In den Anfängen des israelischen Staates kam es zu einem überraschenden Bündnis zwischen den ultraorthodoxen Haredim und der zionistischen Bewegung.
Nadav Schragai
Die Rufe der ultraorthodoxen Führer hallen durch die politische Landschaft Israels. Demonstranten der Peleg Yerushalmi (Jerusalemer Fraktion) beklagen die demnächst beginnende Einberufung von Haredi-Jugendlichen, auch von solchen, die hauptberuflich keine religiöse Studien betreiben. Eine deutlich andere Realität herrschte noch vor etwas mehr als sieben Jahrzehnten, nämlich eine, die nach heutigen Maßstäben als fast fantastisch erscheint.
Diese alternative Geschichte, die der Historiker Moshe Ehrenvald ans Licht gebracht hat, stellt nicht nur die derzeitige Darstellung der Ultraorthodoxen infrage, sondern auch die gängigen Annahmen der säkularen Israelis. Am überraschendsten ist vielleicht, dass diese Geschichte weitgehend aus dem kollektiven Gedächtnis der Haredi-Gemeinschaft verschwunden ist.
Nehmen wir etwa den Fall von Eliezer Hager (1924–2015), der später in ultraorthodoxen Kreisen als »Admiral«(spiritueller Führer) der chassidischen Dynastie Seret-Vizhnitz verehrt werden sollte. Als junger Mann meldete sich Hager beim religiösen Zug der Haganah in Haifa. Während des Unabhängigkeitskriegs kämpfte er im Kibbutz Ramat Yohanan und erlitt durch feindliches Feuer eine Beinverletzung. Hager war sogar an der Eroberung jenes Hügels in Haifa beteiligt, auf dem er später seine chassidische Gemeinde gründen sollte.
Hagers Verhalten war kein heimlicher Akt der Rebellion. Sein Vater, Rabbi Baruch Hager (1895–1963) – selbst »Admiral« der chassidischen Sekte Seret-Vizhnitz –, nahm an einer Abschiedszeremonie für ultraorthodoxe Rekruten aus Haifa teil, darunter auch sein Sohn.
Die Geschichte der Familie Hager ist alles andere als einzigartig. Rabbi Zelig Heine, ein Enkel des Rabbiners der chassidischen Gur-Bewegung, kämpfte bei der Verteidigung Jerusalems. Sein langer Bart und seine Schläfenlocken standen in krassem Gegensatz zu seiner militärischen Rolle – eine visuelle Darstellung der aufeinanderprallenden Welten.
Diese Einzelschicksale spiegeln einen breiteren institutionellen Wandel wider. An der angesehenen Jeschiwa (Talmudschule) in Hebron inszenierten Studenten eine Art Rebellion, indem sie sich den Wünschen ihres Vorgesetzten widersetzten und sich dem Kampf um die Verteidigung Jerusalems anschließen wollten. Die Gründung eines Bataillons von Jeschiwa-Studenten, bekannt als »Gdud Tuvia«, im Mai/Juni 1948 markierte einen Wendepunkt. Dutzende ultraorthodoxer Jugendlicher, darunter Nachkommen der angesehensten Familien der Gemeinde, meldeten sich zum Dienst im israelischen Unabhängigkeitskrieg.
Ehrenvalds akribisch recherchiertes, hebräisch-sprachiges Buch Die Haredim während des Unabhängigkeitskriegsdokumentiert Hunderte solcher Berichte. Insgesamt zeichnen sie das Bild einer Gemeinschaft, die einen seismischen Wandel erlebt. In weniger als einem Jahr wandelte sich die ultraorthodoxe Welt von einer fast vollständigen Ablehnung des Zionismus und des Kampfes um Staatlichkeit zu einer aktiven Beteiligung an den Kriegsanstrengungen. Diese Integration verwandelte die Haredi-Führung zwar nicht in glühende Zionisten, aber sie bedeutete einen tiefgreifenden, wenn auch vorübergehenden Wandel in ihrer Beziehung zum entstehenden Staat.
Nicht ausgenommen
Der vielleicht auffälligste Kontrast zwischen Vergangenheit und Gegenwart zeigt sich in den von Ehrenvald kürzlich entdeckten und aus der Kriegszeit stammenden Schriften von Rabbi Ben-Zion Meir Hai Uziel (1880–1953), dem ersten sephardischen Oberrabbiner Israels. Uziels Haltung steht in direktem Gegensatz zu jener des sephardischen Oberrabbiners Yitzhak Yosef, dessen Amtszeit unlängst endete.
