Tunesien: Nur Staatsmedien bei Konstitution des Parlaments

Eröffnungssitzung des neuen Parlaments in Tunesien
Eröffnungssitzung des neuen Parlaments in Tunesien (© Imago Images / Xinhua)

Von der Eröffnungssitzung des neuen Parlaments waren unabhängige und ausländische Medienvertreter ausgeschlossen, um mögliche Unruhen zu verhindern, wie es offiziell heißt.

Unabhängige und ausländische Journalisten durften an der ersten Sitzung des neuen tunesischen Parlaments nicht teilnehmen, das vom zunehmend autokratischen Präsidenten weitgehend entmachtet worden war. Das Verbot für Journalisten, das Parlamentsgebäude zu betreten, ist die erste derartige Untersagung seit der Revolution, durch die der verstorbene Diktator Zine al-Abidine Ben Ali im Jahr 2011 gestürzt wurde.

Kais Saied, der 2019 zum Präsidenten gewählt wurde, änderte die Verfassung, um die Macht des Parlaments radikal zu beschneiden, nachdem er 2021 das Parlament suspendiert hatte. Saied verteidigte seinen Schritt damals nicht nur als legal, sondern auch als notwendig, um Tunesien vor dem jahrelangen Parteienproporz und der politischen Krise zu bewahren.

Im Dezember und Januar erlitt die Legitimität des Gremiums einen weiteren Dämpfer, als sich in den beiden Wahlgängen nur elf Prozent an der Wahl der Abgeordneten beteiligten. Die Oppositionskoalition, die den Urnengang boykottiert hatte, erklärte am Montag, sie werde die Versammlung nicht anerkennen.

In den vergangenen Monaten sind die Sicherheitskräfte mit großer Härte gegen Saieds politische Gegner vorgegangen, von denen viele ohne Anklage festgenommen wurden. Zugleich waren Migranten aus dem Subsahara-Afrika einer Gewaltkampagne ausgesetzt, nachdem der Präsident sie in rassistischen Äußerungen beschuldigt hatte, an einem Komplott zur Herbeiführung eines demografischen Wandels in Tunesien beteiligt zu sein.

Nur zwei staatlich kontrollierte Medien durften am Montag über die Eröffnungssitzung des neuen Parlaments berichten. Fatma Mseddi, eine neu gewählte Abgeordnete, sagte, die Entscheidung, den Zugang zu beschränken, sei getroffen worden, um »Unruhen« und die Vermittlung eines »unangemessenen Bildes« zu vermeiden. Vor dem Parlament protestierten Journalisten; die nationale Journalismus-Gewerkschaft SNJT gab eine Erklärung ab, in der sie auf die Parallelen zur Situation vor der Revolution hinwies.

Amira Mohamed, stellvertretende Vorsitzende der SNJT, sagte im unabhängigen, ebenfalls von Repressionen betroffenen Radiosender Mosaïque FM, die Medien seien der Zensur unterworfen und die Gewerkschaft sei zum Kampf gegen das Berichterstattungsverbot bereit.

Internationale Besorgnis

Tunesische Aktivisten sind der Ansicht, dass das neue Parlament, das sich größtenteils aus unabhängigen Abgeordneten zusammensetzt, keine wirksame Kontrolle der Exekutivgewalt darstellen wird, die Saied in seinen Händen konzentriert hat. Saied hingegen beschuldigte die Mitglieder des alten Parlaments und der alten politischen Elite, verantwortlich für die schrumpfende Wirtschaft, die Lebensmittelknappheit und die wachsende Krise bei den Lebenserhaltungskosten zu sein.

Die internationale Besorgnis über die Situation in Tunesien wuchs nach Saieds rassistischer Rede, die einen Ausbruch von Gewalt gegen schwarze Migranten auslöste und mehrere Länder Subsahara-Afrikas veranlasste, ihre geflüchteten Staatsbürger aus Tunesien ausfliegen zu lassen. Saieds Rede wurde als weiterer Versuch des Präsidenten gewertet, die Schuld für die wirtschaftliche Misere des Landes von sich zu weisen und Sündenböcke für die katastrophale Situation zu präsentieren.

Während die Weltbank Anfang März ihr Partnerschaftsabkommen mit Tunesien aussetzte, äußerte sich der Internationale Währungsfonds (IWF), auf dem ein Großteil der finanziellen Hoffnungen des Landes ruht, besorgt. Die Regierungen in Europa haben sich zu Saieds hartem Vorgehen gegen politische Gegner und Migranten ohne Papiere bislang bedeckt gehalten, was Kritiker in Tunesien dazu gebracht hat, die Gewalt gegen Migranten im Land mit der Strategie der EU in Verbindung zu bringen, ihre Grenzkontrollen auf Länder wie Tunesien und Libyen auszuweiten.

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