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Trump, bin Salman, Khamenei – ein „Trio Infernale“?

Die Berichterstattung des Spiegel über die Eskalation in der Golfregion hat mit der Wirklichkeit wenig zu tun.

Trump, bin Salman, Khamenei – ein „Trio Infernale“?
Raffinerie-Komplex in Khurais, Saudi-Arabien (Quelle: Planet Labs, CC BY-SA 4.0)

Der Angriff startete am Samstag, dem 14. September 2019 gegen 4:00 Uhr Ortszeit: Sieben Cruise Missiles und 18 Drohnen heben, Indizien zufolge, von der Ahvaz-Luftwaffenbasis der iranischen Revolutionären Garden im südwestlichen Iran ab. Die Drohnen zerstören die weltweit größte Erdölanlage im saudischen Abkaik, vier der Cruise Missiles treffen das Ölfeld Khurais und setzen es in Flammen, die übrigen drei Marschflugkörper verfehlen ihr Ziel. Der Angriff legt die Hälfte der saudischen Ölförderung lahm: 5,7 Millionen Barrel, also etwa 900 Millionen Liter Rohöl pro Tag sind betroffen. Seit dem Golfkrieg von 1991 hatte es keinen vergleichbar verheerenden Angriff auf Ölanlagen gegeben.

Eine Woche später wird dieser Angriff, seiner Bedeutung angemessen, zum Aufmacher des Spiegel gemacht. Doch auf welche Art und Weise! „Trio Infernale“ (Höllisches Dreigespann), lautet die Schlagzeile der Titelseite. „Ein Fanatiker, ein Hitzkopf und der Unberechenbare: Was ein Krieg am Golf für die Welt bedeuten würde“.

Das Foto zeigt in der unteren Hälfte die lichterloh brennende Ölanlage von Abkaik und darüber – effektvoll vor Rauchschwaden ins Bild gesetzt – in Großaufnahme den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, mit zusammengekniffenen Augen ins Weite blickend, sowie rechts und links von ihm in kleinerer Darstellung den ebenfalls in die Ferne blickenden Donald Trump sowie den iranischen Revolutionsführer Ali Khamenei, der als einziger dem Betrachter in die Augen blickt. Diesem wird signalisiert: Washington ist für das Inferno mindestens ebenso verantwortlich wie Teheran, während man vor dem gefährlich ausschauenden Kronprinzen besonders viel Angst haben muss.

Mit dieser Collage stellt die Spiegel-Chefredaktion die Wirklichkeit auf den Kopf. Saudi-Arabien war bei diesem Kriegsakt nicht der Angreifer, sondern das angegriffene und erheblich geschädigte Land. Trump hatte gerade seinen als „Hardliner“ geltenden Sicherheitsberater John Bolton entlassen und noch am Vortag des Angriffs bekundet, dass er davon ausgehe, „dass Iran ein Treffen will“, und dass er dazu „ohne Vorbedingungen“ bereit sei. (FAZ, 14. September 2019) Der islamistische Iran hingegen, dessen Waffen bei diesem Angriff zweifelsfrei zum Einsatz kamen, hatte als einziges Land der Erde den Angriff auf die Ölanlagen verteidigt, seine Urheberschaft aber dementiert.

In der Titelstory wird die falsche Spur, die das Cover legt, weiter ausgewalzt. Ich gehe im Folgenden nur auf die wichtigsten Fehler des Spiegel ein.

„Brandstifter“

Zu Beginn des Hauptartikels es heißt unter der Überschrift „Die Brandstifter“:

„US-Präsident Donald Trump und sein saudischer Verbündeter Mohammed bin Salman haben einen Konflikt mit Iran heraufbeschworen. Dort trumpfen nun die Hardliner um Revolutionsführer Ali Khamenei auf.“

Hier ist zunächst die zeitliche Zuordnung verkehrt. Wer so tut, als hätte der Ärger mit dem Iran erst 2018, mit Trumps Ausstieg aus dem Atomdeal begonnen, leidet unter Gedächtnisverlust. In Wirklichkeit wurden die mit diesem Abkommen verbundenen Hoffnungen bereits während der Schlussphase der Amtszeit Barak Obamas enttäuscht. Teheran testete auch weiterhin nuklearfähige Raketen und setzte atomwaffenrelevante Forschungen fort. Es ließ weiterhin Schwule aufhängen und Oppositionelle auspeitschen.

