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Türkei empört über Verkauf von Zelten durch Roten Halbmond 

Der Türkische Rote Halbmond verkaufte Zelte an andere Hilfsorganisationen, statt sie selbst zu verteilen
Der Türkische Rote Halbmond verkaufte Zelte an andere Hilfsorganisationen, statt sie selbst zu verteilen (© Imago Images / UPI Photo)

Die anhaltende Wut auf die Regierung hat sich durch Berichte verstärkt, dass die Hilfsorganisation Roter Halbmond Tausende von Zelten verkaufte, anstatt sie an die Opfer zu verteilen.

In Malatya, einer Region im Süden des Landes, die noch immer unter den verheerenden Erdbeben vom 6. Februar leidet, bei denen mehr als 50.000 Menschen ums Leben kamen, kam es vergangene Woche zu einem Nachbeben der Stärke 5,6, das mindestens eine Person tötete und Dutzende Menschen verletzte. 

Zeitgleich erbebt die Region unter einer neuen Welle von Zorn und Wut auf die Regierung, die durch die Nachricht ausgelöst wurde, die Hilfsorganisation Türkische Rote Halbmond (Kizilay) habe Tausende von Zelten an die private Wohltätigkeitsorganisation Ahbab verkauft, anstatt sie auf schnellstem Weg – und selbstverständlich unentgeltlich – den Opfern der ersten Erdbeben zukommen zu lassen. 

Haluk Levent, Popstar und Gründer der Organisation, bestätigte den Ankauf von Zelten im Wert von rund 2,3 Millionen Euro und twitterte: »Während die Menschen erfroren und versuchten zu überleben, hatten wir nicht den Luxus, darüber zu debattieren, ob wir diese Zelte kaufen sollten oder nicht.« Allerdings räumte er ein, Kizilay habe ihm »einen Preisnachlass« gewährt, gleichzeitig aber auch eine Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt.

Nach Angaben des britischen Roten Kreuzes sind über 23 Millionen Menschen in der Türkei und in Syrien direkt von den Erdbeben betroffen. Da noch Tausende unter den Trümmern liegen, könnte sich die Zahl der Todesopfer nach Ansicht einiger Experten verdoppeln. Für die enorm hohe Zahl an Toten werden in erster Linie die lahme Bürokratie, die laxe Durchsetzung der Bauvorschriften und die massive Korruption verantwortlich gemacht. Allein in der Türkei sind über 1,5 Millionen Menschen obdachlos geworden.

Wut auf Regierung

In Istanbul kam es am Wochenende in den Fußballstadien zu wütenden Protestausbrüchen. »Regierung, tritt zurück!«, riefen die Zuschauer. »Zwanzig Jahre voller Lügen!«, skandierten etwa die Fans bei der Partie zwischen Fenerbahce und Konyaspor.

Am Sonntag kam es in Istanbul zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und Mitgliedern der linksgerichteten Türkischen Arbeiterpartei, die gegen den Skandal der Bereicherung an den Notfallzelten protestierten. Mindestens 40 Demonstranten wurden festgenommen, berichtete das unabhängige Online-Nachrichtenportal Diken.

Kerem Kinik, Direktor des Türkischen Roten Halbmond, verteidigte das Vorgehen seiner Organisation und wies darauf hin, die Zelte seien zum Produktionspreis verkauft worden, was den bekannten Kommentator Murat Yetkin zu der zynischen Aussage »Sie hätten wenigstens einen Gewinn draufschlagen sollen, wenn Sie schon dabei sind« verleitete.

Publik gemacht hatte die Transaktion Murat Agirel, Kolumnist der oppositionellen Zeitung Cumhuriyet. »Es wurde aufgedeckt«, schrieb er, »dass der Rote Halbmond, der nach dem Erdbeben, bei dem Zehntausende von Bürgern ums Leben kamen, nicht mehr in der Region zu sehen war, mit seinen Zeltvorräten hausieren ging, während Tausende unter den Trümmern umkamen.«

Der Skandal ist ein weiterer Beweis für das unternehmerische Denken, das die Staatsinstitutionen erfasst hat, seitdem Recep Tayyip Erdogan und seine Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) im Jahr 2002 an die Macht kamen, sagen Kritiker. Nezih Onur Kuru, ein in Istanbul ansässiger Politikwissenschaftler, sagte gegenüber Al-Monitor, Kizilay habe Ahbab »effektiv betrogen. Die AKP vergesellschaftet alles, und Erdogan sieht sich selbst als CEO des Staates«.

Erdogan wiederum bezeichnete Kizilays Kritiker als »Kriecher«, die man ignorieren müsse, gab sich allerdings ungewohnt bescheiden, als er die südöstliche Provinz Adiyaman besuchte, die zu den am schlimmsten betroffenen Gebieten des Bebens zählt. Flankiert von seinem rechtsextremen Verbündeten Devlet Bahceli von der MHP sprach er zu den Betroffenen und entschuldigte sich für das Regierungsversagen. »Aufgrund all der ungünstigen Umstände konnten wir nicht so schnell handeln, wie wir es am ersten Tag hätten tun können«, sagte er und bat darum, ihm dies nicht zum Vorwurf zu machen. Die verspätete Reaktion der Regierung sei auf die ungünstigen Wetterbedingungen und die »verheerenden Auswirkungen« der Erdbeben zurückzuführen, so Erdogan.

Eine kürzlich durchgeführte Umfrage des Meinungsforschungsinstituts IPSOS ergab, dass 84 Prozent der Befragten Bauunternehmer für die große Opferzahl verantwortlich machten, während mit 44 Prozent etwa die Hälfte der Regierung die Schuld gab. 

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