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Tunesien vor wirtschaftlichem Zusammenbruch?

Der tunesische Präsident Kais Saied ist verärgert über die internationalen Ratingagenturen
Der tunesische Präsident Kais Saied ist verärgert über die internationalen Ratingagenturen (© Imago Images / PanoramiC)

Ratingagenturen stufen Tunesien weiter herab, was zu Schwierigkeiten bei der Kreditbeschaffung führt, der Währungsfonds fordert Reformen in dem ohnehin schon von sozialen und politischen Krisen gebeutelten Land.

Mohamed Ali Ltifi, Al-Monitor

Die Ratingagentur Moody’s hat vor kurzem die Bonität Tunesiens von B3 auf Caa1 herabgestuft und den negativen Ausblick für die Zukunft bestätigt. In einer Erklärung vom 14. Oktober sagte Moody’s, dass der negative Ausblick „die Risiken widerspiegelt, die mit möglichen Verzögerungen bei der Umsetzung von Reformen sowie der davon abhängigen Finanzierung verbunden sind, was zu einem Abschmelzen der Devisenreserven führen würde.“

Weiter heißt es: „Reformen sind notwendig, um die öffentlichen Finanzen Tunesiens wieder ins Gleichgewicht zu bringen und die Schuldentragfähigkeit angesichts der niedrigen Wachstumsprognosen zu gewährleisten.“

Die neue Bewertung erfolgt wenige Tage, nachdem der Internationale Währungsfonds (IWF) am 12. Oktober seinen Weltwirtschaftsausblick veröffentlicht hat, in dem er für Tunesien die Erwartung einer Wachstumsrate von 3% für das gesamte Jahr 2021 und 3,3% für 2022 festhält. Dem IWF-Bericht zufolge belief sich die Auslandsverschuldung Tunesiens im Jahr 2020 auf 41,5 Mrd. Euro, was 135,9 Mrd. Tunesischen Dinar entspricht.

Am 10. Oktober teilte der Vorsitzende des Tunisia-Africa Business Council, Anis Jaziri, in einem Facebook-Posting mit, dass Moody’s am 12. und 13. Oktober zusammenkommen wird, um das neue Rating Tunesiens zu prüfen. Er sagte, die Versuche der tunesischen Zentralbank, die Sitzung auf Februar 2022 zu verschieben, seien gescheitert.

„Die katastrophalen Äußerungen des Präsidenten über die internationalen Rating-Agenturen und die negativen Botschaften, die er aussandte, werden die Agentur veranlassen, Tunesien auf die Risikostufe C herabzustufen“, sagte Naziri. „Viele Menschen haben keine Vorstellung von der Katastrophe, die Tunesien treffen wird, und von den Schwierigkeiten, die unsere Institutionen und Banken haben werden, um Kredite zu bekommen und Rohstoffe zu kaufen.“

Bei einem Treffen mit Innenminister Redha Gharsalawi am 9. Oktober forderte der tunesische Präsident Kais Saied die internationalen Institutionen auf, die Bewertungskriterien der internationalen Ratingagenturen zu überprüfen und sein Land als souveränen Staat zu behandeln.

Reda Shakandali, Wirtschaftsprofessor an der Universität Tunis El Manar, erklärte gegenüber Al-Monitor, dass die von den Rating-Agenturen vergebenen niedrigen Ratings ein negatives Image und einen negativen Einfluss auf internationale Investoren und Geber bei der Vergabe von Krediten und internationaler Hilfe an Tunesien bedeuten. Er rief die Regierung von Najla Bouden dazu auf, die schwierige wirtschaftliche Situation des Landes zu lösen.

Fitch Ratings hatte in einem Bericht vom 7. Oktober bestätigt, dass die Verbesserung der Gewinne der tunesischen Banken in der ersten Hälfte des Jahres 2021 viele drohende Risiken verdeckt. Dem Bericht zufolge könnte die Erholung der tunesischen Banken durch die instabile politische Lage und das Auslaufen der Maßnahmen zur Schuldenerleichterung, die zur Milderung der der Corona- Auswirkungen ergriffen wurden, beeinträchtigt werden. (…)

Am 8. Juli stufte Fitch Ratings Tunesiens angesichts hoher Liquiditätsrisiken auf Status B mit negativem Ausblick herab. Moody’s seinerseits gab im Februar bekannt, dass es die Kreditwürdigkeit Tunesiens angesichts der Wirtschaftskrise im Land von B2 auf B3, ebenfalls mit negativem Ausblick, herabgesetzt hat.

Die tunesische Zentralbank gab am 6. Oktober in einer Erklärung bekannt, dass es einen erheblichen Mangel an externen Finanzmitteln und ein Defizit bei der Haushaltsfinanzierung für das laufende Jahr gebe, was „die Furcht der internationalen Kreditgeber angesichts der Verschlechterung des Länderratings und des Fehlens eines neuen Programms mit dem IWF widerspiegelt.“ (…)

Der Wirtschaftswissenschaftler Mohsen Hassan sagte dem lokalen Radiosender Mosaic am 7. Oktober, die Erklärung der Zentralbank sei „eine klare Botschaft an alle Parteien und an Präsident Saied, dass der Staat angesichts des hohen Finanzierungsbedarfs, des Defizits und der Schwierigkeit, den IWF und den globalen Finanzmarkt zu diesem Zeitpunkt in Anspruch zu nehmen, Gefahr läuft, bankrott zu gehen.“

Der IWF fordert eine Senkung der Löhne und Gehälter im öffentlichen Sektor, eine solche Maßnahme könnte jedoch die Tunesier verärgern, vor allem wenn sie nach der Aufhebung der Subventionen für Lebensmittel, Energie und einige andere soziale Dienstleistungen erfolgt. Diese Aufhebung gehört zu den geplanten Maßnahmen, die im Plan der Regierung genannt werden, den sie dem IWF vorgelegt hat, um ein Darlehen zu erhalten.

(Aus dem Artikel Tunisia’s political crisis forewarns economic collapse, der bei Al-Monitor erschienen ist. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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