Der Hauptzweck der Tunnel unterhalb des Philadelphi-Korridors bestand zum Schluss weniger im Waffenschmuggel, als vielmehr darin, den Abschuss von Langstreckenraketen zu erleichtern.
Der Hauptzweck der Tunnel unterhalb des Philadelphi-Korridors für die Hamas bestand nicht im Waffenschmuggel, sondern darin, den Abschuss von Langstreckenraketen zu erleichtern, wie Quellen der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) am Donnerstag bei einem Pressegespräch an der Grenze erklärten. Diese Mitteilung könnte auch erhebliche Auswirkungen auf die anhaltende Debatte in Israel darüber haben, wie wichtig es für die (IDF) ist, den Philadelphi-Korridor zu halten, oder ob er vorübergehend als Teil eines Abkommens für die Rückkehr Dutzender israelischer Geiseln aufgegeben werden kann.
Laut mit der Angelegenheit vertrauen Quellen könnte es Jahre dauern, bis die Hamas ihr grenzüberschreitendes Tunnelnetz wieder aufgebaut hat, was sicherlich nicht während jener Frist der Fall wäre, in der Israel theoretisch das Gebiet während der ersten Phase eines der vorgeschlagenen Geiseldeals verlassen würde. So erklärte Verteidigungsminister Yoav Gallant zum Beispiel, der Verzicht auf das Gebiet sei für einen Zeitraum von 42 Tagen möglich. Danach könnte die Armee jederzeit in den Grenzstreifen zurückkehren, sollte dies nötig sein.
Premierminister Benjamin Netanjahu ist hingegen der Ansicht, Israel wäre angesichts des internationalen Drucks, der ausgeübt würde, politisch nicht mehr in der Lage zurückkehren, auch wenn dies militärisch jederzeit möglich wäre, wie die IDF versichern.
Strategie der Hamas
Was die Nutzung der Tunnel für Langstreckenraketen betrifft, so haben IDF-Quellen angegeben, dass Rafah im Allgemeinen und der Philadelphi-Korridor im Besonderen sich als eines der größten Langstreckenraketenarsenale der Hamas erwiesen haben, welches das Militär im Vergleich zu anderen Teilen des Gazastreifens entdeckt hat.
Die Hamas-Strategie bestand darin, die Langstreckenraketen und ihre Abschussvorrichtungen in der Nähe der Grenze zu Ägypten zu platzieren, um Israel davon abzuhalten, dieses anzugreifen und einen internationalen Zwischenfall mit Kairo zu riskieren, entweder durch versehentliche Treffer ägyptischer Soldaten oder durch bloße Explosionen in der Nähe des Territoriums eines anderen souveränen Staates, so die Quellen. Darüber hinaus würden sich die Raketenteams der Hamas in den großen Tunneln verstecken, die über ihre umfangreichen Platz- und Lagerkapazitäten mit Abschussvorrichtungen und Raketenbeständen verbunden seien.
Diese Raketenteams würden zu ausgewählten Zeitpunkten nur wenige Meter vom ägyptischen Grenzzaun entfernt kurz aus den Tunneln auftauchen, um entweder die Raketen abzufeuern oder Zeitzünder für den Abschuss einzustellen, so IDF-Quellen.
Die israelischen Truppen sind während der großen Konflikte, die seit Israels Abzug aus Gaza im Jahr 2005 geführt wurden (2008/09, 2012, 2014 und 2021) in Rafah nicht einmarschiert, was den Hamas-Raketenteams ein Gefühl absoluter Immunität vermittelte. Da Rafah geografisch am weitesten von jenem Teil Israels entfernt ist, den die Hamas treffen möchte, waren in diesem Gebiet Langstrecken- sinnvoller als Kurzstreckenraketen, die am besten aus dem nördlichen Gazastreifen abgefeuert werden konnten.
Schmuggel unter Mursi
Die größte Anzahl der von der Hamas während des aktuellen Kriegs angehäuften Waffen stammt vermutlich aus dem Schmuggel über den von Ägypten kontrollierten Grenzübergang Rafah, wie IDF-Quellen berichten.
Besonders in der Zeit von 2012 bis 2013, in der der Muslimbruder Mohamed Mursi Präsident Ägyptens war, wurde eine beispiellose Menge an Material über den Grenzübergang Rafah sowie über den zu diesem Zeitpunkt noch voll intakten grenzüberschreitenden Tunnelschmuggel ins Land gebracht. Nachdem die Hamas damals weit mehr Waffen über die Grenze gebracht als Israel angenommen hatte, konnten diese als Reserve für den Fall eines größeren Kriegs dienen.
Zwar habe der Schmuggel angehalten, bis das Militär im Mai die Kontrolle über den Grenzübergang übernahm, doch war der Anteil der in diesem Zeitraum eingeschleusten Waffen wahrscheinlich sehr gering verglichen mit dem, das auf andere Weise in den Gazastreifen gebracht oder dort selbst hergestellt wurde, so die Quellen der IDF. Darüber hinaus hatte die Hamas zu Beginn des aktuellen Kriegs ein umfangreiches internes Waffenentwicklungsprojekt auf industrieller Ebene entwickelt, und zwar weit über das hinaus, was man sich vorgestellt hatte, hieß es vonseiten des israelischen Militärs.