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Türkei: Erdogan erzwingt Leitzinssenkung

Laut Erdogan ist die hohe Inflation auf hohe Zinsen zurückzuführen
Laut Erdogan ist die hohe Inflation auf hohe Zinsen zurückzuführen (© Imago Images / NurPhoto)

Die jüngste Entscheidung der türkischen Zentralbank zeigt, wie stark sie unter dem Druck Erdogans und seiner irrigen Vorstellung steht, dass hohe Zinsen eine hohe Inflation bewirken.

Mustafa Sonmez, Al-Monitor

Auf politisch motivierten Druck von Präsident Recep Tayyip Erdogan senkte die türkische Zentralbank am Donnerstag ihren Leitzins um 100 Basispunkte auf 18% – trotz hoher Inflation und auf die Gefahr hin, die türkische Lira weiter zu schwächen.

Die Entscheidung des geldpolitischen Ausschusses der Bank entbehrte überzeugender wirtschaftlicher Begründungen und kam für die Finanzmärkte überraschend, da die meisten Analysten mit einem unveränderten Zinssatz von 19% gerechnet hatten. Die türkische Lira stürzte nach der Ankündigung erneut ab und fiel gegenüber dem Dollar um 1,5% auf ein Rekordtief von 8,88, bevor sie im Laufe des Tages wieder etwas an Boden gewann.

Unter dem Gouverneur der Zentralbank, Sahap Kavcioglu, hatte sich Anfang des Monats ein Politikwechsel angedeutet, als dieser die Gesamtinflation herunterzurechnen versuchte, die im August 19,25 % erreicht hatte und damit den Leitzins der Bank von 19% übertraf.

Kavcioglu erklärte, die Bank werde sich auf die Kerninflation konzentrieren, bei der die Lebensmittel- und Energiepreise herausgerechnet werden, und die um mehr als zwei Prozentpunkte niedriger liegt, wobei er außergewöhnliche Bedingungen aufgrund der COVID-19-Pandemie anführte. Obwohl seine Botschaft als Vorbote einer Zinssenkung angesehen wurde, erwarteten die meisten Beobachter, dass die Bank diesen Schritt später im Jahr machen würde. (…)

Die Aussicht auf eine Zinssenkung hatte die Lira bereits geschwächt. Der Preis des Dollars war in den vergangenen zwei Wochen um 4,5% gestiegen, was das Schreckgespenst einer weiteren Dollarisierung im Lande aufkommen ließ. (…) Aber nicht einmal diese Gefahr hielt die türkische Zentralbank davon ab, ihren Leitzins zu senken, da der Druck Erdogans offensichtlich stärker war als andere Bedenken.

Viele fragen sich bereits, ob die Bank auf ihrer nächsten geldpolitischen Sitzung im Oktober eine weitere Zinssenkung vornehmen wird. Die Verbraucherinflation könnte auf 17-18 % sinken, wenn die monatlichen Preissteigerungen im September und in den verbleibenden Monaten des Jahres bei etwa 1% bleiben. Die Aussichten bleiben also trübe und schwer zu prognostizieren.

In jedem Fall ist die Zinssenkung vom Donnerstag ein deutlicher Hinweis darauf, dass nicht die Zentralbank, sondern Erdogan das Sagen hat. Er hatte Anfang August erklärt, dass die Zinssätze im Herbst sinken würden, und auf seiner unkonventionellen Ansicht bestanden, dass hohe Zinssätze Inflation verursachen.

Erdogan betonte, dass die Inflation im August zu sinken beginnen würde, und sagte: „Wir gehen zu einer Senkung der Zinssätze über. Keine hohen Zinssätze mehr. Hohe Zinsen führen zu einer hohen Inflation und niedrige Zinsen zu einer niedrigen Inflation. Der August ist ein Wendepunkt.“ Obwohl die Inflation im August nicht zurückging, folgte die Zentralbank den Anweisungen Erdogans und senkte den Zinssatz.

(Aus dem Artikel Bowing to Erdogan’s pressure, Turkish Central Bank makes risky rate cut“, der bei Al-Monitor erschienen ist. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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