Während Yosef erklärte, Jeschiwa-Studenten seien kategorisch vom Militärdienst zu befreien, war Uziels Position in Kriegszeiten eindeutig: »Es besteht kein Zweifel, dass jeder Mann in Israel verpflichtet ist, sich zum Militärdienst zu melden … sowohl aus dem Gesetz des Krieges Gottes, der das Erbe des Landes ist, als auch aus dem Gesetz ›Du sollst nicht müßig neben Blut deines Nächsten stehen‹ [Lev. 19:16].«
Die Kluft zwischen der früheren Kriegsbeteiligung der ultraorthodoxen Gemeinschaft und dem modernen Widerstand gegen den Militärdienst ist groß. Ehrenvald führt diesen Wandel großteils auf Veränderungen in der Führungsdynamik der Haredim zurück und verweist auf Rabbi Yosef Tzvi Dushinsky (1867–1948), einen prominenten ultraorthodoxen Führer im Jahr 1948, dessen »klare Führung« weithin Respekt genoss und intern kaum infrage gestellt wurde.
Ehrenvald hält fest, dass »die ultraorthodoxe Öffentlichkeit heute riesig ist und ihre politischen und religiösen Führer gespalten und nicht unbedingt koordiniert sind«. Diese Zersplitterung habe zu einer Situation geführt, in der »Leiter von Strömungen [innerhalb der Haredim] und von Jeschiwot sich in erster Linie um ihre eigenen Institutionen kümmern« statt eine einheitliche Führung für die Gemeinschaft als Ganzes zu bieten.

Dushinsky hingegen brachte seine Gemeinschaft zum Erlass einer wenig bekannten Vereinbarung über die teilweise Einberufung von Jeschiwa-Studenten, einem bahnbrechenden Abkommen, das im Mai 1948 in Jerusalem unterzeichnet wurde und später in Tel Aviv und Haifa nachgeahmt werden sollte. Die Unterzeichner lesen sich wie das Who is Who der ultraorthodoxen Welt; neben Dushinsky waren die beiden Oberrabbiner Israels und eine Reihe angesehener Haredi-Führer vertreten.
Auf die Frage nach dem Unterschied zwischen der Rolle der früheren ultraorthodoxen Führung in Kriegszeiten und der heutigen verweist Ehrenvald auf den Schatten, den der Holocaust geworfen hat: »Die Erinnerung an den Holocaust, den einige Rabbiner und ihre Familien persönlich erlebt hatten, hat ihr Bewusstsein für die existenzielle Gefahr vertieft. Dies stärkte auch ihr Verständnis, dass ein jüdischer Staat den Wiederaufbau der zerstörten Welt der Thora ermöglichen würde.«
Im Gegensatz dazu sieht Ehrenvald die heutige ultraorthodoxe Führung in einer »Kasuistik, wie es sie noch nie gegeben hat«, und führt beunruhigende Beispiele an: So habe etwa der bereits genannte sephardische Oberrabbiner Yosef als Reaktion auf die Entscheidung des Obersten Gerichts, die Wehrpflicht auch für Haredim durchzusetzen, eine Massenauswanderung vorgeschlagen.
Anprangerung der Wehrdienstverweigerung
Das Ausmaß der ultraorthodoxen Beteiligung in den Jahren 1947/48 ist bemerkenswert: So traten Hunderte von Einwohnern aus Bnei Brak, heute eine Bastion der ultraorthodoxen Wehrdienstverweigerer, in die Reihen der Haganah ein. Am auffälligsten war dabei vielleicht die Beteiligung der bereits genannten Gur Chassidim, Mitglieder einer der isoliertesten chassidischen Sekten. Eine Einheit der Gur Chassidim kämpfte schließlich an der Seite weltlicher Kameraden in der Alexandroni-Brigade.
Die Mobilisierung ging über das haredische Kernland hinaus. In Grenzsiedlungen lebende Mitglieder der Poalei Agudat Israel, einer ursprünglich aus Polen stammenden, ultraorthodoxen Bewegung und Partei, folgten ebenfalls dem Ruf zu den Waffen. Rekruten aus dem religiösen Kibbuz Hafetz Haim verstärkten die Verteidigung des nahe gelegenen Kibbuz Nitzanim nördlich des Gazastreifens.
