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Türkisch-emiratische Annäherung. Wird die Muslimbruderschaft den Preis dafür zahlen?

Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu
Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu (© Imago Images / Xinhua)

Während Erdogan sich den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten annähert, berichten arabische Medien über türkisches Vorgehen gegen die Muslimbruderschaft im Land.

Mitte August empfing der türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan überraschenden Besuch einer Delegation der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) unter der Leitung des Nationalen Sicherheitsberaters Tahnoun bin Zayed Al Nahyan, der eine Entspannung der jahrelang schlechten Beziehungen zwischen den beiden Ländern signalisierte.

Einer emiratischen Erklärung zufolge erörterten beide Seiten während des Treffens in Ankara Möglichkeiten zur „Stärkung der bilateralen Beziehungen“ zwischen ihren Ländern, wobei besonderes Augenmerk auf „wirtschaftliche und kommerzielle Zusammenarbeit und Investitionsmöglichkeiten in den Bereichen Verkehr, Gesundheit und Energie“ gelegt worden sei.

Erdogan und Tahnoun, so heißt es abschließend, hätten „mehrere regionale Themen von gemeinsamem Interesse“ erörtert. Darüber hinaus berichtete die türkische Anadolu Agency Anfang des Monats, dass Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu telefonisch mit seinem emiratischen Amtskollegen Abdullah bin Zayed Al Nahyan die bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Ländern besprochen habe.

Çavuşoğlus Anruf erfolgte einen Tag nach einem Telefongespräch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mit dem Kronprinzen von Abu Dhabi, Scheich Mohammed bin Zayed, in dem sie die bilateralen Beziehungen und regionale Fragen erörtert hatten.

All diese Schritte spiegeln die beschleunigten Bemühungen um eine politische Annäherung zwischen Ankara und Abu Dhabi wider. Diese Annäherung erfolgt nach Jahren angespannter Beziehungen und fällt mit der Wiederaufnahme der bilateralen Gespräche zwischen Ägypten und der Türkei zusammenfällt, die ebenfalls eine Annäherung zwischen den beiden Ländern zum Ziel haben.

Vor einigen Tagen gab das türkische Außenministerium bekannt, dass die zweite Runde der politischen Konsultationen zwischen der Türkei und Ägypten am 7. und 8. September in Ankara stattfinden wird.

Die Beziehungen zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten einerseits und der Türkei andererseits haben in den letzten Jahren eine schwierige Phase durchlaufen, da jede der beiden Seiten im Libyen-Konflikt einen anderen Block unterstützte und auch in anderen regionalen Fragen unterschiedliche Positionen vertrat – so in der Frage der Muslimbruderschaft, der Abu Dhabi und Kairo ablehnend gegenüberstehen.

Warum jetzt dieser Schritt?

Laut der Website des amerikanischen Senders Al-Hurra versucht die Türkei mit einer Gruppe regionaler Rivalen, darunter Ägypten und die VAE, zu verhandeln, um die zunehmende diplomatische Isolation Ankaras zu beenden und ausländische Investoren zur Unterstützung der schwachen türkischen Wirtschaft anzuziehen.

Ali Bekir, ein den Entscheidungskreisen in Ankara nahestehender Politikwissenschaftler, schrieb kürzlich in einem Artikel: „Am effektivsten waren die Geheimdienstkanäle bei der Aufnahme von Sondierungsgesprächen mit anderen Ländern wie Ägypten und Israel, in der Hoffnung, eine gemeinsame Basis zu finden.“

Auch mit den Vereinigten Arabischen Emiraten sei Kommunikation über Geheimdienstkanäle verlaufen schrieb Bekir und er hinzu: „Der Wahl von US-Präsident Joe Biden und die Versöhnung am Golf im vergangenen Januar haben zu neuen Realitäten im Nahen Osten geführt. Infolgedessen haben Ägypten und die VAE auf der einen Seite und Katar und die Türkei auf der anderen Seite Annäherungsversuche auf verschiedenen Ebenen unternommen.“

„In der Post-Corona-Ära“, so Bekir weiter werden die Wirtschaftskanal wieder wichtiger werden und „geeignet sein, die Wogen weiter zu glätten. Daher hat die Türkei ein großes Interesse daran, ihre Wirtschafts- und Investitionsbeziehungen mit den Emiraten zu stärken.“

In der Tat betonte Erdogan die Bedeutung der Wirtschaft in den Annäherungsverhandlungen mit den VAE, als er vor Wochen in einer Presseerklärung sagte, Abu Dhabi werde bald bedeutende Investitionen in der Türkei tätigen,

In diesem Zusammenhang schrieb die Londoner Zeitung Al-Rai vor einigen Tagen in einem Leitartikel: „Die Wirtschaftsdiplomatie ist für die VAE und die Türkei wichtiger geworden als die politische Diplomatie, was auch erklärt, warum sich der Handelsaustausch zwischen ihnen im vergangenen Jahr trotz politischer Differenzen auf 6,8 Milliarden Euro belief.“

Wird Muslimbruderschaft den Preis dafür zahlen?

Darüber hinaus wurden im Zusammenhang mit den Annäherungsverhandlungen mit Ägypten und den VAE Nachrichten über Beschränkungen der Türkei gegen in der Türkei lebende Führer der Muslimbruderschaft bekannt.

So berichtete Al-Arabiya TV vor einigen Tagen berichtete, dass Ankara Alaa Al-Samahi und Yahya Moussa, die beschuldigt werden, 2015 den ägyptischen Generalstaatsanwalt Hisham Barakat getötet zu haben, an der Ausreise aus der Türkei gehindert hat. Al-Arabiya fügte hinzu, dass die Muslimbruderschaft vor einer Woche einige ihrer Zentren in der Türkei geschlossen und einige ihrer Hauptquartiere in Istanbul auf Ersuchen der türkischen Regierung geräumt habe.

Arabischen Presseberichten zufolge verkauften außerdem mehrere Führer der Muslimbruderschaft ihre Immobilien in der Türkei und begannen mit der Ausreise nach Großbritannien, Kanada, Malaysia und Indonesien.

All diese Maßnahmen werfen Fragen über die künftige Unterstützung der Muslimbruderschaft durch die Türkei auf. Der ehemalige Funktionär der Muslimbruderschaft und jetzige Dissident und Experte für politischen Islam, Tariq Abu Al-Saad, erklärte gegenüber Mena-Watch:

„Man kann natürlich nicht sicher sein, dass die Türkei die Muslimbruderschaft vollständig aufgegeben hat. Aber ich bin sicher, dass die Türkei nicht mehr die gleiche Rolle spielen wird, die sie in den letzten zehn Jahren bei der Unterstützung der Muslimbruderschaft gespielt hat.“

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