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Bringt die dritte Amtszeit Erdoğans einen Wechsel in der Außenpolitik der Türkei?

Der alt-neue türkische Präsident Erdogan lässt sich von seinen Anhängern für seinen Wahlsieg feiern
Der alt-neue türkische Präsident Erdogan lässt sich von seinen Anhängern für seinen Wahlsieg feiern (© Imago Images / Xinhua)

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat nach seinem Sieg bei der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen am vergangenen Sonntag seine Macht für die nächsten fünf Jahre gefestigt.

Am vergangenen Montag gab der Leiter der Obersten Wahlkommission in der Türkei bekannt, Präsident Erdoğan habe sich eine neue Amtszeit sichern können, nachdem er in der Stichwahl rund 52,2 Prozent der Stimmen erhalten hatte, verglichen mit 47,8 Prozent für seinen Gegner, den Oppositionskandidaten Kemal Kılıçdaroğlu. Aufgrund der im Wahlkampf zutage getretenen Ungewissheiten wirft Erdoğans Sieg große Fragen über die Zukunft der türkischen Politik in den nächsten fünf Jahren auf, insbesondere in Bezug auf die Außenpolitik.

In einer Rede nach seiner Wiederwahl betonte Erdoğan, die nächste Phase werde sich auf die Planung und Organisation der Hundertjahrfeier der Türkei konzentrieren und bekräftigte zugleich sein Versprechen, die Inflation zu überwinden und eine produktive Wirtschaft aufzubauen.

Die Türkei hat neben vielen anderen Problemen vor allem mit einer hohen Inflation zu kämpfen sowie mit steigenden Lebenshaltungskosten, dem beispiellosen Verfall der Lira und den Spannungen mit dem Westen, da Ankara sich den gegen Russland verhängten Sanktionen nicht angeschlossen hat und gute Beziehungen zu Moskau unterhält

Außenpolitischer Spannungsabbau

Der erste Punkt in der außenpolitischen Debatte betrifft die Beziehungen zu Europa, wie der türkische Politologe Javad Gok erklärt: Erdoğan werde versuchen, »die Beziehungen zur Europäischen Union zu verbessern, da es momentan kein Vertrauen zwischen den beiden Seiten gibt«. Türkei-Experte Karam Saeed stimmt diesem Befund zu und meint ebenfalls, Erdoğans wichtigste Aufgabe werde es sein, »die Spannungen mit den westlichen Mächten unter Kontrolle zu bringen«.

Saeed glaubt, der türkische Präsident und seine Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) würden darauf bedacht sein, »dass ein Konflikt mit dem Westen den Punkt einer völligen Entfremdung nicht erreicht«. Zugleich werde der Versuch der Wiederherstellung der Beziehungen zum Westen jedoch die türkische Annäherung an den Osten nicht aufhalten. So werde Erdoğan die »Politik der Annäherung an die östliche Achse mit der Fortsetzung der guten Beziehungen zu Russland, der Politik der Deeskalation im Nahen Osten, der Stärkung der Beziehungen zum regionalen Umfeld der Türkei und der Vollendung der Normalisierung mit einigen Ländern, darunter Ägypten, fortsetzen«.

Unmittelbar darauf teilte Ägypten am Dienstag prompt mit, Präsident Abdel Fattah el-Sisi und sein türkischer Amtskollege Erdoğan hätten während eines Telefongesprächs vereinbart, »unverzüglich mit der Anhebung des Niveaus der diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu beginnen und wieder Botschafter auszutauschen«.

Neuer Ansatz

Der ehemalige stellvertretende US-Außenminister Matthew Briza hingegen sieht die türkische Außenpolitik in den kommenden Jahren anders: Zwar werde die Rolle der Türkei als Brücke zwischen dem Westen und dem Osten weiterhin bestehen, der Schwerpunkt Ankaras könnte sich jedoch dahingehend verlagern, »als es sich stärker im Osten verwurzelt und gleichzeitig bereit ist, den Westen auf Armeslänge zu halten«.

Der Experte für internationale Beziehungen Abdullah Al-Aqrabawi stimmt Briza implizit zu, wenn er meint, es sei zu erwarten, dass Erdoğan seinen neuen außenpolitischen Ansatz, den er in den vergangenen zwei Jahren verfolgt hat, zu Ende führen und sich dabei vor allem auf die Förderung wirtschaftlicher Interessen konzentrieren wird. »Der neue türkische Ansatz basiert auf der Verbesserung der Beziehungen zu den Golfstaaten, um den externen Druck auf die Türkei zu verringern und den Zugang zu den arabischen Märkten wiederherzustellen.«

Mit diesem neuen Ansatz ziele Ankara nicht zuletzt darauf ab, die Verbesserung der Beziehungen der östlichen Mittelmeerländer zu Griechenland einzudämmen. Auch die Annäherung Ankaras an Ägypten und Israel könne in diesem Zusammenhang verstanden werden, meint Al-Aqrabawi, der zugleich der Ansicht ist, »die Beziehungen der Türkei zum Westen werden wahrscheinlich angespannter, wenn Ankara stärkere Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zu Moskau entwickelt«.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Erdoğan seine Außenpolitik fortsetzen und versuchen wird, eine unabhängigere und pragmatischere Rolle einzunehmen. Es besteht jedoch die Möglichkeit von Spannungen, insbesondere mit den westlichen Staaten, aufgrund der Differenzen zwischen den beiden Parteien über die Mitgliedschaft Schwedens in der NATO und der Erosion von Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Redefreiheit in der Türkei.

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