Der Übergang war nicht ohne Spannungen. Ultraorthodoxe Führer verhandelten mit den Militärbehörden über Fragen der religiösen Anpassung der Streitkräfte, also über Kaschrut-Regeln, Sittsamkeitsnormen und Bedingungen, die es ihren jungen Männern erlauben würden, zu dienen, ohne ihre religiösen Prinzipien zu verletzen.
Im Januar 1948 trafen die Führer der Poalei Agudat Israel, Binyamin Mintz und Rabbi Kalman Kahana, mit David Ben-Gurion zusammen, um einen Mechanismus zu erörtern, der angemessene Dienstbedingungen für ihr Klientel sicherstellte.
Sie warteten jedoch nicht die vollständige Erfüllung ihrer Forderungen ab, bevor sie handelten, denn bereits Anfang Januar hatte das Zentralkomitee von Agudath Israel den außergewöhnlichen Schritt unternommen, eine religiöse Verpflichtung für Männer im Alter von 17 bis 25 Jahren zur Ableistung des Nationaldienstes und für Männer im Alter von 26 bis 46 Jahren zur Teilnahme an Zivilschutzeinheiten zu erklären. Die Organisation nahm kein Blatt vor den Mund und prangerte »jede Art von Umgehung« dieser Pflicht aufs Schärfste an. Die Begründung für diese Mobilisierung war eindeutig: »Die Hand der Mörder bedroht jeden, der den Namen Israels trägt. Deshalb soll kein Mann Israels davon befreit sein, Leben und Eigentum zu verteidigen.«
Die erste Welle der organisierten ultraorthodoxen Rekrutierung verlief mit einer Inbrunst, die man sich heute kaum noch vorstellen kann. HaYoman, das Jerusalemer Bulletin von Agudath Israel, fasste den Moment in fast messianischen Worten zusammen: »Heute gehen die ersten organisierten Gruppen von Hunderten von Jerusalems jungen Männern, die dem Wort Gottes treu sind, zum Dienst in speziellen Brigaden.« Ein anschaulicher Bericht, der im August 1948 in Davar Yerushalayim veröffentlicht wurde, verdeutlicht diesen Wandel. Darin wird ein ultraorthodoxer Soldat beschrieben, der zu Schabbat-Beginn an einem Freitagabend eine Maschinengewehrstellung besetzte, wobei sein religiöses Gewand in krassem Gegensatz zu seiner militärischen Rolle zu stehen scheint.
Drastischer Kontrast
Der Kontrast zur aktuellen Situation ist in der Tat drastisch. Während heute die Aussicht auf die Verhaftung ultraorthodoxer Wehrdienstverweigerer Unruhen befürchten lässt, stießen solche Maßnahmen 1948 innerhalb der Haredi-Gemeinschaft auf breite Zustimmung; ja, sogar auf Begeisterung. Ehrenvald zitiert eine öffentliche Bekanntmachung aus dem Bulletin von Agudath Israel vom 8. März 1948, in der diejenigen, die sich noch nicht zum Dienst gemeldet hatten, scharf gewarnt wurden, dies bis zum 11. März nachzuholen, sonst drohen ihnen »strenge Maßnahmen«.
Ehrenvald vertritt die Ansicht, die Wiederbelebung dieses Geistes der Beteiligung würde erhebliche Veränderungen auf beiden Seiten der säkularen und religiösen Kluft erfordern und verweist auf die jüngsten Kontroversen als Beispiele dafür, wie das Vertrauen erodiert ist.
Der Historiker plädiert deshalb für einen entgegenkommenderen Ansatz: »Damit eine signifikante Anzahl von ultraorthodoxen Rekruten in die IDF eintreten kann, müssen wir unseren Ansatz grundlegend ändern. Das bedeutet, separate Einheiten mit einer anderen Organisationskultur für sie aufzubauen, also ohne weibliche Soldaten und mit strengen Vorschriften für Gebete, religiöse Studien und die strikte Einhaltung der jüdischen Speisegesetze. Das ist aber keine unüberwindbare Herausforderung.«
Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)