Türkei: Regime wütend über neue Erdogan-Karikatur

So sieht sich Erdogan viel lieber in Szene gesetzt, als in einer Karikatur von Charlie Hebdo. (© imago images/ZUMA Wire)
So sieht sich Erdogan viel lieber in Szene gesetzt, als in einer Karikatur von Charlie Hebdo. (© imago images/ZUMA Wire)

Charlie Hebdo veröffentlichte eine Karikatur über den türkischen Präsidenten Erdogan, einen bekannt humorlosen Menschen, der gerade an der Eskalationsschraube dreht.

Deniz Yücel, Welt

Die neue Ausgabe der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo erscheint erst am Mittwoch. Doch seit das Magazin am Dienstagabend die neue Titelseite vorab auf Twitter und Instagram veröffentlichte, liegt die Vermutung nahe: Die Spannungen zwischen den Nato-Partnern Frankreich und Türkei werden sich so schnell nicht lösen. Vielmehr droht dank Charlie Hebdo die nächste Eskalationsstufe.

Deren neue Karikatur zeigt, wie der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan in weißer Unterwäsche auf dem Sofa sitzt und einer geschminkten und verschleierten Frau den Hintern entblößt. Die Frau trägt ein Tablett mit Gläsern, beide Figuren scheinen sich zu amüsieren. „Erdogan: Im Privaten ist er sehr lustig“, steht am Rand. Und in Erdogans Sprechblase: „Ooh! Der Prophet!“

Bereits Anfang Oktober hatte der französische Staatspräsident Emmanuel Macron dem, wie er sagte, „islamistischen Separatismus“, der sich in Frankreich ausbreite, den Kampf angesagt. Nach dem Mord am Lehrer Samuel Paty Mitte Oktober kündigte er eine harte Politik gegen den Islamismus an. Daraufhin warf Erdogan Macron „Islamophobie“ vor und empfahl diesem, sich in psychologische Behandlung zu begeben. Am Montag legte Erdogan nach: „So wie Frankreich dazu aufruft, keine türkischen Produkte zu kaufen, appelliere ich nun an mein Volk: Beachtet französische Marken bloß nicht, kauft sie nicht.“ Tatsächlich hat es weder zuvor noch danach von französischer Seite einen Boykottaufruf gegeben. Den Mord an Samuel Paty hat Erdogan bislang mit keiner Silbe erwähnt. (…)

Die Reaktion von Charlie Hebdo auf den französisch-türkischen Konflikt fällt etwa so aus, wie man es von dem Satiremagazin erwarten konnte: witzig, bis an den Rand der Geschmacklosigkeit derb und auch ein wenig überraschend.

Weniger überraschend hingegen die türkischen Regierungsmedien, die noch am Dienstagabend erste Berichte brachten: Von einem „widerlichen Angriff“ auf Staatspräsidenten Erdogan ist darin die Rede, die Karikatur wird als „niederträchtig“ und „skandalös“ bezeichnet. Die Zeitung Sabah, das Flaggschiff der Regierungspresse, schreibt, dass erst Präsident Macron mit seinen „Angriffen auf den Islam“ die Zeitschrift hierzu ermutigt habe. (…)

Noch am Abend meldete sich Erdogans Kommunikationsdirektor Fahrettin Altun über Twitter zu Wort: „Der faschistische Flügel des Westens und dessen Vertreter unter uns greifen auf unmoralische Weise unseren Staatspräsidenten an“, schrieb er. „Sie glauben, so unseren Staatspräsidenten von seinem Weg abbringen zu können. Aber unser Staatspräsident wird weiter die Stimme des globalen Gewissens sein. Die Türkei wird erstarken, der Faschismus und die Faschisten werden verlieren.“

Vulgärer formulierte es der stellvertretende türkische Kulturminister Serdar Cam: „Sie sind Bastarde“, schrieb er ebenfalls auf Twitter auf Französisch an „Charlie Hebdo“. Und: „Sie sind Hurensöhne.“ (…)

Da Erdogan nicht nur als nachtragender Charakter bekannt ist, sondern auch aus politischem Kalkül der Konflikt eskaliert, würde es nicht verwundern, wenn die türkische Antwort dieses Mal nicht auf diplomatischem Parkett ausfällt. Das französische Außenministerium hat bereits am Montag in der Türkei und anderen islamischen Ländern lebende Staatsbürger zu besonderer Vorsicht aufgerufen.

(Aus dem Bericht „Wegen einer „Charlie Hebdo“-Karikatur droht die nächste Eskalationsstufe“, der von der Welt veröffentlicht wurde.)

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