Mehr noch: Das Regime nutzte die durch den Atomdeal freigewordenen Milliardensummen, um den Syrienkrieg an der Seite von Assad zu eskalieren und die Region in Gänze zu destabilisieren. Seine Expansionsstrategie war der Hauptgrund, warum im Sommer 2015, kurz nach der Einigung auf den Atomdeal, die massenhafte Flüchtlingsbewegung nach Europa einsetzte. Ohne die US-Administration von Fehlern freisprechen zu wollen, bleibt somit festzuhalten, dass die USA mit ihrem Austritt aus dem Atomabkommen auf eine Situation reagiert hatten, die weder Donald Trump noch Mohammed bin Salman, sondern allein Teheran „heraufbeschworen“ hatte.

„Aufkündigung des Atomabkommens“

Donald Trump habe, schreibt der Spiegel weiter, „mit der Aufkündigung des Atomabkommens dafür gesorgt, dass die Lage soweit eskalieren konnte.“ Das Blatt bezieht sich dabei auf nicht näher genannte Stimmen in Berlin. Und in der Tat wird in Deutschland seit geraumer Zeit die Frage, ob jemand zu den „Guten“ oder zu den „Schlechten“ gehört, von seiner Haltung zum Atomdeal von 2015 abhängig gemacht: Wer diesen Deal kritisiert oder gar verlässt, wie die USA, gilt – unabhängig von der Überzeugungskraft der hierfür angeführten Argumente – als böse, als Kriegstreiber, als verantwortlich für alle Eskalationen in der Region. Wer sich hingegen wie der Iran, und sei es nur verbal, zum Atomabkommen bekennt, steht auf der Seite der Guten, egal was passiert.

Hier stellt sich allerdings die Frage, ob diejenigen, die den Atomdeal derart heiligsprechen, dessen Wortlaut kennen; ob sie zum Beispiel wissen, dass diesem Deal zufolge bereits im Oktober 2020, also in gut einem Jahr, das derzeit gültige Verbot, konventionelle Waffen an das Regime zu liefern, auslaufen wird; ob sie wissen, dass dem Abkommen zufolge schon 2023 auch das Verbot, dem Regime beim Bau atomwaffenfähiger Atomraketen zu helfen, entfallen wird und dass Teheran, ebenfalls ab 2023, fortgeschrittene Uranzentrifugen im industriellen Maßstab herstellen darf.

Dass der Atomdeal in diesem Punkt einen verhängnisvollen Konstruktionsfehler aufweist, räumte bereits Barak Obama ein: „In 13,14,15 Jahren besitzen sie [die Iraner] weiterentwickelte Zentrifugen, die das Uran sehr schnell anreichern. Unter diesen Umständen würde die breakout time auf nahezu Null schrumpfen“, hatte er 2015 erklärt. (New York Times, 7. April 2015) Unter breakout time versteht man die Zeitspanne, die ein Land braucht, um die Bombe zu bauen.

Das bedeutet: Wer den Atomdeal bedingungslos unterstützt, tritt implizit für das schrittweise Auslaufen seiner Beschränkungen ein. Dies ist der wesentliche Grund, warum sich Teheran für die Beibehaltung dieses Abkommens engagiert. Dieser Deal bahnt dem Regime einen von der internationalen Gemeinschaft akzeptierten Weg zur Bombe. Dies mag vielleicht im Interesse Russlands oder Chinas liegen – aber will dies auch die Europäische Union? Und falls ja – aus welchem Grund?

Tatsache ist: Wer die nukleare Option für dieses Regime nicht nur in Papier- Verlautbarungen, sondern real verhindern will, kommt gar nicht darum herum, aus diesem Abkommen besser früher als später auszusteigen, um es durch ein Wirksameres zu ersetzen.

„Druck gegen Druck?“

Der Spiegel aber nimmt den Iran selbst noch in seiner Berichterstattung über den jüngsten Angriff auf Saudi-Arabien in Schutz. So wird die Cruise-Missiles-Attacke auf Abkaik mit dem Argument, es handle sich lediglich um eine Reaktion, implizit entschuldigt: „Der Angriff folgt der Strategie von ,Druck gegen Druck‘, die Teheran seit dem Frühjahr gegenüber den USA fährt.“

Die Unbekümmertheit, mit der hier das Vorgehen des iranischen Regimes und die Maßnahmen der USA auf eine Stufe gestellt werden, ist bemerkenswert. Es trifft zu, dass die USA mithilfe von Sanktionen maximalen Druck auf das Regime auszuüben suchen, um es zu einer Verhaltensänderung zu zwingen.

