Seit 2014 über 120.000 Jesiden aus dem Irak ausgewandert

Kharbatoo Lager für Jesiden bei Dohuk
Kharbatoo Lager für Jesiden bei Dohuk (Bild:: Thomas von der Osten-Sacken)

Unzählige Jesiden begeben sich täglich aus Armut und Verzweiflung in die Hände von Menschenschmugglern, in der Hoffnung, den endlosen Krisen ihres Landes zu entkommen.

Wie das Büro für jesidische Angelegenheiten in der Regionalregierung Kurdistans (KRG) unlängst mitteilte, hätten Armut, Instabilität und Arbeitslosigkeit seit dem brutalen Völkermord durch den Islamischen Staat im Jahr 2014 mehr als 120.000 Jesiden dazu getrieben, illegale und gefährliche Wege nach Europa auf sich zu nehmen.

Als von der jesidischen Abwanderung und Emigration besonders betroffenes Beispiel nannten die Behörden die im Norden der Provinz Ninive liegende Region rund um die mehrheitlich jesidische Stadt Sheikhan, wo in den vergangenen Jahren mehr als die Hälfte der Bewohner ihr angestammtes Wohngebiet verlassen hat. »Laut einer Volkszählung im Jahr 2014 gab es 800 registrierte Personen. Jetzt sind es nur noch 390, der Rest ist ins Ausland abgewandert«, so Haytham Hassan, ein Lehrer aus der Gegend. 

Schlechte Zustände, kaum Kompensation

Zahlreiche Menschen, vor allem Jugendliche, aus der gesamten Region Kurdistan und dem Irak begeben sich täglich aus Armut und Verzweiflung in die Hände von Menschenschmugglern in der Hoffnung, den endlosen Krisen im Land zu entkommen, darunter der Mangel an Arbeitsplätzen, politische Instabilität und Korruption.

Der Vorsteher des in der Region Sheikhan liegenden Dorfes Esiyan, Nizar Dawood, sagte gegenüber der kurdischen Nachrichtenagentur Rudaw, er habe mehreren seiner Kinder in der Hoffnung auf ein besseres Leben den Weg ins Ausland ermöglicht. »Meine Brüder leben im Ausland, meine Schwestern leben im Ausland, zwei meiner Söhne leben im Ausland«, so Dawood. Einer seiner Söhne sei krank gewesen und konnte aus Mangel an medizinischer Versorgung im Land nicht behandelt werden, erklärte Dawood und fügte hinzu, er werde einen weiteren Sohn ins Ausland schicken, da es an Arbeitsmöglichkeiten fehle. »Ich plane jetzt, einen weiteren Sohn, der verheiratet ist, ins Ausland zu schicken.«

Hunderttausende Jesiden flohen im Sommer 2014 aus ihrer Heimat, als der Islamische Staat die Kontrolle über ihr Land übernahm. Sie suchten Schutz auf dem Berg Shingal und später in der Region Kurdistan, während eine begrenzte Anzahl von Jesiden in Europa und Nordamerika umgesiedelt wurde. Eigentlich hatte der Irak 2020/21 ein Entschädigungsgesetz für die Jesiden beschlossen, doch dessen Umsetzung läuft nur schleppend, sodass es bislang kaum Kompensationen für die vom Völkermord Betroffenen gibt.

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