Erdogan will den Verteidigungsplan für die NATO-Ostflanke solange blockieren, bis die NATO die kurdischen Verbündeten der USA in Syrien zu Terroristen erklärt.
Andreas Ernst, Neue Zürcher Zeitung
Ankara hat bestritten, am Nato-Gipfel vergangene Woche in London vollständig nachgegeben zu haben. Außenminister Mevlüt Cavusoglu erklärte vor italienischen Medien am Wochenende, die Türkei werde weitere Exemplare des russischen S-400-Luftabwehrsystems beschaffen. Man sei auch gegen die Veröffentlichung eines neuen Plans zur Verteidigung der Nato-Ostflanke, bis das Bündnis anerkenne, dass es sich bei der syrisch-kurdischen Miliz YPG und der türkisch-kurdischen Guerilla PKK um Terrororganisationen handle.
Die Äußerungen zeigen klar, dass die Türkei den Kollisionskurs innerhalb des Bündnisses fortsetzt. Nato-Generalsekretär Stoltenberg hatte nach dem Gipfel so geklungen, als seien die Differenzen mit der Türkei ausgeräumt. Zu diesem Zweck hatte er Besprechungen zwischen den Balten, den Polen und den Türken anberaumt. Danach gingen die Osteuropäer und wohl auch Stoltenberg davon aus, die Türkei sei wieder auf Linie. Dem ist nicht so. (…)
Erdogan hat sein Einverständnis zur Verabschiedung der Verteidigungsplanung der Nato-Ostflanke entweder nie gegeben oder dann wieder zurückgezogen. Sein Außenminister sagte nur, dass die Türkei dem nächsten Schritt im Planungsprozess zugestimmt habe. Aber solange die türkischen Verteidigungspläne im Rahmen der Nato nicht akzeptiert würden, welche der Bedrohung durch die Kurdenmiliz Rechnung trügen, blockiere Ankara die endgültige Verabschiedung der Dokumente zur Verteidigung des Baltikums und Polens. Natürlich sei er nicht gegen diese Länder, fügte Cavusoglu bei, aber es sei die Aufgabe der Nato, alle Alliierten, also auch sein Land, zu schützen.
Die Nato war von Erdogans Ultimatum, das er unmittelbar vor dem Gipfel gestellt hatte, überrascht worden. Zuerst schien es, als ginge es den Türken ausschließlich um die Klassifizierung der Kurdenmilizen als terroristische Organisationen. Doch dann legte Ankara auch die Verteidigungspläne zur Disposition. Ihr Status ist normalerweise Verschlusssache und wird nicht öffentlich diskutiert.