Es dauerte deshalb nicht lange, bis sich muslimische Autoritäten zu Wort meldeten. Abbas Schuman, Vizescheich der weithin anerkannten sunnitischen Al-Azhar-Universität in Kairo, bezeichnete den Vorstoß von Essebsi als ‚Widerspruch zu den Gesetzen des islamischen Rechts‘. Das Erbrecht sei im Koran detailliert ausgeführt, die Praxis des Idschtihad, also der selbständigen Rechtsfindung bei unklaren Sachverhalten, sei damit ausgeschlossen. Die Antwort aus Tunesien kam prompt: Essebsi verbat sich die Einmischung der ägyptischen Gelehrten in die Angelegenheiten seines Landes. (…) Nicht nur die Erbrechtsreform sorgte über die Landesgrenzen hinaus für Diskussionen: Muslimischen Tunesierinnen soll es in Zukunft erlaubt sein, Nicht-Muslime zu ehelichen, so ein weiterer Vorstoß von Präsident Essebsi. Das auf dem Koran basierende Eheverbot soll Gelehrten zufolge die Nachkommenschaft der Muslime sichern; da die Kinder die Religion des Vaters übernehmen, würde eine Heirat mit einem Nicht-Muslim den Fortbestand der Religion gefährden, so die Argumentation.“ (Dunja Ramadan: „Tunesien rüttelt an der Scharia“)
