Niemand sollte glauben, dass Israel die Schmutzarbeit für die Vertreibungsfantasien von US-Präsident Trump zur Zukunft des Gazastreifens erledigt.
Mitchell Bard
Es war interessant, den verwirrten Gesichtsausdruck des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu während einer Pressekonferenz in Washington zu beobachten, als der amerikanische Präsident Donald Trump seine verrückte Idee vorbrachte, alle Bewohner des Gazastreifens abzuschieben. Doch der Mann, der darauf besteht, »kein Vasall« zu sein, schwenkte schnell um und lobte Trump für eine Idee, welche »die Geschichte verändern könnte«.
Trump verdient Anerkennung dafür, dass er offenbar die Zwei-Staaten-Lösung aufgegeben hat, die noch in seinem Friedensplan für den Nahen Osten aus seiner ersten Amtszeit verankert war. Einige lobten ihn dafür, dass er über den Tellerrand hinausschaut, aber Kreativität allein macht eine Idee nicht gut. Im konkreten Fall ist sein Vorschlag, die Palästinenser nach Jordanien und Ägypten zu schicken, nicht nur unrealistisch, sondern auch gefährlich für Israel.
Der ehemalige US-Botschafter Ryan Crocker meinte dazu: »Es ist bemerkenswert, dass es in Ägypten keine palästinensische Bevölkerung gibt. Schon zu Zeiten des [ehemaligen ägyptischen Staatsoberhaupts] Gamal Abdel Nasser sahen die Ägypter die Bedrohung. … Wenn man durch die Region reist, waren sich fast alle [arabischen Regierungen] in einem Punkt einig, nämlich dass die Palästinenser eine Bedrohung darstellten, eine ausländische Bevölkerung, die geschwächt, wenn nicht gar beseitigt werden sollte.«
Angesichts dieser Tatsache war es nicht überraschend, dass die von Donald Trump gemeinten Länder Ägypten und Jordanien die Idee ablehnten. Der Präsident drohte, sie auf Linie zu bringen, indem er die US-Hilfen einstellen würde, doch beiden Staaten blieben standhaft, woraufhin Trump schließlich nachgeben musste.
Was wollen die Palästinenser?
Das Problem könnte gelöst werden, indem man den Palästinensern die Wahl lässt, wohin sie gehen wollen. Eine Umfrage des Palestinian Center for Policy and Survey Research ergab, dass 31 Prozent der Bewohner des Gazastreifens eine Auswanderung in Betracht ziehen. Das beliebteste Ziel war die Türkei, gefolgt von Deutschland, Kanada, den USA und Katar. Auffällig war, dass weder Jordanien noch Ägypten auf der Liste stehen und keines der oben genannten anderen Länder sich freiwillig bereit erklärt, Hunderttausende von Flüchtlingen aufzunehmen. Es ist auch erwähnenswert, dass Trump die Vereinigten Staaten nicht als Zufluchtsort angeboten hat.
Doch selbst bei einer Auswanderung aller Freiwilligen blieben jedenfalls immer noch rund 1,5 Millionen im Gazastreifen. Die Befürworter des Trump-Plans wollen die Palästinenser zum Verlassen des Gebiets zwingen. Die Israelis würden sicherlich keine Träne vergießen, und einige würden zweifellos hoffen, dass dieselbe Idee auch auf das Westjordanland angewendet werden könnte.
Historische Vergleiche
Kritiker riefen hingegen sofort »ethnische Säuberung« und »Kriegsverbrechen«. Als Antwort darauf führen die Befürworter historische Präzedenzfälle von Massenvertreibungen und Bevölkerungsverschiebungen an, die mit wenig internationaler Gegenreaktion einhergingen:
- Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden 12,5 Millionen Deutsche aus Polen und der Tschechoslowakei vertrieben.
- Zwischen zehn und zwanzig Millionen Menschen wurden während der Teilung Indiens im Jahr 1947 vertrieben.
- Im Jahr 1972 vertrieb Uganda 80.000 Asiaten.
- Mehr als 700.000 Rohingya-Muslime flohen 2017 nach Bangladesch.
- Erst vor zwei Jahren hat Pakistan 1,7 Millionen Afghanen ausgewiesen.
Das relevanteste Beispiel ist die Ausweisung von 300.000 Palästinensern durch Kuwait im Jahr 1991, nachdem die PLO ihre Unterstützung für die Invasion des irakischen Präsidenten Saddam Hussein in das Land erklärt hatte. Erinnert sich noch jemand daran? Haben die Vereinten Nationen Kuwait verurteilt? Wurden auf dem Campus von Hochschulen Studentenlager errichtet, um gegen die gewaltsame Vertreibung der Palästinenser zu protestieren? Hat irgendjemand zum Boykott Kuwaits aufgerufen?
Diese Vergleiche zur Rechtfertigung der Vertreibung der Bewohner des Gazastreifens heranzuziehen, ist problematisch. Im Gegensatz zu diesen anderen Gruppen haben die Palästinenser eine aktive globale Anhängerschaft, die sich für sie einsetzt. Der Fall Kuwait wurde weitgehend ignoriert, weil die Misshandlung von Palästinensern durch Araber noch nie internationale Empörung hervorgerufen hat. Geht es jedoch um Israel, ist die Reaktion eine ganz andere.
Heute sind die Palästinenser das beliebteste Anliegen der Welt – zumindest rhetorisch. Den Israelis, die in weiten Teilen der Welt bereits als Paria gelten, mag zusätzliche Kritik egal sein, aber eine Massenvertreibung würde ihre Isolation nur noch verstärken.
Da der amerikanische Präsident nicht dargelegt hat, wie die 2,2 Millionen Palästinenser deportiert werden sollen, wird davon ausgegangen, dass Israel für die Umsetzung des Plans verantwortlich wäre. Stellen Sie sich vor, wie israelische Soldaten palästinensische Familien mit ihren spärlichen Habseligkeiten zusammentreiben und sie zur Abschiebung in Busse und Lastwagen verladen. Welche Analogie würde das hervorrufen?
Wenn Donald Trump glaubt, dies sei eine tragfähige Lösung, kol hakavod [ungefähr: »alle Ehre«], er soll US-Truppen schicken, um sie auszuführen. Aber erwarten Sie nicht, dass die Israelis die Drecksarbeit für ihn machen.
(Der Artikel ist auf Englisch vom Jewish News Syndicate veröffentlicht worden. Übersetzung von Florian Markl. Mitchell Bard ist Autor des in vielen Auflagen erschienenen Buches Myths and Facts: A Guide to the Arab-Israeli Conflict)