Erdogan hofft auf Rüstungsverträge mit Großbritannien und erklärte, dass der in den Wahlen bestätigte Premierminister „ein bisschen türkisch“ sei
John Lubbock, Ahval
Der überzeugende Sieg von Boris Johnson bei den britischen Parlamentswahlen wurde von den Finanzmärkten gut aufgenommen. Das Pfund und die Aktien stiegen als Reaktion auf die erhöhte politische Gewissheit, die ein endgültiger Sieg der Tories bringen könnte. Das freundliche Umfeld, das eine konservative Mehrheitsregierung für die Wirtschaft schaffen könnte, wird wahrscheinlich auch eine willkommene Nachricht für den Handel zwischen der Türkei und Großbritannien sein, insbesondere in Bereichen wie der Verteidigung, in denen politische Erwägungen im Spiel sind.
Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu sagte dem türkischen Sender A Haber am 11. Dezember, dass Johnson und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan kürzlich über die Beschleunigung der Arbeiten am gemeinsamen Kampfjet-Projekt TF-X gesprochen hätten. Eine intensivere Beteiligung des Vereinigten Königreichs an türkischen Rüstungsverträgen könnte auch bedeuten, dass das Vereinigte Königreich die außenpolitischen Ziele der Türkei in der Region verstärkt unterstützt. Erdoğan selbst begrüßte die Nachricht von Johnsons Sieg und erklärte, dass „Boris Johnson ein bisschen türkisch ist“.
Wenn das Vereinigte Königreich am 31. Januar 2020 wie erwartet offiziell aus der Europäischen Union austritt, werden die Handelsgespräche zwischen dem Vereinigten Königreich und der Türkei sofort beginnen und GB hofft darauf so schnell wie möglich so viele Handelsabkommen wie möglich abzuschließen. Laut den EU-Vorschriften darf das Vereinigte Königreich nicht mit anderen Ländern über separate Freihandelsabkommen diskutieren, solange es noch Mitglied ist.
Die positive Haltung der türkischen Regierung gegenüber Johnson ist durchaus zu spüren, obwohl der frühere britische Außenminister im Jahr 2016 ein grobes Gedicht über Erdoğan schrieb, in dem er den türkischen Präsidenten als „Wichser” bezeichnete und anführte, dass er gerne Sex mit Ziegen hätte. Dies mag zum Teil darauf zurückzuführen sein, dass Johnson – im Gegensatz zu seinem Labour-Gegner Jeremy Corbyn, einem langjährigen Verfechter der kurdischen Rechte und der Selbstbestimmung, mit dem die türkische Regierung wahrscheinlich keine guten Verbindungen aufbauen würde – die bessere Option darstellt. Der türkische Staat glaubt wahrscheinlich, dass eine Johnson-Regierung gute wirtschaftliche Beziehungen zur Türkei priorisieren und die Kritik an ihren militärischen Interventionen, den inhaftierten Journalisten und den Menschenrechtsverletzungen im kurdischen Südosten des Landes nur begrenzt äußern würde.