„Der Preis für Zwiebeln hat sich in den letzten Monaten verdreifacht, aber auch die Preise für andere Gemüsesorten stiegen Monat für Monat um mehr als 6 Prozent und damit weit über der allgemeinen Inflationsrate. (…) Weil im März wichtige Kommunalwahlen stattfinden, bei denen der Regierungspartei AKP der Verlust der Metropolen Istanbul und Ankara droht, sind die Lebensmittelpreise mittlerweile zum wichtigsten Streitpunkt zwischen der Opposition und den Dauerregenten um Präsident Recep Tayyip Erdoğan geworden.
Finanzminister Berat Albayrak, der Schwiegersohn des Präsidenten und dessen Sprachrohr in allen Wirtschaftsfragen, hat am Mittwoch einen Aktionsplan zur Reduzierung der Lebensmittelpreise angekündigt und gleichzeitig dunkle Mächte für den Preisanstieg verantwortlich gemacht. Gegenüber Journalisten sagte er: ‚Ich nenne es Lebensmittelterror. Es ist keine Überraschung, dass diejenigen Kräfte, die den Terror insgesamt unterstützen, jetzt auch den Alltag unserer Bürger angreifen. Ich fordere eine Untersuchung, um die Verantwortlichen für die Lebensmittelspekulation dingfest zu machen.‘
Schon vor der Jahreswende hatte die Regierung Inspekteure losgeschickt, um nach angeblichen Lagern zu suchen, in denen „Kriminelle“ Zwiebeln horten sollten, um die Preise in die Höhe zu treiben. Gefunden wurde nichts. (…) Dabei sind weniger dunkle Mächte für den Anstieg der Lebensmittelpreise verantwortlich als vielmehr ein Mix aus schlechten Ernten, einer Agrarpolitik, die unter Erdoğan Monokulturen für den Export forciert und damit die Selbstversorgung der Türkei mit Lebensmitteln verspielt hat, was wiederum dazu führt, dass nun etliche Sachen importiert werden müssen, die angesichts des Absturzes der türkischen Lira gegenüber dem Dollar immer teurer werden.“ (Jürgen Gottschlich: „Streit um die Zwiebel“)