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Tunesien: Steht eine neue Revolution bevor?

Demonstration gegen den tunesischen Präsidenten am Jahrestag der Revolution von 2011
Demonstration gegen den tunesischen Präsidenten am Jahrestag der Revolution von 2011 (© Imago Images / NUR Photo)

Inmitten wirtschaftlichen und politischen Krisen gingen am zwölften Jahrestag der Jasminrevolution, Tausende Menschen auf die Straße, um gegen die Politik von Präsident Kais Saied zu protestieren und seinen Rücktritt zu fordern.

Tausende Tunesier demonstrierten am Samstag, dem 14. Januar im Zentrum der Hauptstadt und prangerten die Politik ihres Präsidenten an. Sie überwanden die Sicherheitsbarrieren, um zur Habib-Bourguiba-Straße zu gelangen, wo sich die meisten Menschen versammelten.

Trotz der starken Polizeipräsenz in der Nähe des Innenministeriums gingen die Proteste ohne größere Zusammenstöße zwischen den Sicherheitskräften und den Demonstranten über die Bühne. Die Demonstranten hielten tunesische Flaggen hoch und trugen Slogans gegen Präsident Kais Saied wie »Geh, geh!« und »Das Volk will den Sturz des Regimes«.

Präsident Saied löste 2021 das Parlament auf und begann, das politische System umzugestalten, was nicht nur im Parlament großen Unmut auslöste. Die niedrige Wahlbeteiligung bei den Wahlen zu einem neuen Legislativrat im vergangenen Dezember offenbarte die tiefe politische Krise.

Die Proteste teilten sich in zwei Blöcke aus: einerseits die »Heilsfront«, dem auch die mit der Muslimbruderschaft verbundene Ennahda-Bewegung angehört; andererseits, die linke Arbeitspartei und verschiedene Gewerkschaften. Der Generalsekretär der Arbeitspartei, Hamma Al-Hammami, sagte während des Aufmarsches, man sei »auf der Straße, um eine Botschaft an Kais Saied zu senden und ihm zu sagen, dass das Volk ihn stürzen wird, so wie es Zine El-Abidine Ben Ali gestürzt hat.« Präsident Ben Ali musste nach der Jasminrevolution im Jahr 2011 von seinem Amt zurücktreten.

Der Generalsekretär der Allgemeinen Tunesischen Gewerkschaft, Noureddine Al-Taboubi, erklärte auf einer Versammlung seiner Organisation, »alle Parteien das Recht haben, ohne Unterdrückung oder Gewalt durch die Sicherheitskräfte und unabhängig von der politischen Ausrichtung zu demonstrieren«. Eine bemerkenswerte Entwicklung reflektierend, fügte der Chef der stärksten und einflussreichsten Gewerkschaftsorganisation Tunesiens hinzu: »Das Datum ist sehr nahe, um Tunesien mit einem klaren und offenen Gesicht zu verteidigen. Alle Gewerkschafter sind aufgerufen, sich auf einen nationalen Kampf zur Rettung Tunesiens vorzubereiten.«

Der stellvertretende Generalsekretär der General Labor Union, Hafeez Hafeez, war sogar noch deutlicher und warnte vor einer »Revolution« des Volkes, das »durch die unpatriotische und unpopuläre Politik der aufeinanderfolgenden Regierungen verarmt« sei. 

Zweite Chance

Kawthar Jalil, Professorin für internationale Beziehungen, kommentierte die Demonstrationen mit den Worten, »ungeachtet der unterschiedlichen Visionen und Positionen« hätten am 14. Januar, dem Jahrestag der Revolution »alle anerkannt, dass dieser Tag außergewöhnlich bleibt. So kamen Tunesier aller Gesellschaftsschichten zusammen und brachten ihren Willen zum Wandel zum Ausdruck. Wir haben jetzt eine zweite Chance, die Revolution wiederherzustellen … also vergeuden wir sie nicht.«

Der Vorsitzende des Journalistenverbandes, Mohamed Yassine Jelassi, sagte, die allgemeine politische Lage im Land verschlechtere sich zusehends und »zusätzlich zu den wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten, den hohen Preisen, dem Mangel an Lebensmitteln und dem Fehlen einer politischen Vision für Tunesien, gibt es auch eine andauernde politische Spaltung, die nur von den Behörden geleugnet wird.« Es gebe keine ernsthafte Interaktion der Politik mit den Menschen im Land und ihren Nöten und Sorgen sowie »kein wirkliches Hören auf die Stimme der Straße, der Organisationen und der Opposition. Diese Realität ist es, die alle Menschen heute dazu veranlasst hat, auf die Straße zu gehen, anders als in den vergangenen Jahren.«

Der immer stärkere Druck auf das tägliche Leben und die politische Spaltung lassen eine neue Revolution im wirtschaftlich schwachen Tunesien befürchten, da grundlegende Güter vom Markt verschwunden sind, ohne dass die Regierung bisher in der Lage gewesen wäre, einen internationalen Rettungsplan zu sichern. 

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