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Rückenwind für die Opposition beim Wahlkampf in der Türkei

Kemal Kılıçdaroğlu, Spitzenkandidat der Opposition im Präsidentschaftswahlkampf in der Türkei. (© imago images/Depo Photos)
Kemal Kılıçdaroğlu, Spitzenkandidat der Opposition im Präsidentschaftswahlkampf in der Türkei. (© imago images/Depo Photos)

Meinungsumfragen in der Türkei sehen den Oppositionskandidaten Kemal Kılıçdaroğlu bis zu 13 Prozentpunkte vor Präsident Erdoğan.

Die Türkei nähert sich mit großen Schritten dem 14. Mai, dem Datum der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in dem Land, das immer noch unter dem Schock des verheerenden Erdbebens vom letzten Februar Jahres steht. Zehntausende Menschen kamen bei den massiven Erdstößen ums Leben.

Am 26. März genehmigte die Oberste Wahlbehörde der Türkei die Nominierungsanträge von Präsident Recep Tayyip Erdoğan und dem Vorsitzenden der oppositionellen Republikanischen Volkspartei, Kemal Kılıçdaroğlu, für die am 14. Mai anstehende Präsidentschaftswahl.

Die Behörde gab bekannt, die von den politischen Parteien bis zum 23. März eingereichten Nominierungsanträge nach den Vorgaben des für die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen festgelegten Zeitplans geprüft zu haben. Der Ausschuss bestätigte, dass die Unterlagen von Erdoğan und Kılıçdaroğlu vollständig seien.

Insgesamt hat die Wahlbehörde die Unterlagen von dreizehn Kandidaten für das Präsidentenamt angenommen. Die meisten von ihnen müssen nun 100.000 Unterschriften aus der Bevölkerung sammeln, damit ihre Namen letztlich wirklich auf den Wahlzetteln zu finden sein werden. Erdoğan und Kılıçdaroğlu müssen dies als Kandidaten von im Parlament vertretenen Parteien nicht tun.

Kılıçdaroğlu, der Kandidat der sechs Parteien umfassenden Oppositionskoalition, erhielt vor einigen Tagen starken Auftrieb, nachdem er implizit von der die Kurden vertretenden Demokratischen Volkspartei (HDP) unterstützt wurde, die beschlossen hatte, keinen eigenen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl aufzustellen.

Beobachter, die mit der amerikanischen Website Al-Hurra TV sprachen, glauben jedenfalls, dass der von der pro-kurdischen HDP angekündigte Schritt bedeutet, dass sie »stillschweigend den Oppositionskandidaten Kılıçdaroğlu unterstützen wird«. Damit könnte sich das Szenario der Kommunalwahl 2019 wiederholen, als Stimmen von HDP-Wählern den Ausschlag für den Sieg der Opposition in Ankara und Istanbul gaben, nachdem die kurdische Partei ihre Kandidaten in diesen Gemeinden zurückgezogen hatte.

Die Führung der HDP traf am vergangenen Montag mit Kılıçdaroğlu zusammen, und besprach laut türkischen Medien mit ihm Themen wie »die Lösung des Kurdenproblems, die Ernennung von kommunalen Vertretern und politische Verhaftungen«. Die Ansichten der kurdischen Partei und von Kılıçdaroğlu sollen in vielen Fragen übereinstimmen, die für die HDP seit geraumer Zeit von großer Bedeutung seien.

HDP-Anhänger können den Ausschlag geben

Mahmoud Alloush, ein Experte für politische Angelegenheiten in der Türkei, sagte: »Die stillschweigende Unterstützung Kılıçdaroğlus durch die HDP wird die Dynamik des Wahlkampfes zugunsten der Opposition verschieben und den Druck auf Erdoğan erhöhen. Dessen Schwierigkeiten, die Wahl zu gewinnen, sind noch größer geworden.«

Die HDP kann bis zu zehn Prozent an Stimmen mobilisieren, Kılıçdaroğlu lag in Meinungsumfragen bereits vor der Bekanntgabe der HDP-Entscheidung vor dem Präsidenten in Führung. Laut einer am Samstag veröffentlichten Umfrage würde der Oppositionskandidat die erste Runde der Präsidentschaftswahl mit 56,8 zu 43,2 Prozent gegen Erdoğan gewinnen.

Eine andere wichtige Umfrage, die am vergangenen Sonntag veröffentlicht wurde, zeigte zudem die Unzufriedenheit der Türken mit der Leistung der Regierung Erdoğans. Der Erhebung zufolge lehnten 70 Prozent der Befragten den Stil des Präsidenten und dessen Angriffe auf seine Gegner ab, wobei sie Begriffe wie »schamlos«, »Aggressor« oder »Verräter« verwendeten. Außerdem glaubten 55 Prozent, dass Erdoğan die Probleme der Türkei nicht lösen könne, und 43 Prozent waren der Meinung, die Regierung habe bei der Bewältigung der Erdbebenkatastrophe im Februar versagt.

Trotz des starken Auftriebs, den der Oppositionskandidat für das Präsidentenamt genießt, insbesondere nach der Bekanntgabe der Position der Demokratischen Volkspartei, ist der für Al-Jazeera arbeitende Mahmoud Alloush der Ansicht, dass Erdogan immer noch die meiste Erfahrung mit Wahlkampagnen hat und am besten in der Lage ist, die Wähler zu mobilisieren.

Kılıçdaroğlu, der Kandidat der breitesten Oppositionskoalition seit Erdogans Machtübernahme im Jahr 2003, habe die Chance, den derzeitigen türkischen Präsidenten von der Macht zu verdrängen. Dazu müsse er aber in den verbleibenden 45 Tagen einen Wahlkampf ohne größere Fehler führen.

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