Tunesien: Islamistischer Abgeordneter schlägt Kollegin im Parlament

Die Vorsitzende der Freien Destur-Partei, Abeer Moussi, im tunesischen Parlament
Die Vorsitzende der Freien Destur-Partei, Abeer Moussi, im tunesischen Parlament (© Imago Images / Yassine Mahjoub)

Der Chef einer der islamischen Ennhada-Bewegung nahestehenden Partei griff eine Abgeordnete körperlich an, die sich gegen ein Abkommen Tunesiens mit Katar aussprach.

Hanen Jebli, Al-Monitor

Am 30. Juni ohrfeigte der unabhängige Parlamentsabgeordnete Sahbi Samara die Vorsitzende des oppositionellen Blocks der Freien Destur-Partei, Abeer Moussi. Der Vorfall ereignete sich während einer Plenarsitzung des Parlaments in Anwesenheit der ersten stellvertretenden Parlamentspräsidentin Samira Chawashi und der Ministerin für Frauen, Familie, Kindheit und Senioren, Iman Hoymel.

Am Abend desselben Tages wurde Moussi auch noch von Seif el-Din Makhlouf körperlich angegriffen, dem Chef der rechten Karama-Koalition, die der islamischen Ennahda-Bewegung nahesteht. Dieser Vorfall wiederum geschah während einer Parlamentssitzung samt Diskussion eines Gesetzesentwurfs zur Genehmigung eines Abkommen, das die Eröffnung eines Büros des Qatar Fund for Development in Tunesien ermöglichen würde.

Die Angriffe auf Moussi erregten den Zorn tunesischer Parteien und Organisationen. Das Büro des Premierministers verurteilte die Vorfälle in einer Erklärung am 30. Juni als Angriff auf Frauen und die Errungenschaften, die sie dank des Kampfes der tunesischen Frauen erreicht haben. Die Erklärung betonte weiterhin die „absolute Ablehnung aller Praktiken, die das demokratische System stören und die Stabilität des Staates und das normale Funktionieren seiner Institutionen beeinträchtigen.“

In einer Erklärung vom 2. Juli drückte Parlamentspräsident Rachid Ghannouchi, der auch Vorsitzender der islamistischen Ennahda-Partei ist, seine Bestürzung über den Angriff aus und verurteilte ihn. Er bezeichnete das Verhalten als unverantwortlichen Akt, der die parlamentarische Institution entehre, die ein Gesetz zur Kriminalisierung aller Formen von Gewalt, insbesondere gegen tunesische Frauen, erlassen hat.

In einer Erklärung vom 1. Juli verurteilte die Nationale Beobachtungsstelle für die Verhinderung von Gewalt gegen Frauen die gewalttätigen Angriffe auf Moussi, die ihre Würde im Parlament vor aller Augen beeinträchtigt hätten, und forderte die Staatsanwaltschaft auf, eine Strafverfolgung der Täter einzuleiten. Die Tunesische Allgemeine Gewerkschaft – die größte Gewerkschaftsorganisation Tunesiens – verurteilte ihrerseits in einer Erklärung vom 30. Juni den Angriff seitens des „Terrorblocks“.

Radhia Jerbi, Präsidentin der Nationalen Union der tunesischen Frauen, erklärte in einem Beitrag auf der Facebook-Seite der Gewerkschaft am 1. Juli, dass das Verhalten der beiden Parlamentsmitglieder gegen Moussi nicht das tunesische Volk repräsentiere, das die Würde der Frauen und ihre Rechte bewahre. Sie forderte, ihre Immunität aufzuheben und sie wegen schwerer Körperverletzung und Beleidigung des Parlaments an die Justiz zu verweisen.

Moussi und ihre Partei hatten am 29. Juni ein Sit-in im Parlament abgahalten, um gegen den Gesetzesentwurf zum Abkommen über die Einrichtung eines Büros für den Qatar Fund for Development in Tunis zu protestieren. Trotz der Opposition verabschiedete das Parlament das Gesetz am späten Abend des 30. Juni.

Am 1. Juli erstattete Ghannouchi Anzeige gegen die Parlamentsmitglieder des Blocks der Freien Destur-Partei wegen Störung der Plenarsitzung am 29. und 30. Juni. Er forderte die Staatsanwaltschaft auf, den Einsatz polizeilicher Gewalt zu genehmigen, um das Sit-in aufzulösen. Moussi und ihre Partei sind entschiedene Gegner der islamischen Strömungen, darunter Ennahda und der tunesische Zweig der Internationalen Union muslimischer Gelehrter.

(Aus dem Artikel Tunisians outraged after female parliamentarian slapped by Islamist colleague”, der bei Al-Monitor erschienen ist. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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