Türkisch-saudische Annäherung: Warum jetzt?

Demonstartion für Jamal Khashoggi vor dem saudischen Konsulat in Istanbul
Demonstartion für Jamal Khashoggi vor dem saudischen Konsulat in Istanbul (© Imago Images / Depo Photos)

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wird am Donnerstag Saudi-Arabien besuchen. Dies ist nach dem jahrelangen Streit über die Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi der letzte Annäherungsschritt zwischen den beiden Ländern.

Zwei türkische Quellen teilten der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag mit, der türkische Präsident wolle am Donnerstag Saudi-Arabien besuchen und sich mit Kronprinz Mohammed bin Salman treffen. Die in Großbritannien ansässige und mit der Muslimbruderschaft verbundene Website Middle East Eye hatte zuvor berichtet, Erdogan werde diese Woche Saudi-Arabien besuchen und sich mit hochrangigen saudischen Beamten, darunter Mohammed bin Salman, treffen.

Zuvor war der Besuch schon um zwei Monate verschoben worden. Erdogan kündigte nämlich bereits im Januar an, dass er im Februar auf Einladung des saudischen Königs Salman bin Abdulaziz in die saudische Hauptstadt reisen würde, was dann jedoch nicht stattfand:

»Ich habe eine Einladung von König Salman bin Abdulaziz zu einem Besuch in Riad erhalten. Während meines Besuchs werden wir viele Fragen im Zusammenhang mit den bilateralen Beziehungen erörtern.«

Hindernis Kashoggi

Die Vorbereitungen für einen Besuch Erdogans im Golfkönigtum standen unter dem Vorbehalt, dass ein wesentliches Hindernis ausgeräumt wird, nämlich der Fall Khashoggi. Dieses Hindernis wurde schließlich am 7. April beseitigt, als ein türkisches Gericht den Prozess gegen die saudischen Verdächtigen aussetzte und den Fall an das saudische Justizsystem verwies.

In den vergangenen drei Jahren hatte Ankara mehrfach Riad verärgert, indem es rechtliche Verfahren im Zusammenhang mit Khashoggis Ermordung in der saudischen Konsualt in Istanbul vorantrieb. In einer früheren Erklärung sagte Erdogan noch, der Befehl zur Tötung des saudischen Journalisten am 2. Oktober 2018 auf türkischem Boden sei von den »höchsten Ebenen« in der saudischen Regierung gekommen.

In den darauffolgenden Jahren versuchte Riad inoffiziell, Ankara wirtschaftlich unter Druck zu setzen. So boykottierte es drei Jahre lang türkische Importe, um die Behörden in Ankara zur Einstellung von Gerichtsverfahren im Fall Khashoggi zu bewegen.

Warum eine Annäherung?

In den letzten zwölf Monaten verlief die saudisch-türkische Annäherung langsam, verglichen mit der Beschleunigung, die die Normalisierung der Beziehungen zwischen der Türkei und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) erlebte, was schließlich zu Erdogans Besuch in Abu Dhabi im vergangenen Februar führte.

In diesem Zusammenhang erklärte eine türkische Quelle gegenüber Middle East Eye, es sei den Saudis nach dem Besuch Erdogans in den VAE und seinem Treffen mit dem Kronprinzen von Abu Dhabi, Mohammed bin Zayed, mit der Wiederherstellung der Beziehungen zur Türkei ernst.

»Wir haben in der Vergangenheit versucht, mit den Saudis Kontakt aufzunehmen, aber sie haben keine Ernsthaftigkeit gezeigt. Nach diesem (Erdogans Besuch in den VAE) haben sie uns angerufen. Die Saudis hatten das Gefühl, dass sie vom Versöhnungsprozess in der Region ausgeschlossen werden. Sie wollen Teil davon sein.«

Der türkische Politikwissenschaftler Muhannad Hafez Oglu sagte gegenüber Al-Hurra, die Akte Khashoggi habe »einen zu lösenden Knoten in der Annäherung der saudisch-türkischen Beziehungen« dargestellt, der Ankara dazu veranlasst habe, »auf die saudische Bitte einzugehen, den Fall Khashoggi abzuschließen«.

Der Direktor des Istanbul Institute of Thought, Bakir Atajan, ist der Ansicht, dass die Schließung des Falls Khashoggi in der Türkei »den Beginn der Beziehungsnormalisierung zwischen Riad und Ankara darstellt«. Mit Blick auf das erwartete Treffen Erdogans mit Mohammed bin Salman sagte Atajan:

»Die umstrittenen Fragen wurden in der Vergangenheit nicht vollständig gelöst, aber jetzt stehen wir vor einem Neuanfang in den Beziehungen zwischen den beiden Ländern.«

Eyup Ersoy, Akademiker an der Ahi Ifrane Universität in der Türkei, führte die türkisch-saudische Annäherung vor allem auf wirtschaftliche Gründe zurück und wies darauf hin, dass die wirtschaftliche Unterstützung Erdogans durch die Saudis notwendig und eine Rettung für die Türkei und deren Präsidenten selbst sein könnte, was diesem wichtiger sei als ein getöteter saudischer Journalist.

»Saudische Investitionen und Gelder können nützlich sein, um im Vorfeld der türkischen Präsidentschaftswahlen im Jahr 2023 einige grundlegende Güter finanziell zu stützen.«

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