Während das Jahr 2019 bereits einen Rekordwert an Frauenmorden erreichte, wird für 2020 wegen des Corona-Lockdowns mit noch höheren Zahlen gerechnet.
Bethan Mackernon, Guardian
Femizide, Gewalt gegen Frauen und sogenannte „Ehrenmorde“ sind in der Türkei tief verwurzelte Probleme. Letzte Woche wurde das Land durch den brutalen Mord an Pınar Gültekin erschüttert, einer 27-jährigen Studentin die angeblich von ihrem Ex-Freund getötet wurde.
Türkische Feministinnen sind zutiefst besorgt über die neuen Bemühungen der Regierungspartei von Präsident Recep Tayyip Erdoğan, einen Vertrag des Europarates aufzuheben, der als Konvention von Istanbul bekannt ist, ein bahnbrechendes Gesetz aus dem Jahr 2011, das Opfer häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt schützt und Täter wirksam verfolgt.
Protestmärsche in vier türkischen Städten in der vergangenen Woche, auf denen der Tod Gültekins betrauert und türkische Politiker zur Einhaltung der Istanbuler Konvention aufgerufen wurden, wurden von Hunderttausenden Social-Media-Beiträgen begleitet. Eine Initiative bestand aus der Veröffentlichung von Schwarzweißfotos auf Instagram, um zu zeigen, wie Bilder ermordeter Frauen in schwarzweiß auf den Seiten der Zeitungen landen.
Die Idee mit den Schwarzweißfotos geht auf eine Kampagne von 2016 zurück, mit der das Bewusstsein für Krebs geschärft werden sollte, und wurde nun zweckentfremdet. Aufrufe, die Bilder der Ermordeten weiterzuleiten und mit Hashtags wie #challengeaccepted und #İstanbulSözleşmesiYaşatır oder #EnforceTheIstanbulConvention zu versehen, fanden in der Türkei schnell zahlreiche Nachahmerinnen. (…)
Gültekin ist eine von 120 Frauen, die in diesem Jahr bisher in der Türkei getötet wurden, meist von Partnern und Verwandten. Im Jahr 2019 wurden insgesamt 474 Frauen getötet, der größte Wert n einem Jahrzehnt, in dem die Zahlen von Jahr zu Jahr gestiegen sind. Die Zahlen für das Jahr 2020 werden wegen des Corona-Lockdowns voraussichtlich noch höher liegen.
Trotz der Tatsache, dass die Türkei unter 34 OECD-Ländern die höchste Femizidrate aufweist, haben konservative Kräfte wiederholt den Austritt des Landes aus der Istanbuler Konvention beantragt mit der Begründung, dass diese die Scheidung und „unmoralische Lebensweisen“ fördere.
Der Text „Challenge accepted: Turkish feminists spell out real meaning of hashtag“ von Bethan MacKernan ist zuerst im Guardian erschienen. Übersetzung von Alexander Gruber.