowohl von fundamentalistischen als auch „toleranten“ Großinquisitoren. Vom algerischen Regime zu zwei Jahren Gefängnis wegen „Pressedelikten“ verurteilt und dann von Islamisten bedroht, beantragte er 1999 in Frankreich Asyl und hat Algerien nie wieder betreten. Seitdem hat Sifaoui sein Bild und seinen Namen auf islamistischen Internetseiten neben den Worten „le mourtad“ – der Glaubensabtrünnige – gesehen; das heißt, dass er zur Ermordung freigegeben ist. Seit 2006 steht er unter totalem französischem Polizeischutz; damals verteidigte er die freie Meinungsäußerung für das französische Satiremagazin Charlie Hebdo.

Rund fünfzehn Zeugen gaben eidesstattliche Erklärungen zugunsten des Magazins Charlie Hebdo ab. Darunter waren der verstorbene muslimisch-tunesische Essayist Abdelwahab Meddeb, der den Mut hatte das gesamte französisch-muslimische Establishment herauszufordern, das versuchte, Charlie Hebdo zu stoppen. Meddeb wollte zeigen, dass „es hierbei nicht darum geht, dass irgendjemand gegen den Islam ist, sondern der aufgeklärte Islam gegen den dunklen Islam“.

Ebenfalls in Frankreich trägt der mutige Imam von Drancy, Hassen Chalghoumi, bei seinen Predigten eine kugelsichere Weste. Geht er auf die Straße, wird er von fünf Polizisten mit halbautomatischen Waffen begleitet. Das ist nicht außerhalb der Grünen Zone in Bagdad; es ist im Herzen von Paris. Chalghoumi unterstützte das Verbot von Burkas; er absolvierte einen nie da gewesenen Besuch des Holocaust-Mahnmals in Jerusalem; zollte den Opfern von Charlie Hebdo Anerkennung und befürwortete den Dialog mit den französischen Juden.

Naser Khader, ein muslimischer Liberaler mit dänischer Staatsbürgerschaft, forderte „eine muslimische Reformation“ und schrieb „Ehre und Schande“; ihm wird von islamischen Gruppen mit Mord gedroht.

In Italien wird der in Ägypten geborene Autor Magdi Cristiano Allam von Leibwächtern beschützt, weil er den politischen Islam kritisierte. Als leitender Redakteur von Italiens führender Zeitung Corriere della Sera veröffentlichte Allam ein Buch, dessen Titel schon ausreichte, sein Leben in Gefahr zu bringen: „Viva Israele“.

Ibn Warraq lebt geschützt von einem Pseudonym, seit er sein bahnbrechendes Buch „Warum ich kein Muslim bin“ schrieb.

Der palästinensische Blogger Walid Husayin hat ebenfalls Seltenheitswert. Dafür, dass er „den Koran persiflierte“ saß er im Gefängnis; vor kurzem veröffentlichte er in Frankreich ein Buch über seine Erfahrungen in den Palästinensergebieten, wo sein „Atheismus“ ihn fast das Leben kostete.

In Tunesien gibt es eine Handvoll Filmemacher und Intellektuelle, die für freie Meinungsäußerung kämpfen, besonders nachdem der säkulare Oppositionsführer Chokri Belaid ermordet wurde. Auch Nadia El-Fani, die Regisseurin von „Ni Allah Ni Maître“ [„Weder Allah noch Herr“] und Nabil Karoui, der Manager von Nessma TV, werden mit dem Tod bedroht und vor Gericht gezerrt, um auf „Blasphemie“-Vorwürfe zu antworten. Wenn Tunesiens „Arabischer Frühling“ sich nicht, wie andernorts, in einen islamistischen Winter verwandelte, ist das weitgehend diesen Dissidenten zu verdanken.

Diese Helden wissen, was ihren Vorläufern im „Krieg gegen die arabischen Intellektuellen“ zustieß. Schriftsteller wie Tahar Djaout wurden 1993 von Islamisten in Algerien getötet, genauso der Journalist Farag Foda, der für seine scharfen Satiren auf den islamischen Fundamentalismus berühmt war. Vor seiner Ermordung war Foda von der Großmoschee Al-Azhar der „Blasphemie“ beschuldigt worden. Ebenso ist in Bangladesch ein Dutzend Blogger von Islamisten wegen des „Verbrechens“ des „Säkularismus“ kaltblütig ermordet worden.

Letztes Jahr forderte Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi eine Reform des Islam und der Art, wie er gelehrt wird, so wie es auch der führende sunnitische Islamkleriker Scheik Ahmed al-Tayeb tat, der Leiter der Al-Azhar-Universität in Kairo, dem Zentrum des sunnitischen Islam. Und er sagte das an keinem geringeren Ort als Mekka. Ägyptens Konservative taten indes ihr Bestes, um das zu unterdrücken – jedenfalls für den Augenblick.

Es gibt jedoch mehr und mehr Dissidenten, die erfolgreich ihre Stimme erheben und mutige, weitsichtige Bewegungen anführen. In den USA gründete M. Zuhdi Jasser, der Autor von „A Battle for the Soul of Islam“ [„Eine Schlacht um die Seele des Islam“] und praktizierender Arzt, das American Islamic Forum for Democracy. Letztes Jahr warben mehr als zwei Dutzend muslimische Persönlichkeiten für einen Appell „zur Annahme eines pluralistischen Islam, der alle Formen der Unterdrückung und Misshandlung im Namen der Religion ablehnt„“.

In Kanada gründeten Raheel und Sohail Raza die „Muslims Facing Tomorrow“ und es gibt mit Salim Mansur einen freimütigen Lehrbeauftragten für Politikwissenschaften an der Universität von Western Ontario.

In Großbritannien leitet Maajid Nawaz die einflussreiche Quilliam Foundation; Shiraz Maher, der aus der islamistischen Organisation Hisb-ut-Tahrir desertierte, dient jetzt als Senior Fellow am International Center for the Study of Radicalization am King’s College in London.

Das sind nur ein paar der Helden von heute. Einige mussten ausgelassen werden; es standen zu viele auf der Liste.

Der stolze und schmerzhafte Widerstand dieser „Rebellen Allahs“ ist eines der schönsten Zeugnisse unserer Zeit. Diese „Rebellen Allahs“ sind auch die einzig echte Hoffnung auf Reform in der islamischen Welt – und der Bewahrung unser aller Freiheit.

Artikel zuerst erschienen bei Gatestone-Institute.

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