Dieser Druckaufbau hat, obwohl die Europäer alles tun, um ihn zu unterlaufen, durchaus Erfolge erzielt. So gingen die iranischen Militärausgaben in 2017 um 28 Prozent zurück (Times of Israel, 9. Mai 2019). So wurden nach Auskunft von Amir Taheri innerhalb des Iran 30 Rekrutierungsbüros für Syrien geschlossen und die Anwerbung von Söldnern aus Afghanistan und Pakistan beendet. So wurden die Gelder an schiitische Hilfstruppen um zehn Prozent gekürzt, was besonders die Hisbollah und den Islamischen Djihad traf. Auch das Raketenprogramm soll beschnitten und auf eine Raketen-Reichweite von 2000 km eingefroren worden sein. (Asharq Al-Awsat, 5. Juli 2019)

Entscheidend aber ist, dass die USA keine Militärgewalt, sondern ihr wirtschaftliches Potential eingesetzt haben, um jene Verhaltensänderungen zu erzwingen. Einen unprovozierten Angriff Washingtons auf iranische Erdölanlagen hat es nicht gegeben. Demgegenüber hat Teheran, anstatt sich auf neue Verhandlungen mit den USA einzulassen, auf den wirtschaftlichen Druck der USA mit kriegerischen Maßnahmen reagiert und diese fortlaufend verschärft:

  • Im Mai 2019 beschädigten iranische Revolutionsgarden vier Handelsschiffe in der Straße von Hormuz und starteten einen Raketenangriff auf das Nachbargebäude der US-Botschaft in Bagdad.
  • Im Juni beschädigten sie zwei Tanker im Golf von Oman und schossen eine Drohne der USA ab.
  • Im Juli testete Teheran trotz anderslautender Vorgabe des UN-Sicherheitsrats eine nuklearfähige Mittelstreckenrakete vom Typus Shahab 3 und ließ die französisch-iranische Anthropologin Ariba Adelkhah willkürlich verhaften.
  • Am 12. Juli scheiterte zunächst der Versuch, einen britischen Öltanker zu beschlagnahmen.
  • Eine Woche später gelang den Revolutionsgarden dieser Coup: Seit dem 19. Juli befindet sich der britische Öltanker „Stena Impero“ und die Mehrheit seiner 23-köpfigen Besatzung in iranischem Gewahrsam. (Gestern wurde zwar vermeldet, dass es dem Tanker dem Iran zufolge freistehe, seine Fahrt fortzusetzen, doch momentan befindet er sich noch immer im iranischen Bandar Abbas.)
  • Im August hinderte das Regime einen Tanker irakischen Ursprungs an der Weiterfahrt und verschleppte nun auch den britisch-iranischen Anthropologen Kameel Ahmady ohne Angabe von Gründen in das berüchtigte Evin-Gefängnis.
  • In diesem Monat erhob das Regime zudem „Anklage“ gegen den regimekritischen amerikanischen Thinktank Foundation for Defense of Democracies sowie dessen Vorsitzenden Mark Dubowitz und kündigte deren Bestrafung, also einen Terrorakt, an.
  • Im September schließlich folgte der Angriff auf zentrale Ölförderstätten Saudi-Arabiens.

Die Behauptung, der Iran habe, in die Enge gedrängt, gar keine andere Wahl, als sich auf diese Weise zu wehren, ist absurd. Die inzwischen bei der Mehrheit der Bevölkerung verhasste klerikale Elite hat sehr wohl die Möglichkeit, ihre Politik zu ändern und auf das „bedingungslose“ Verhandlungsangebot der USA einzugehen, um sich vom Sanktionsdruck zu befreien.

Maas in Teheran

Die Äquidistanz, die der Spiegel mit seiner Gleichung von „Druck“ und „Gegendruck“ zum Ausdruck bringt, ignoriert, dass das iranische Regime seit seinen Verstößen gegen den Atomwaffensperrvertrag von 2003 niemals freiwillig die seit 2006 erfolgten Auflagen des UN-Sicherheitsrats befolgte und auch nur unter Druck bereit war, Verhandlungen über den Atomdeal zu beginnen. Einen letzten Versuch, mit den Machthabern in Teheran ohne Druck ins Gespräch zu kommen, unternahm im Juni 2019 der deutsche Außenminister Heiko Maas.

