Latest News

Türkei will militärische Präsenz in Syrien ausbauen

Laut einem aktuellen Papier plant Erdogan eine dauerhafte Militärpräsenz der Türkei in Syrien
Laut einem aktuellen Papier plant Erdogan eine dauerhafte Militärpräsenz der Türkei in Syrien (© Imago Images / Klaus Martin Höfer)

Laut einem aktuellen Strategiepapier beabsichtigt die Türkei, ihre militärische Präsenz in Syrien dauerhaft auszubauen – angeblich, um die Terrororganisation Islamischer Staat zu bekämpfen.

Yaakov Lappin

Ein kürzlich publizierter türkischer Medienbericht, in dem ehrgeizige Pläne Ankaras zur Errichtung von Militärstützpunkten für seine Land-, See- und Luftstreitkräfte in ganz Syrien dargelegt werden, hat in Israel neue Besorgnis hinsichtlich der langfristigen strategischen Absichten der Türkei, der möglichen Auswirkungen auf die operative Freiheit Israels und die regionale Stabilität ausgelöst.

Der Bericht, der sich auf türkische Sicherheitsquellen beruft und am 25. Mai vom türkischen Nachrichtenportal OdaTV veröffentlicht wurde, deutet auf die Absicht der Türkei hin, ihre militärische Präsenz in ihrem südlichen Nachbarland erheblich und dauerhaft auszubauen, angeblich, um die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) zu bekämpfen:

»Sicherheitskreise bekräftigten die Hilfestellung der Türkei beim Aufbau der Sicherheits- und Militärstrukturen der neuen Regierung in Syrien und verwiesen darauf, dass die türkischen Streitkräfte in Syrien einen Luft-, Land- und Seestützpunkt für den Kampf gegen den IS errichten würden. Der aus fünf Parteien [die Türkei und regionale Länder, Anm.] bestehende Mechanismus wurde zur Bekämpfung des IS gebildet und wird von Zeit zu Zeit zusammentreffen, damit alle möglichen Beiträge zur Gewährleistung der Sicherheit und Stabilität Syriens geleistet werden.«

Neue Entwicklung

Der Türkei-Experte und Wissenschafter am Moshe Dayan Center for Middle Eastern and African Studies der Universität Tel Aviv Hay Eytan Cohen Yanarocak machte darauf aufmerksam, dass OdaTV ein in der Türkei sehr bekanntes Medium sei, das manchmal zur Verbreitung von »Informationen aus höchsten Kreisen« genutzt werde.

Am Montag erklärte Yanarocak, der Bericht deute darauf hin, dass »die Türkei bald Militärstützpunkte für die Armee, die Marine und die Luftwaffe errichten wird«. Wo genau, bleibe unklar, denn »dort heißt es nicht Süd-Syrien, es heißt nicht Nord-Syrien, es heißt Syrien«. Dies sei eine »völlig neue« Entwicklung, bestätigte der Experte und fügte hinzu, dass die Gespräche zwischen israelischen und türkischen Vertretern in Aserbaidschan, die auf die Einrichtung von Konfliktvermeidungsmechanismen abzielen, über die Installation einer Kommunikationslinie hinaus erfolglos waren. »Mein Eindruck ist, dass keine Einigung darüber erzielt wurde, wer wo operieren wird.«

Yanarocak äußerte sich besorgt, die Türkei könnte versuchen, vor Ort eine neue Realität zu schaffen. »Soweit ich weiß, wollen die Türken hier jetzt vollendete Tatsachen schaffen. Und offenbar sind sie dabei, die Reaktion Israels abzuwägen.« Dieser Schritt könnte den jüngsten Optimismus hinsichtlich eines Konfliktvermeidungsmechanismus zunichte machen. Yanarocak räumte zwar ein, dass nun ein Kommunikationskanal »zur offiziellen Übermittlung von Botschaften« bestehe, gab jedoch zu bedenken, dass sowohl die Türkei als auch Israel weiterhin ihre eigenen Agenden verfolgen: »Abgesehen von einer Telefonleitung, über die wir miteinander sprechen können, wurde nichts Wesentliches erreicht.«

