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Türkei versucht, Missbrauchsfälle in Koranschulen herunterzuspielen

Türkei versucht, Missbrauchsfälle in Koranschulen herunterzuspielen
Quelle: Needpix

„‚Gipfel der Ignoranz‘ – mit dieser Schlagzeile überschrieb die oppositionelle türkische Tageszeitung ‚Cumhuriyet‘ Anfang September einen Bericht über den jahrelangen sexuellen Missbrauch von Kindern bei einer Islam-Sekte, der seither das Land erschüttert.

Mehr als ein Dutzend Minderjährige seien mutmaßlich von Hodschas (Koranlehrern) einer Religionsschule in Istanbul sexuell missbraucht und vergewaltigt worden, heißt es in dem Bericht. (…) Der Fall löste einen Empörungssturm in den sozialen Medien des Landes aus und hebt eine überfällige Debatte wieder auf die Tagesordnung. Sexueller Missbrauch von Kindern in religiösen Einrichtungen wie Koranschulen oder Kinderwohnheimen ist eines der größten Tabus der Türkei. Sobald eine einschlägige Affäre bekannt wird, sprechen Vertreter der Regierung oder der staatlichen Religionsbehörde Diyanet von ‚Einzelfällen‘ und ‚Perversen‘. (…)

Die Regierung versucht, die Skandale regelmäßig unter den Teppich zu kehren. Als handele es sich um Staatsgeheimnisse, verhängt Ankara bei Missbrauchsfällen im Zusammenhang mit Imamen und Hodschas offizielle Nachrichtensperren. Einen Zusammenhang zwischen den sexuellen Übergriffen und der frömmlerischen Regierungspolitik Erdogans vermutet denn auch Burak Copur, Politikwissenschaftler und Türkei-Experte an der privaten Hochschule IUBH Dortmund. ‚Die steigenden Missbrauchsfälle in den islamischen Sekten und Ordensgemeinschaften hängen auch mit einer zunehmenden Politisierung des Islams durch die AKP zusammen‘, sagt Copur. ‚Der Staat setzt ganz klar auf eine Islamisierung der Gesellschaft.‘

Tatsächlich hat Erdogan mehr als einmal erklärt, er wolle eine ‚fromme Generation‘ heranziehen. In der AKP-Ära ist die Anzahl islamisch orientierter Bildungseinrichtungen wie der staatlichen Imam-Hatip-Schulen dramatisch angewachsen. Auch staatliche Korankurse haben sich nach offiziellen Angaben des Diyanet-Präsidiums seit Beginn der AKP-Ära von 3400 auf 17.000 vervierfacht. (…) ‚Parallel zu den staatlichen wurden eine Vielzahl nicht registrierter, also illegaler Korankurse durch islamische Sekten gegründet. Diese sind zwar verboten, werden aber vom Erdogan-Regime stillschweigend geduldet. Höchst problematisch ist dabei, dass diese illegalen Korankurse durch die Religionsbehörde Diyanet weder kontrolliert noch sanktioniert werden. Denn seit einer Gesetzesänderung der AKP von 2012 sind für illegale Korankurse keine Strafen mehr vorgesehen.‘“ (Frank Nordhausen, Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Missbrauchsfälle in Koranschulen erschüttern die Türkei“)

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