Das Verwaltungsgericht von Tunesien hat einigen Bewerbern die Kandidatur für die Präsidentschaft erlaubt, die zuvor disqualifiziert worden waren.
Die tunesische Justiz hat die für den kommenden Oktober angesetzten Präsidentschaftswahlen wiederbelebt und prominenten Kandidaten die Rückkehr ins Rennen erlaubt, nachdem die Wahlbehörde sie zuvor ausgeschlossen hatte.
Die Oberste Wahlbehörde hatte vor Wochen vierzehn Bewerber wegen »unvollständiger Unterlagen« von den Präsidentschaftswahlen ausgeschlossen. Etlilche der Disqualifizierten beschwerten sich jedoch darüber, beim Ausfüllen der erforderlichen Dokumente behindert worden zu sein, was Beobachter als »Vorspiel zu einem vorab entschiedenen Wahlkampf« ansahen.
Das tunesische Verwaltungsgericht akzeptierte jedoch gestern den Berufungsantrag des ehemaligen Ministers und prominenten politischen Aktivisten Mondher Zenaidi, nachdem auch er von der Wahlbehörde ausgeschlossen worden war. Demnach entschied das Gericht, dass er bei der für den 6. Oktober angesetzten Präsidentschaftswahl antreten darf. Dazu der Sprecher des Gerichts, Faisal Bouguerra: »Das zuständige Verwaltungsgericht hat im Rahmen der zweiten Phase des Rechtsstreits um die Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen entschieden, den von Mondher Zenaidi eingereichten Einspruch in Form und Inhalt anzunehmen und damit die Entscheidung der Wahlbehörde aufzuheben.«
Am Dienstag gab dasselbe Gericht dem Einspruch von Abdellatif Al-Makki, dem ehemaligen Führer der Ennahda-Partei (Muslimbruderschaft), gegen die Ablehnung seiner Kandidatur statt.
Fünf Kandidaten
Vor einigen Wochen hatte die oberste Wahlbehörde die Kandidaturen von Präsident Kais Saied, der eine zweite Amtszeit anstrebt, des Vorsitzenden der arabisch-nationalistischen Partei der Volksbewegung, Zuhair Al-Maghzawi, der das derzeitige Regime unterstützt, und des Geschäftsmanns und ehemaligen Parlamentsabgeordneten Al-Ayachi Zamal zugelassen.
Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts stehen nunmehr fünf Kandidaten zur Verfügung; die endgültige Liste wird von der obersten Wahlbehörde aber erst nächste Woche veröffentlicht. Nach Ansicht von Beobachtern wird sich die Behörde wahrscheinlich nicht gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts stellen.
Zu den Auswirkungen der Entscheidungen des Verwaltungsgerichts auf die Wahlen sagte der Autor Thamer Al-Zaghlami, dass die Anhänger des Regimes von Zine El Abidine Ben Ali (gestürzt durch die Revolution von 2011) und die Islamisten in Tunesien »über eine geschlossene Wählerschaft, eine starke Präsenz in der Bevölkerung und langjährige politische Erfahrung verfügen. Daher wird Kais Saied einflussreichen Persönlichkeiten gegenüberstehen, die in der Lage sind, ihn in freien und fairen Wahlen zu stürzen.«
Präsident Kais Saied erfreue sich zwar noch immer der Beliebtheit eines großen Teils der Tunesier, aber die magere »wirtschaftliche und soziale Bilanz seiner Amtszeit und die Zulassung eines größeren Kreises von Oppositionskandidaten könnten den Ausschlag zugunsten der Konkurrenten des derzeitigen tunesischen Präsidenten geben«.
Möglicher Wendepunkt
Der tunesische Journalist und Forscher Badr Al-Salam Al-Tarabulsi meint, dass »die Rückkehr sowohl von Al-Makki als auch von Zenaidi in das Präsidentschaftsrennen einen wichtigen Wendepunkt darstellt; vor allem, da das allgemeine politische Klima im Land von vielen Beschränkungen für die Kandidaten geprägt ist«.
Beide Kandidaten verfügten über eine große Wählerbasis, vor allem Zenaidi, der als »Vertreter des alten Regimes und von dem, das wir in Tunesien den tiefen Staat nennen«, gilt. Der 73-jährige Zenaidi ist ein ehemaliger Minister, der lange Zeit mit dem verstorbenen Präsidenten Ben Ali zusammengearbeitet hat und derzeit in Paris lebt.
Abdellatif Al-Makki ist dagegen der Kandidat der Opposition und der Ennahda-Bewegung, und auch er hat Al-Tarabulsi zufolge durchaus Chancen: »Wenn die Wahl in eine zweite Runde geht, wird sich die Mehrheit für einen dieser beiden Kandidaten entscheiden.«