Das Ergebnis war desaströs. Die Titelseite von Jawan, der Tageszeitung der Revolutionsgarden, begrüßte den deutschen Außenminister mit einer antisemitischen Karikatur, die Maas mit dem Hitlergruß und einer Nazi-Armbinde, sowie mit Brillengläsern in Form des Davidsterns und einer USA-Flagge als Krawatte zeigte. Zeitgleich behauptete die Zeitung Kayhan, die dem Revolutionsführer nahesteht: „Eine große Zahl an Sitzen im deutschen Parlament ist von nicht-deutschen Zionisten besetzt.“ Und sie fügte hinzu: „Deutschland ist der Sklave Israels.“

Und damit nicht genug: Irans Regierungssprecher wies das Maas-Anliegen, auch über Irans Rolle in der Region und dessen Raketenprogramm sprechen zu wollen, ebenso schroff wie arrogant zurück: „Die EU ist nicht in einer Position, die es ihr erlaubt, andere Themen als den Atomdeal anzusprechen.“

Gibt es irgendein anderes Land der Welt, in dessen Hauptstadt der deutsche Außenminister derart vorgeführt und antisemitisch attackiert wird? Diese Episode, über die man in Deutschland bezeichnenderweise kein Wort verlor, verrät Einiges über die Besonderheiten Irans und über die spezielle Motivlage, die Teheran dazu treibt, den Westen mit Cruise Missiles und Terror unter Druck zu setzen. Auch deshalb verbietet sich der im Spiegel vertretene Standpunkt der Äquidistanz.

„Trio infernale“

„EIN Fanatiker, EIN Hitzkopf“, aber „DER Unberechenbare“ heißt es auf der Titelseite des Spiegel, die dem US-Präsidenten auf diese Weise eine besondere Rolle im „Trio infernale“ zuschreibt. „Ein Trio infernale ist dabei, die ganze Region anzuzünden“, behauptet das Blatt, wobei es dessen Akteure unterschiedlich etikettiert: Mohammed bin Salman sei „jung und ruchlos“, Ali Khamenei hingegen „gestählt in vier Jahrzehnten des Kampfes … gegen den ,großen Satan‘“, während Trump als „aggressiv und planlos“ gezeichnet wird. Doch auch in diesem Punkt liegt der Spiegel daneben, hat doch Donald Trump seine Iran-Politik spätestens seit dem 21. Juni 2019 neu justiert.

Am 20. Juni hatten Revolutionsgardisten eine amerikanische Drohne im Wert von 130 Mio. Dollar abgeschossen. In der Früh des Folgetages wollten die USA militärisch ein Zeichen setzen. Doch Trump blies den Militäreinsatz zehn Minuten vor seiner Ausführung, wie er später betonte, ab, da eine Militäraktion unverhältnismäßig sei. Vielleicht war dies vernünftig, vielleicht auch nicht. Den eigentlichen Schaden richtete der amerikanische Präsident erst anschließend an, als er wie ein pazifistischer Pfau durch die Medienlandschaft stolzierte, um der Welt per Twitter mitzuteilen, dass er und niemand sonst einen Militäreinsatz, der 150 Menschen hätte töten können, verhindert habe.

Nach diesem Auftritt, den die FAZ vollkommen richtig als „Trumps Obama-Moment“ charakterisierte, war von dem wochenlang aufgebauten „maximalen Druck“ gegen Teheran kaum noch etwas übrig: Trumps Absage an die militärischen Option wirkte wie der Nadelstich in einen prall gefüllten Ballon. Denn es war stets die militärische Übermacht der USA, die den Druckkampagnen gegen Iran die Glaubwürdigkeit verlieh. Damit war es erstmal vorbei. Von jetzt an „können sich die Hardliner in Teheran ungefähr ausrechnen, wie weit sie gehen können“, spottete die FAZ. „Jetzt hat es die iranische Führung sozusagen amtlich, dass sie sogar eine direkte militärische Eskalation riskieren kann“ – eine direkte militärische Eskalation, wie sie dann in der Tat am 14. September zum Tragen kam (FAZ, 21. und 22. Juni 2019).

Der Spiegel hat vermutlich Recht, wenn er die Trump’sche Iranpolitik als „planlos“ charakterisiert. Sie aber auch noch nach dem 21. Juni als „aggressiv“ und brandstifterisch zu charakterisieren, geht an der Wirklichkeit vorbei.

Das Blatt spricht in seiner Coverstory von einem „verwirrenden Krieg“ mit „verschwommenen Fronten“ und „Attacken, von denen man vielleicht nie wissen wird, wer sie geführt hat.“ Es ist aber das Magazin selbst, das Spuren verwischt, Interessenlagen vernebelt und seine Leserschaft täuscht. Damit wird es auch der Bundesregierung leichter gemacht, sich dumm zu stellen. Berlin behauptete noch 48 Stunden nach dem Angriff, „keine Zuordnung der Verantwortlichkeit“ vornehmen zu können: „Die Bundesregierung hat keine eigenen Einschätzungen“ (Regierungspressekonferenz vom 16. September 19). In der iranischen Botschaft in Berlin wird man sich die Hände gerieben haben.

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