Der staatliche Versuch, die LGBTQ-Organisation „Shams“ verbieten zu lassen, wurde vom Kassationsgericht Tunesiens als unzulässig erklärt.
Amel al-Hilali, Al-Monitor
Zum ersten Mal in Tunesien und der arabischen Welt wurde mit Shams einer Vereinigung zur Verteidigung der Rechte von LGBTQ-Personen Rechtsschutz gewährt. Der tunesische Kassationsgerichtshof fällte am 21. Februar das entsprechende Urteil, nachdem der Staat versucht hatte, die Anfang 2015 gegründete Organisation aufzulösen.
Im Dezember 2015 hatte Kamel Hedhili, der Leiter der staatlichen Prozessabteilung, eine Klage gegen die Organisation eingereicht, was dazu führte, dass das Gericht in erster Instanz die Aktivitäten der Vereinigung ab dem 4. Januar 2016 für 30 Tage ruhend stellte. Hedhili beschuldigte die Organisation, gegen das Dekret für Vereinigungen zu verstoßen (…)
Das Dekret für Vereinigungen von 2011 legt fest, dass Vereinigungen in ihrer Satzung, ihrer Tätigkeit und ihrer Finanzierung die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie, des Pluralismus, der Transparenz, der Gleichheit und der Menschenrechte respektieren müssen. Es verbietet ihnen auch, Gewalt, Hass, Intoleranz und Diskriminierung aus religiösen, sexuellen oder regionalen Gründen zu befürworten oder sich daran zu beteiligen. Laut Hedhili habe Shams gegen das Dekret verstoßen, weil seine Verteidigung der Rechte von Homosexuellen eine auf Sexualität basierende Diskriminierung darstelle. (…)
Am 20. Mai 2019 wies das Berufungsgericht Instanz die Anschuldigungen von Hedhili zurück und entschied, dass Shams seine Tätigkeiten wiederaufnehmen dürfe. Im vergangenen Monat schließlich gab das Kassationsgericht, die letzte Schiedsinstanz im tunesischen Rechtssystem, seine Stellungnahme zur Rechtmäßigkeit von Shams ab. In einem Gespräch mit Al-Monitor bezeichnete Shams-Exekutivdirektor Bouhdid Belhedi das Urteil zugunsten der Vereinigung als „einen Sieg für die individuellen Rechte und Freiheiten und den in der Verfassung des Landes verankerten bürgerlichen Charakter des Staates“.