„Ebenfalls viel verloren, aber wenigstens nicht das Leben, haben diejenigen, denen heute zur Last gelegt wird, sich am Putsch beteiligt oder ihn unterstützt zu haben. Allen voran natürlich im Militär: 7655 Personen wurden entlassen, 150 davon standen zuvor im Rang des Generals. Aber die „Säuberungen“, wie das Amt des Präsidenten die Phase nach dem missglückten Militärstreich nennt, beschränkten sich nicht ausschließlich auf die Schuldigen innerhalb der Armee.
Der türkische Justizminister Bekir Bozdag gab pünktlich zum Jahrestag die Zahlen bekannt: Demnach wurden gegen über 168.801 Personen im Rahmen der Ermittlungen rechtliche Schritte eingeleitet. 50.504 befinden sich derzeit in Haft, über 48.000 sind unter der Auflage, sich regelmäßig zu melden, auf freiem Fuß. 8000 Personen sind auf der Flucht. Noch immer gibt es neue Verhaftungswellen an Schulen und Universitäten, in Krankenhäusern, bei der Polizei und in der Privatwirtschaft. Das falsche Kommunikationsprogramm installiert auf dem Smartphone reicht als Verdachtsmoment ebenso wie die falschen Freunde.
Die Menschenrechtsplattform IHOP hat einen Bericht erstellt, nach dem 101.000 Menschen per Dekret ihr Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst verloren haben. Darunter auch 7619 Akademiker. Außerdem wurde die Arbeitsgenehmigung von 22.000 Menschen entzogen, die in privaten Lehranstalten beschäftigt waren. Viele der Einrichtungen sind inzwischen geschlossen. Dem Heer von Menschen, deren Leben durch einen Prozess bedroht ist, gesellt sich das Heer der Arbeitslosen hinzu.“ (Veronika Hartmann: „Nach dem Putschversuch in der Türkei hat jeder etwas verloren“)