Der Türkei-Experte zeigte sich vorsichtig optimistisch hinsichtlich der Kommunikation zwischen Jerusalem und Ankara, solange es keine nennenswerten offiziellen Spannungen zwischen den beiden Militärs gebe, was Israel aber »nicht blauäugig machen sollte«. Die türkische Rechtfertigung, die IS-Präsenz in Syrien bekämpfen zu wollen, wies Yanarocak als »Feigenblatt« zurück. »Alles, was die Türkei tut, wird sie mit dem Kampf gegen den IS begründen, um Legitimität zu erlangen und Kritiker zum Schweigen zu bringen. Sie wollen ganz Syrien kontrollieren.«

Gunst der Stunde

Für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sei das derzeitige geopolitische Klima günstig, da US-Präsident Donald Trump ihm zur Seite stehe und die Sanktionen gegen das neue, von der Türkei unterstützte syrische Regime aufheben werde. »Schauen wir uns außerdem die Lage im Gazastreifen an. Hier gibt es diplomatische Spannungen mit Israel. Alle europäischen Länder stellen sich gegen uns. Erdogan nutzt diese Situation und sagt: ›Ich will Syrien wieder aufbauen.‹ Er nutzt also die Erzählung, dass Israel angeblich einen zerstörerischen Krieg führt, während er ein Bild von der Türkei als Erbauer Syriens zeichnet. Er nutzt derzeit die Wut der Europäer.«

Der Türkei-Forscher fügte hinzu, dass die europäischen Länder auch eine Rückführung der syrischen Flüchtlinge in ihr Heimatland wünschen, wofür ein wiederaufgebautes und stabiles Syrien erforderlich ist, sodass ihre Interessen mit der türkischen »Erzählung vom Wiederaufbau« übereinstimmen, was die europäische Kritik an den Maßnahmen Ankaras weiter abschwächen könnte.

Letzte Woche berichteten internationale Medien, Israel und die Türkei hätten mithilfe aserbaidschanischer Vermittler in Baku im Zuge der seit April geführten Verhandlungen eine ständige Kommunikationslinie eingerichtet, um Reibungen in Syrien zu vermeiden.

Der Vizerektor der Universität Tel Aviv und Lehrstuhlinhaber für Zeitgenössische Geschichte des Nahen Ostens, Eyal Zisser, meinte, die türkischen Pläne stünden möglicherweise in keinem grundlegenden Widerspruch zu bestehenden, wenn auch stillschweigenden Vereinbarungen mit Israel: »Ich glaube nicht, dass hier wirklich ein Widerspruch besteht, denn die Vereinbarungen sehen eine gewisse Aufteilung Syriens vor, bei der Israel südlich von Damaskus absolute Freiheit behält und die Türkei dorthin nicht vordringt.«

Bezogen auf andere Teile Syriens wurde laut Zisser ähnlich wie bei der Vereinbarung mit Russland während der Assad-Zeit »wahrscheinlich auch mit den Türken eine Hotline eingerichtet, die Flüge regelt und Kollisionen verhindert«. Er bezweifelte auch, dass das syrische Regime unter seinem neuen Führer Ahmed al-Sharaa gegen die Interessen Israels handeln werde. »Nach allem, was geschehen ist und gesagt wurde, glaube ich nicht, dass al-Sharaa sich gegen Israel stellen wird. Das würde seinen Zusagen gegenüber den Amerikanern widersprechen und seinen Interessen an guten Beziehungen zu Israel zuwiderlaufen.« Schließlich gebe es Vereinbarungen und er gehe davon aus, »dass beide Seiten sich an diese  halten werden«.

Yaakov Lappin ist Korrespondent und Analyst für militärische Angelegenheiten in Israel, hausinterner Analyst am MirYam-Institut, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Alma-Forschungs- und Bildungszentrum und am Begin-Sadat-Zentrum für strategische Studien an der Bar-Ilan-Universität sowie Autor von Virtual Caliphate – Exposing the Islamist State on the Internet. (Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir reden Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!